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Zu viele Schmerzmittel können Kopfschmerzen verstärken

Kopfschmerzen sind ein häufiges Symptom einer COVID-19-Erkrankung. Bei vielen Betroffenen können diese noch Wochen und Monate nach der akuten Infektion bestehen bleiben. Da normale Schmerzmedikamente bei Kopfschmerzen durch COVID-19 gut wirken, nehmen viele Patienten sie die ganze Zeit über regelmäßig ein. Die Gefahr: Die dauerhafte Einnahme kann zu einem sogenannten chronischen Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz führen.

Dreieinhalb Monate ist es schon her, als Peter M. mit einer COVID-19-Infektion im Bett lag. Halskratzen, Husten, Schnupfen, heftige Kopf- und Gliederschmerzen quälten ihn. Die akuten Symptome gingen relativ schnell zurück. Doch die starken Kopfschmerzattacken dauern immer noch an. Der 38-jährige Industriekaufmann nimmt zweimal am Tag ein gängiges Schmerzmittel dagegen. Es wirkt gut, ein paar Stunden am Tag hat er Ruhe vor dem Schmerz.

Bei 44 Prozent der Covid-Erkrankten dauern Kopfschmerzen an

Peter M. ist kein Einzelfall. Heftige Kopfschmerzen sind typisch bei einer Erkältung, einer Grippe oder einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Doch nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung haben noch rund 44 Prozent der Betroffenen Kopfschmerzen, die Wochen und Monate andauern können.

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Die Kopfschmerzen nach überstandener COVID-19-Erkrankung können Wochen und Monate andauern.

Sie gehören zu einer ganzen Reihe von Symptomen, die man – je nachdem wie lange sie andauern – unter „Long Covid“ oder „Post-Covid-Syndrom“ zusammenfasst. Da ist es nur zu verständlich, dass Peter M. zu Schmerztabletten greift, um den Brummschädel für eine Weile loszuwerden.

Schmerzmittel können chronische Kopfschmerzen verursachen

Das Problem: „Alle Schmerzmittel selbst können als Nebenwirkung zu häufigeren und vermehrten Kopfschmerzen führen“, sagt Dr. Andreas Kopf, Oberarzt und Leiter des Schmerz- und Palliativzentrums, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin.

Das Phänomen heißt in der Fachsprache „Medication Overuse Headache“, kurz MOH, oder Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz, verursacht durch die Einnahme von zu viel Schmerzmedikamenten. Der Experte erklärt das Krankheitsbild: „Menschen, die an Kopfschmerzen leiden und an mehr als zehn Tagen im Monat länger als ein Vierteljahr lang ein oder mehrere Schmerzmittel einnehmen, können einen sogenannten Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz entwickeln.“

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Für die Einnahme gilt die „Zehn-Tage-Regel“: Schmerzmedikamente sollten bei Kopfschmerzen nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat eingenommen werden. Wenn Sie diese Grenze nicht einhalten können, weil die Kopfschmerzen immer häufiger werden, sollten Sie Ihren Hausarzt aufsuchen.

Herausfinden, was den Kopfschmerz verursacht

Wenn Sie nach einer COVID-19-Erkrankung unter neuen oder anderen Kopfschmerzen als zuvor leiden, sollten Sie zunächst Ihren Hausarzt beziehungsweise Ihre Hausärztin aufsuchen. Dann wird untersucht, ob es sich bei Ihnen um einen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Kopfschmerz handelt, sich bereits vorher bestehendes Kopfweh verschlimmert hat oder der durch die Infektion ausgelöste Stress und Sorgen Ursache Ihrer Kopfschmerzen sind.

In wenigen Fällen verursacht das Coronavirus SARS-CoV-2 auch plötzliche, neu auftretende und fast tägliche Kopfschmerzen. Sie werden „New Daily Persistent Headache“ (NDPH) genannt und können für virale Infekte typisch sein. Studien zufolge lassen die mit einer COVID-19-Infektion verbundenen Kopfschmerzen in vielen Fällen langfristig nach.

So waren die Schmerzen nach 60 Tagen noch bei 16,5 Prozent der Betroffenen vorhanden, nach einem halben Jahr bei 8,4 Prozent. Das hat eine Literaturübersicht mit 36 Studien gezeigt. „Man kann aber nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich dabei um einen Corona spezifischen Kopfschmerz handelt“, erklärt Dr. Kopf.

Mehr als 200 bekannte Kopfschmerzarten

Trotz der Schmerzmittel werden Peter M.s Kopfschmerzen immer schlimmer. Schließlich sucht er seinen Hausarzt auf. Dieser fragt ihn zunächst nach den genauen Symptomen, also ob der Kopfschmerz neu beziehungsweise verändert ist, wie häufig und in welchem Kopfbereich der Schmerz auftritt und wie er sich anfühlt.

Es hämmert und pocht im rechten Kopf, ihm ist übel. Wenn seine Freundin in der Küche mit dem Geschirr hantiert, zuckt er vor den Geräuschen zusammen. Geht er spazieren, wird die Schmerzattacke noch schlimmer.

Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz. Es gibt insgesamt mehr als 200 bekannte unterschiedliche Arten, die in zwei große Gruppen eingeteilt werden. Um primäre Kopfschmerzen handelt es sich, wenn ihnen keine andere Erkrankung zugrunde liegt. Dazu gehören zum Beispiel Migräne, Spannungs- und Clusterkopfschmerzen.

Primäre Kopfschmerzen

  • Spannungskopfschmerzen: auf beiden Seiten des Kopfes helmartig drückend und beengend. Sie werden bei körperlicher Aktivität nicht schlimmer.
  • Migräne-Kopfschmerzen: in der Regel einseitig und pulsierend. Ist man körperlich in Bewegung, werden die Schmerzen stärker. Häufig Überempfindlichkeit gegen Licht, Geräusche und/oder Gerüche. Außerdem oftmals Übelkeit, Erbrechen, selten auch Kribbeln und Taubheitsgefühle im Gesicht oder Hand oder Bein einer Seite.
  • Clusterkopfschmerzen: einseitig auftretende schwere Attacken von Kopf- und Gesichtsschmerzen, unter anderem mit einseitigem Augentränen.

Sekundäre Kopfschmerzen infolge einer Erkrankung

Sekundäre Kopfschmerzen treten infolge einer Erkrankung auf. Das kann beispielsweise eine Verletzung am Kopf sein, Schädigungen von Gesichtsnerven oder Halswirbelsäule, Gehirntumore, Erkrankungen der Sinnesorgane, Nasennebenhöhlen – oder eben eine Infektion wie mit dem Coronavirus SARS-CoV-2.

Wie letztere entstehen, ist noch nicht erforscht. Experten vermuten, dass Thrombosen oder Entzündungen im Gehirn dahinterstecken, direkte Schädigungen der Blutgefäße durch das Virus selbst oder eine Unterversorgung der Hirnzellen mit Sauerstoff.

Doch unabhängig davon, wie die Kopfschmerzen nach einer COVID-19-Erkrankung entstehen: Es ist erst einmal entscheidend, dass der Arzt ihren Schmerzcharakter ermittelt. Er muss wissen, um welche Schmerzart es sich handelt, damit er ihn individuell und angemessen behandeln kann.

Meistens seien die Symptome der Kopfschmerzen durch Covid-19 ähnlich denen der Spannungskopfschmerzen oder Migräne, berichten brasilianische Forscher der Bundesuniversität von Pernambuco in einer im vergangenen Jahr publizierten Studie. Die Kopfschmerzen von Peter M. haben Migräne-Charakter.

Gefahr: „Verwilderte“ Kopfschmerzen bei „Long Covid“

Betroffene, die schon vor der Corona-Infektion primäres Kopfweh hatten, haben ein höheres Risiko für anhaltende „Long-Covid-Kopfschmerzen“. Diese Patienten sagten der brasilianischen Studie zufolge aus, dass ihre durch Corona ausgelösten Beschwerden jedoch „anders“ seien. „Bei ihnen sind die Schmerzen entweder häufiger und stärker als vorher oder der Schmerzcharakter ist verwischt“, sagt Dr. Kopf.

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Erst nach einer zehntägigen Medikamentenpause kann sich der ursprüngliche Kopfschmerz herauskristallisieren.
 

Die Patienten leiden an „verwilderten“ Kopfschmerzen, wie die Ärzte dazu sagen. Das heißt, der Schmerz lässt sich nicht mehr eindeutig charakterisieren; häufig sind noch andere Symptome wie zum Beispiel Übelkeit oder Schwindel vorhanden.

„Dazu kommt, dass viele von ihnen außerdem infolge der Schmerzmittel chronische Kopfschmerzen durch Medikamente entwickeln“, fügt der Schmerzmediziner hinzu. „Sie geraten in einen Teufelskreis.“ Erst nach einer zehntägigen Medikamentenpause kann sich der ursprüngliche Kopfschmerz herauskristallisieren und entsprechend behandelt werden.

Therapie – oft reichen nichtmedikamentöse Verfahren aus

„Die Behandlung von Kopfschmerzen besteht nicht immer aus Schmerzmitteln. Oft reichen sogar nichtmedikamentöse Verfahren aus“, so Dr. Kopf. „Schmerzmittel sollten immer mit nichtmedikamentösen Verfahren kombiniert werden.“ Neben der richtigen Arznei und Dosierung sei es für die Patienten wichtig, ihr Körpergefühl zu trainieren und sich innerlich zu entspannen.

„Man muss die Beschwerden immer ganzheitlich betrachten“, erklärt der Schmerzmediziner. Leidet ein Patient an Kopfschmerzen, ist er oder sie vielleicht im Beruf nicht mehr so leistungsfähig, kann seiner Rolle in der Familie nicht mehr ausreichend nachkommen. „Das erzeugt Druck und verstärkt die Kopfschmerzen“, betont der Berliner Oberarzt.

Entspannungsmethoden und Ausdauertraining helfen

Bewährte Entspannungsmethoden, die helfen können, Stress abzubauen, sind zum Beispiel: Yoga, Qigong, Tai Chi, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Atemtherapie oder Achtsamkeitsübungen.

Mithilfe einer sogenannten Biofeedback-Therapie lernen Sie, Ihre innere Spannung wahrzunehmen. Elektroden messen die Muskelspannung an den betreffenden Schmerzstellen und melden sie als visuelles oder optisches Signal zurück. Ziel ist, dass Sie die innere Spannung besser wahrnehmen und sie durch Entspannung selbst verringern und damit den Kopfschmerz lindern.

Ausdauertraining wie Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen lösen ebenfalls inneren Stress und beugen einer Verstärkung von Kopfschmerzen vor.

„Medikamente allein verringern die Kopfschmerzen um 30 bis 50 Prozent.”
Schmerzmediziner Dr. Kopf

Kombination aus Medikamenten und Training

Wichtig ist, dass Betroffene die für sich richtige Methode herausfinden und sie täglich anwenden. „Medikamente allein verringern die Kopfschmerzen um 30 bis 50 Prozent“, sagt der Berliner Schmerzmediziner Dr. Kopf, „nimmt man Ausdauer- oder Entspannungstraining dazu, hilft die Behandlung sogar doppelt so gut.“

Peter M. hat in einem Achtsamkeitstraining gelernt, in sich hineinzuhorchen und die Spannung innerlich loszulassen. Für kleine Strecken in seinem Bezirk setzt er sich nicht mehr ins Auto, sondern auf das Fahrrad und zweimal die Woche geht er schwimmen. Er ist die Kopfschmerzen zwar noch nicht los, aber auf bestem Wege dahin.

Ute Wegner

Medizinjournalistin

Ute Wegner hat ihr Handwerk an einer der führenden Journalistenschulen Deutschlands gelernt und schreibt seit vielen Jahren als Medizinredakteurin über Medizin, Wissenschaft und Biologie. Sie legt Wert auf eine eingängige Sprache und hat als Fachlektorin die bekannten Kinderbücher vom kleinen Medicus von Prof. Dietrich Grönemeyer lektoriert.