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Bluttests für zuhause: Was sie können und was nicht

Man sieht sie in Apotheken und findet sie immer öfter auch im Internet: Bluttests für zuhause. Ein paar Tropfen Blut aus dem Finger, so das Versprechen der Anbieter, sollen ausreichen, um zuverlässig zu überprüfen, wie gut unser Körper beispielsweise mit Vitaminen oder Mineralstoffen versorgt ist. Oder ob wir genügend Antikörper gegen das Coronavirus besitzen, um sicher vor einer Infektion geschützt zu sein. Was an solchen Aussagen dran ist und was bei der Nutzung der Tests zu beachten ist, erläutert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Prof. Dr. Harald Renz.

Das menschliche Blut ist einzigartig. Allen medizinischen Fortschritten zum Trotz ist es Wissenschaftlern bislang nicht gelungen, künstliches Blut herzustellen, das die zahlreichen Funktionen des Originals auch nur ansatzweise übernehmen könnte. Daher sind viele Menschen – zum Beispiel nach einem Unfall, während einer Operation oder aufgrund einer schweren Erkrankung – darauf angewiesen, Blut von freiwilligen Spendern zu erhalten. Jeden Tag werden allein in Deutschland rund 15.000 Blutspenden benötigt.

Einzigartig ist das Blut aber auch deshalb, weil seine Bestandteile von Mensch zu Mensch variieren, mitunter sogar ziemlich stark. Die Zusammensetzung des Bluts ist von vielen Faktoren abhängig und ändert sich praktisch ständig, weshalb sie Ärzten oft eine ganze Menge über den Gesundheitsstatus ihrer Patienten verrät. Eine Untersuchung des Bluts gilt daher als ein wichtiges Werkzeug, um bei Beschwerden zu einer exakten Diagnose zu gelangen.

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Die Palette der verfügbaren Tests ist groß

Wer wissen möchte, was sein Blut über die eigene Gesundheit – etwa die Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen oder Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine – aussagt, muss heutzutage nicht mehr zwingend einen Arzt aufsuchen. Denn Apotheken und Online-Anbieter verkaufen eine immer größer werdende Palette an sogenannten Bluttests für zuhause. In einem solchen Set ist in der Regel alles enthalten, was für die gewünschte Untersuchung erforderlich ist.

Die Liste der Substanzen, nach denen im Blut gefahndet werden kann, ist lang. Neben den bereits genannten lassen sich beispielsweise giftige Schwermetalle oder die als besonders gesund geltenden Omega-3-Fettsäuren oder auch Antikörper gegen das Coronavirus aufspüren.

Viele Hersteller bieten darüber hinaus Tests zu einem bestimmten Thema an. Diese sollen dann zum Beispiel verraten, wie gut das eigene Immunsystem aufgestellt ist. Andere Tests haben zum Ziel, Allergien oder Unverträglichkeiten zu erkennen oder den Hormonstatus zu überprüfen. Manchmal wird dafür nicht nur das Blut untersucht, sondern es werden auch Speichel-, Urin- oder Stuhlproben erbeten.

Entscheidend ist zunächst die richtige Anwendung

Experten sehen die Selbsttests für jedermann aber nicht ganz unkritisch. „Natürlich steht es jedem Menschen frei, solche Tests zu machen“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL), Prof. Dr. Harald Renz. Wer damit allein seine Neugierde befriedige, schade sich in aller Regel auch nicht, allenfalls in finanzieller Hinsicht.

„Allerdings würde ich jedem Anwender empfehlen, die Ergebnisse – vor allem dann, wenn sie vom Anbieter als auffällig eingestuft werden – mit dem Arzt seines Vertrauens zu besprechen“, sagt Renz, der am Universitätsklinikum Gießen und Marburg das Institut für Laboratoriumsmedizin und Pathobiochemie, Molekulare Diagnostik leitet. Es sei nicht sinnvoll und womöglich sogar gefährlich, nur aufgrund der Testergebnisse und auf eigene Faust beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, warnt Renz.

Seine Vorsicht hat mehrere Gründe. „Zunächst einmal kann man bereits bei der Durchführung eines Bluttests eine Reihe von Fehlern begehen“, erklärt der Mediziner. Diese beginnen schon bei der Entnahme des Bluts aus der Fingerbeere.

Es ist zum Beispiel wichtig, die vom Hersteller dafür empfohlene Tageszeit einzuhalten. Zudem sollte nach dem Piks in den Finger dieser nicht zu stark gedrückt und gequetscht werden, um an das Blut zu gelangen. „Solche Maßnahmen können die Güte und die Zusammensetzung des Bluts entscheidend beeinflussen“, sagt Renz.

Kurze Transportzeiten sind ebenfalls wichtig

Die nächsten Fehler können beim Transport der Teststäbchen passieren, in denen das Blut aufgefangen und dann ins Labor geschickt wird. „Viele Messergebnisse sind transportabhängig und können beispielsweise durch zu viel Licht oder Wärme verfälscht werden“, sagt Renz. Die Transportzeiten sollten in jedem Fall so kurz wie möglich gehalten werden, weshalb es nicht empfehlenswert ist, das Blut an einem Freitag oder Samstag auf die Reise gehen zu lassen.

Für die eigentliche Untersuchung des Bluts sollte man dem DGKL-Präsidenten zufolge darauf achten, dass diese in einem qualifizierten labormedizinischen Zentrum erfolgt, wo die Analyse unter optimalen Bedingungen vorgenommen werden kann. Mit welchem Labor der Testhersteller zusammenarbeitet, kann gewöhnlich der Packungsbeilage entnommen werden.

„Natürlich ist es für den Laien trotzdem schwer, die Güte des Labors zu beurteilen“, sagt Renz. Eine entsprechende Recherche im Internet könne, müsse aber nicht zwingend dabei helfen.

Die Messwerte allein sagen meist nur wenig aus

Schließlich können entscheidende Fehler noch bei der Interpretation der Messergebnisse geschehen. „Die Bewertung der Testresultate ist eigentlich eine ärztliche Tätigkeit“, sagt Renz. Denn nur ein Arzt, der die Krankengeschichte seines Patienten vor Auge habe und dessen Beschwerden kenne, könne die ermittelten Werte in Bezug auf die jeweilige medizinische Fragestellung richtig einordnen.

Ein einzelner Blutwert sagt in der Regel nämlich nur sehr wenig aus. Selbst ein Ergebnis, das außerhalb des Normbereichs liegt, muss nicht bei jedem Menschen zwingend zu unliebsamen Symptomen führen.

„Bluttests für zuhause können somit immer nur einen orientierenden Charakter haben“, betont Renz. Wer dies nicht beachte und bestrebt sei, seine Gesundheit mithilfe solcher Analysen komplett in die eigene Hand zu nehmen, könne sich womöglich mehr schaden als nutzen.

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Eine Blutuntersuchung beim Arzt ist oft günstiger

Einen weiteren Negativaspekt sieht der Mediziner in den relativ hohen Kosten für die Tests. Zwar müsse man Blutuntersuchungen, die nur aus Neugier oder Wellness-Gründen in Auftrag gegeben werden, auch beim Arzt aus eigener Tasche bezahlen, sagt Renz.

Oft seien sie dort aber trotzdem günstiger. Zur Kassenleistung wird ein Bluttest immer erst dann, wenn ein Patient Beschwerden hat, deren Ursachen der Arzt mithilfe einer Blutanalyse auf die Spur kommen möchte.

„Wenn ein Patient beispielsweise darüber klagt, dass er sich trotz ausreichend Schlaf immer müde fühlt und morgens nur ganz schwer in die Gänge kommt, vermutet der Arzt vielleicht eine Blutarmut“, erläutert Renz. Diese könnte durch einen Vitamin-B12-Mangel verursacht sein. „Wenn der Arzt dann das Blut auf dessen Gehalt an dem Vitamin untersucht, wird er diese Analyse über die Krankenkasse abrechnen können.“

Auch eine Blutuntersuchung im Rahmen einer Blutspende ist für den Spender kostenlos. Allerdings wird bei ihr in der Regel nur die Blutgruppe bestimmt und nach bestimmten Krankheitserregern gefahndet, die den Empfängern des Bluts gefährlich werden könnten.

Nur manche Bluttests werden regelmäßig zuhause gemacht

Schließlich gibt es noch Bluttests, die regelmäßig und sogar auf ärztliche Anweisung zuhause durchgeführt werden. Zu ihnen gehören insbesondere der Test auf Blutzucker, den Diabetes-Patienten vornehmen, und ein Test für die Blutgerinnung. Letzterer ist für Patienten bestimmt, die – zum Beispiel nach einem Schlaganfall – Blutverdünner einnehmen müssen.

Der Test misst die Konzentration von Gerinnungsfaktoren im Blut. Sie sollte hoch genug sein, um vor einem Blutgerinnsel zu schützen, aber nicht so hoch, dass das Risiko für schwere Blutungen deutlich steigt.

„Bevor ein Patient diese Tests zuhause selbstständig durchführt, erhält er allerdings eine entsprechende Schulung“, sagt Renz. Dadurch ließen sich die meisten potenziellen Fehlerquellen, anders als bei den kommerziellen Tests, zuverlässig ausschalten.

Was ein kleines Blutbild verrät

Ein kleines Blutbild liefert dem Arzt einen Überblick über die im Blut vorhandenen Zellen. Es werden die Konzentrationen der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und der Blutplättchen (Thrombozyten) gemessen. Die roten Blutkörperchen transportieren den Sauerstoff, die weißen dienen der Immunabwehr und die Blutplättchen sind für die Gerinnung des Bluts erforderlich.

Zusätzlich werden für ein kleines Blutbild anhand der Menge des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) und des Volumenanteils der Blutzellen (Hämatokrit) weitere Werte wie MCV, MCHC und MCH ermittelt. Diese beschreiben vereinfacht gesagt, in welchem Verhältnis die Erythrozyten aus Hämoglobin und anderen Bestandteilen zusammengesetzt sind.

Das kleine Blutbild ist die am häufigsten vorgenommene Blutuntersuchung. Sie hilft dem Arzt, eine Vielzahl von Krankheiten zu erkennen, zu diagnostizieren und deren Verlauf zu kontrollieren – zum Beispiel eine Blutarmut, Infektionen, Entzündungen, Tumore und Störungen der Blutgerinnung. Auch vor Operationen ordnet der Arzt in aller Regel ein kleines Blutbild an, um Komplikationen, etwa schwere Blutungen, zu verhindern.

Was ein großes Blutbild verrät

Für ein großes Blutbild werden sämtliche Werte ermittelt, die auch im kleinen Blutbild enthalten sind. Darüber hinaus wird ein detaillierterer Blick auf die unterschiedlichen Leukozyten-Arten geworfen. Zu ihnen gehören drei Sorten von Granulozyten, die Monozyten und die Lymphozyten. Zum einen werden die prozentualen Anteile dieser Zellen gemessen, zum anderen untersucht ein Laborarzt ihre morphologische Beschaffenheit.

Ein großes Blutbild wird insbesondere bei einem Verdacht auf eine akute oder chronische Infektionskrankheit, auf entzündliche Erkrankungen, auf Blutkrebs (Leukämie) oder eine andere Krebsart angefertigt. Entgegen der verbreiteten Annahme enthält auch ein großes Blutbild keine Informationen über die im Blut vorhandenen Nährstoffe, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente.

Anke Brodmerkel

Autorin

Anke Brodmerkel hat Biologie und Chemie studiert und lange für die Berliner Zeitung als Medizinredakteurin gearbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Flensburg und schreibt über alle Aspekte zum Thema Gesundheit – für Zeitungen, Magazine und Online-Portale. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie während eines zweijährigen Segeltörns durch Europa.