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Die elektronische Patientenakte: Vorteile, Datenschutz und App

Schub für die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen: 2021 ging die elektronische Patientenakte (ePA) an den Start. Weit mehr als ein Verwaltungsvorgang. Die ePA bietet enormes Potenzial für die Vernetzung zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern und damit für eine wesentlich bessere Versorgung.

Mit Neujahr hat die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen einen erheblichen Schub bekommen. Denn seit 1. Januar gibt es auch hierzulande eine IT-Lösung, damit Patientinnen und Patienten ihre medizinischen Daten digital verwalten und Mediziner, Pflegende, Apotheker und andere Dienstleister im Gesundheitswesen besser informiert und effizienter arbeiten können: Die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten.

Seit dem Jahreswechsel können alle Mitglieder in den gesetzlichen Kassen eine solche Akte anfragen – und sich damit auf eine Zukunft mit weniger Papier und besserem Informationsaustausch vorbereiten.

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Digitalisierung im Gesundheitswesen: Deutschland holt auf

Die ePA verbessert den Überblick und macht den Austausch leichter, das ist das grundsätzliche Versprechen. Hier speichern die Behandelnden für die Patientinnen und Patienten Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte und Informationen über Impfungen. „Damit ist eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation möglich“, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

„Diese Neuerung ist ein wichtiger Schritt für die Digitalisierung und die Basis für individuelle Anwendungsfälle, und auch wissenschaftliche Erkenntnisse in den nächsten Phasen“, urteilt Prof. Magda Rosenmöller vom Zentrum für Innovationsmanagement im Gesundheitswesen an der IESE Business School in Barcelona und München. „Deutschland holt jetzt auf, was andere Länder bereits vorgemacht haben, mit einer zum System passenden Lösung unter Aufsicht der öffentlichen Hand.“

Elektronische Patientenakte (ePA): Freiwilliger Einstieg für Versicherte

Allerdings ist nicht mit einer Revolution zu rechnen, sondern eher mit einem schleichenden Prozess: „Für die meisten Versicherten wird sich zunächst einmal nichts ändern“, sagt Prof. Renato Dambe von der Fakultät für Informatik an der Hochschule Konstanz. „Spürbar wird die Umstellung für die Vorreiter, die sich aktiv um digitale Anwendungen kümmern.“

Der Einstieg in die ePA ist für die Versicherten freiwillig. Über ihre Versicherungen können sie sich für die Teilnahme entschließen. „Entscheidet sich der Versicherte dafür, eine ePA führen zu wollen, erhält er von seiner Krankenkasse die notwendigen Informationen und Voraussetzungen“, sagt Andreas Weschke, Produktverantwortlicher für die ePA bei der gematik, die für die bundesweite digitale Vernetzung aller an der Gesundheitsversorgung Beteiligten und der Versicherten verantwortlich ist.

Besserer Überblick für Behandelnde dank elektronischer Patientenakte

Warum braucht es eine ePA? Dies ist relativ leicht zu begründen, und für die meisten Beteiligten auch außer Diskussion: Damit Patientinnen und Patienten im Gesundheitswesen möglichst zielgenau und auf hohem Qualitätsniveau behandelt werden, ist es wichtig, dass Informationen vollständig ausgetauscht und für die Behandelnden im Blick bleiben.

Eine Ärztin, die sich mit einer elektronischen Akte am eigenen PC einen kompletten Überblick über den Behandlungsstatus, die Medikation und ehemalige Untersuchungen bei Kollegen machen kann, gewinnt ein vollständigeres Bild – was ihren Patienten nutzt.

Das Hin- und Hertragen von Datenträgern oder gar Röntgenbildern entfällt, Daten werden an einem Ort gespeichert, die Dokumentation zunehmend standardisiert. All das soll auch dabei helfen, Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren.

NFC-fähige Karte benötigt

Wie die App, mit der der Versicherte auf die Funktionen der ePA zugreifen wird, ganz konkret gestaltet ist, hängt von der jeweiligen Kasse ab. Die Hauptfunktionen der ePA sind jedoch durch die gematik vorgegeben und durch alle Kassen umzusetzen.

Grundsätzlich brauchen alle User für die ePA eine NFC-fähige Gesundheitskarte (eGK). Das ist eine neue Generation von Versichertenkarten, die über eine Funkschnittstelle des Standards „Near Field Communication“ verfügt. Diese ist eine mögliche Voraussetzung dafür, dass die Anwenderinnen und Anwender sich wiederum mit einem NFC-fähigen Smartphone in ihre elektronische Akte einloggen können.

Zusätzlich zur NFC-fähigen eGK erhalten die Versicherten von ihrer jeweiligen Kasse eine sogenannte „alternative Versichertenidentität“, welche sie anstelle der eGK noch bequemer bspw. am Smartphone verwenden können.

ePA und private Versicherungsleistungen

Mit Blick auf Patientinnen und Patienten, die private Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen, ist eine Einordnung geboten. Die ePA ist eine Anwendung, die von den gesetzlichen Kassen finanziert wird. Parallel dazu entwickeln aktuell auch private Krankenversicherungen eigene Lösungen zur ePA.

Um die geplante Akte der gesetzlichen Kassen zu nutzen, ist eine gesetzliche Versicherung nötig. Allerdings lässt sich das mit einer privaten Zusatzversicherung kombinieren. „Falls beispielsweise ein Zahnarztbesuch mit einer Routinekontrolle beginnt und mit einem privat getragenen, kostenpflichten Eingriff endet, dann könnte der Versicherte vom Zahnarzt die zum Besuch dazugehörigen Dokumente in die elektronische Patientenakte einstellen lassen“, erklärt die gematik-Pressestelle.

Inhaltlich können die Leistungserbringer also auch Daten zur Prophylaxe oder Zusatzbehandlung eintragen, die sie privat abgerechnet haben.

Versicherte verwalten Daten in der elektronischen Patientenakte über eine App

Sobald Versicherte erfolgreich freigeschaltet sind, können sie die ePA selbst verwalten. Sie haben in der App auf ihrem Smartphone Zugang auf die Daten und können die ePA selbst verwalten. Dort berechtigen sie dann die jeweiligen Ärzte, Therapeuten oder andere „Leistungserbringer“ zum Zugriff auf die Daten und legen mit diesen fest, welche Dokumente überhaupt in die ePA eingestellt werden sollen.

In der ersten Stufe der Patientenakte, die mit dem Jahresende 2021 endet, kann der Versicherte festlegen, ob ein Leistungserbringer nur die von Leistungserbringern eingestellten, nur die vom Versicherten selbst eingestellten Dokumente, keine Dokumente oder alle Dokumente sehen kann. Darüber hinaus lässt sich der Zugriff auf die ePA zeitlich beschränken: Von einem Tag bis anderthalb Jahre lässt sich regeln, wie lange der Berechtigte Einblick in die Daten hat und auch in der Akte Eintragungen hinterlegen kann.

„Wenn Sie beispielsweise unterwegs sind zu einem Termin beim Facharzt, können Sie diese Berechtigung schon auf dem Weg dorthin erteilen“, erklärt gematik-Experte Weschke. Die Berechtigung lasse sich auch jederzeit zurücknehmen. Außerdem können die Patienten auch Informationen aus der Akte löschen. Ob das jedoch sinnvoll ist, ist fraglich.

„Ärzte müssen sich ja idealerweise darauf verlassen können, dass alle Informationen da sind“, sagt Prof. Dambe. „Die Mediziner finden oft auch in alten Arztbriefen relevante Informationen, können medizinische Daten verknüpfen, deshalb ist eine vollständige ePA hier sehr hilfreich.“

ePA: Praxen schließen sich an

Für die Arztpraxen und das gesamte Gesundheitswesen ist der Einstieg in die ePA ein längst eingeleiteter Prozess. Sie müssen bis spätestens 30. Juni so weit sein, mit den Versicherten zusammen die Daten zu verwalten. Ansonsten droht ihnen sogar ein Honorarabzug. Daher werden die Mediziner dazu motiviert, ihre technische Infrastruktur anzupassen.

Kommt dann ein Versicherter in die Behandlung, lassen sich im jeweiligen Praxissystem die Daten der ePA betrachten, filtern und ergänzen. „Damit das sicher geschieht, vergibt der Anwender jeweils einen Schlüssel an den Leistungserbringer, im Normalfall mit dem Smartphone“, erklärt gematik-Produktmanager Weschke.

Die Akte funktioniert aber auch ohne Smartphone. Dann gibt der oder die Versicherte in der Praxis über das Terminal den Zugriff auf die ePA frei und bestätigt das mit der persönlichen Geheimnummer.

Sorge um den Datenschutz

Ein heikles Thema, das seit Monaten thematisiert wird, ist der Datenschutz. So kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, dass Patientinnen das Zugriffsrecht auf die Daten einem Mediziner allgemein geben – und nicht etwa sortieren können, welche Informationen welchem Behandelnden angezeigt wird.

Dieses sogenannte „feingranulare“ Sortieren der eigenen Daten und Berechtigungen sei erst für die Weiterentwicklung der ePA ab 2022 vorgesehen, erklärt gematik-Produktmanager Weschke. Auch für Hacker dürfte die neue Datenmenge zunehmend interessant sein. „Honeypot“ nennt Prof. Dambe aus Konstanz die Datenbanken der einzelnen Versicherungen, auf denen die Informationen der Versicherten dann liegen.

„Man muss sich nichts vormachen: Es wird Angriffe auf diese Infrastruktur geben.“ Er betont zugleich, die „Technikinfrastruktur ist darauf ausgelegt, das maximal zu verhindern.“ So wacht die gematik streng darüber, dass die Daten sicher übertragen, verschlüsselt und sicher gespeichert werden – hier nimmt sie die Kassen nicht nur in die Pflicht, sondern prüft auch die Einhaltung der Vorgaben.

Deutschland spät, aber nicht verspätet

Dass der eingeschlagene Weg richtig ist, betont Prof. Magda Rosenmöller. In anderen Ländern gebe es längst entsprechende Lösungen. Vorreiter ist Estland, wo die Daten sogar mittels Blockchain-Technologie manipulationssicher verarbeitet werden. In Ländern wie Schweden und Großbritannien gibt es ebenfalls seit Jahren eine ePA.

Doch das hat auch seinen Grund: „Dort handelt es sich um zentralisierte Gesundheitssysteme. Bei uns hingegen gibt es eine dezentrale Struktur mit sehr vielen Anbietern, die man erst alle zusammenführen muss – und das auf einem sicheren Standard“, erklärt Rosenmöller.

Auch für sie ist klar: Mit der Digitalisierung der Daten wachse nicht nur das Verständnis jedes einzelnen Falls, sondern auch die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse etwa über Studien zu gewinnen. „Die Patientenakte ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung“, sagt Rosenmöller.

Gematik

Die gematik wurde von den Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens gegründet. Sie standardisiert wesentliche digitale Anwendungen, welche den Versicherten als eine Art Grundversorgung angeboten werden sollen. Hierzu zählt unter anderem der gesetzliche Auftrag zur Einführung, Pflege und Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und ihrer Infrastruktur in Deutschland voranzutreiben, zu koordinieren und sicherzustellen, dass die angeschlossenen Teilnehmer und technischen Komponenten zusammenpassen.

EPA-Pionier Uniklinik Essen

Auch wenn die ePA flächendeckend neu ist, so gibt es in Deutschland schon Erfahrungen mit elektronischen Patientendaten. Die Essener Uniklinik gilt etwa als Vorreiter auf dem Weg zum Smart Hospital und speichert seit 2019 alle Daten digital. Unterlagen von der Anamnese bis zur Fieberkurve werden nicht mehr auf Papier, sondern elektronisch hinterlegt. Das erhöht sowohl die Sicherheit der Behandlung als auch die Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Gibt es Bedarf zur Abstimmung unter Ärzten, können sie sich mit Blick auf die Daten gleichzeitig ein Bild machen und abstimmen. Auch in Essen erhofft man sich, dass aus den gewonnenen Daten künftig Erkenntnisse abgeleitet werden, die anderen Patienten zugutekommen.

Tim Farin

Autor

Tim Farin ließ sich an der Deutschen Journalistenschule München ausbilden. Zu seinen Schwerpunkten zählen Sport, Fitness und Gesundheit. Als leidenschaftlicher Rennradfahrer und Marathonläufer kennt er sich mit dem Herz-Kreislauf-System bestens aus und hat mit Prof. Klaus Bös und Prof. Getrud Winkler das Buch „Fit in 12 Wochen“ veröffentlicht.