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Ohne Alkohol leben – wie der Körper auf Abstinenz reagiert

Die Deutschen sind seit jeher ein trinkfestes Volk. Doch der dauerhafte Alkoholkonsum kann gesundheitlich immense Schäden anrichten. Eine Abstinenz lohnt sich. Ohne Alkohol zu leben bewirkt im Körper wahre Wunder. Bereits nach wenigen Tagen der Abstinenz erholt sich der gesamte Organismus.

Alkohol ist gesellschaftlich akzeptiert

Für seine Auffassung von Glück fand Harald Juhnke einst eine schlichte Formel. „Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Alkohol war für den berühmten Entertainer über die Jahre zu einem ständigen Begleiter geworden. Sein Satz vom Glück wurde zu einer Art Lebenseinstellung, die von vielen Menschen bis heute geteilt wird. Das Angetrunkensein als ein erstrebenswerter Zustand. Wenn man gerade nichts zu tun hat, gehört ein Schlückchen Wein oder ein Bier eben einfach mit dazu. Da ist doch nichts dabei.

Nun, die Beziehung zwischen Juhnke und dem Alkohol war eine eher toxische. Er selbst wusste das am besten. Von ihm sind auch Sätze überliefert, die weit weniger verharmlosend wirken als seine Definition von Glück. „Ich trinke aus einer Stimmung heraus, aus Euphorie, wenn ich ganz oben bin und alle denken, mir geht es wundervoll“, sagte er. „Dann will ich diese Hochstimmung halten, diesen glücklichen Augenblick. Ich sage immer, der Alkohol ist für mich eine Art Fluchtpunkt.“

Juhnke starb 2005 im Alter von 75 Jahren in Folge des Korsakow-Syndroms, einer typischen Erkrankung von Alkoholsüchtigen. Dabei kommt es zu schweren Schädigungen des Zentralen Nervensystems, die unter anderem Motorik und Sensibilität beeinträchtigt.

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Spezialist Seitz: Alkoholkonsum wird zu wenig problematisiert

„Alkohol ist eine gefährliche Droge, das sollte man nie vergessen“, sagt Professor Helmut Seitz. Der Leberspezialist und Gastroenterologe von der Uni Heidelberg gehört zu den weltweit führenden Alkoholforschern, dekoriert mit zahlreichen Preisen. Seit 1977 ergründet er den Einfluss des beliebten Stoffs auf den menschlichen Organismus. Und er ist immer wieder erstaunt darüber, wie wenig der Alkoholkonsum gesellschaftlich problematisiert werde, obwohl die Zahlen besorgniserregend seien.

Rein statistisch, also vom Säugling bis zum Greis, nimmt jeder und jede Deutsche zehn Liter reinen Alkohol pro Jahr zu sich. „Das ist deutlich zu viel“, sagt Seitz, der am Heidelberger Ethianum das Zentrum für Leber- und Alkoholkrankheiten leitet. Demnach gibt es allein zwei Millionen Alkoholsüchtige in Deutschland, betroffen sind alle sozialen Schichten.

„Jährlich sterben hierzulande 74.000 Menschen an den Folgen von chronischem Alkoholmissbrauch.”

Jährlich sterben hierzulande 74.000 Menschen an den Folgen von chronischem Alkoholmissbrauch. 20.000 Menschen sterben an Krebsvarianten, die der Alkohol auslösen kann: Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Magen, Dickdarm, bei Frauen auch Brustkrebs. Allein eine halbe Million Menschen in Europa sterben jährlich an einer alkoholischen Leberzirrhose.

Insgesamt werden laut Seitz 200 Krankheiten durch Alkohol verursacht oder verschlechtert, darunter Fettleber, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck. Hinzu kommen Auswirkungen auf die Psyche: Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression und Vereinsamung.

Was Seitz besonders Sorgen macht: Trinken in der Schwangerschaft, was zu schweren Schädigungen des Fötus führen kann. „Das ist ein absolutes No Go. Im schlimmsten Fall versaut man damit das ganze Leben eines unbeteiligten Menschen.“

Kater durch Abbauprodukt

Was wohl die Wenigsten wissen: Es ist nicht der Alkohol selbst, der Schaden anrichtet, sondern das Abbauprodukt. Im Körper sammelt sich ein giftiger Stoff namens Acetaldehyd, der auch für das Katergefühl verantwortlich ist: Herzrasen, Schwitzen, Übelkeit. Mit Hilfe des Enzyms Aldehyddehydrogenase wird der Stoff in Essigsäure und schließlich zu Kohlendioxid und Wasser umgewandelt.

Phasenweise Alkohol Abstinenz: Der ganze Körper erholt sich

Das Beste also, sagt Seitz, sei es, mit dem Alkohol ganz Schluss zu machen. Wer das nicht will, dem empfiehlt der Experte unbedingt ab und an längere Pausen einzulegen. Der Körper dankt es schon nach kurzer Zeit. Bereits nach wenigen Tagen der Abstinenz erholt sich der gesamte Organismus. Das zentrale Nervensystem entspannt sich.

Die Ausschüttung der Glückshormone Dopamin und Serotonin normalisiert sich, die Blockade der Morphinrezeptoren wird gelöst. Auch das nächtliche Erwachen nach rauschhaften Abenden entfällt, Durchschlafen ist durch Abwesenheit des Acetaldehyds wieder möglich. Normaler Appetit setzt wieder ein, das wiederum wirkt positiv auf die Verdauung und die Stuhlgewohnheiten. Der Blutdruck senkt sich ganz von selbst auf ein gesundes Maß. Und natürlich freut sich auch die Psyche. Die Stimmung hellt sich auf, der Kopf wird freier.

Vorteil: Leber entfettet schon nach wenigen Tagen

Die Leber, die beim Trinken von Wein, Bier oder Hochprozentigem geradezu mit Fett beladen wird, profitiert ebenfalls von der alkoholfreien Zeit. Schon nach sieben Tagen, so haben Seitz‘ Studien ergeben, halbiert sich der sogenannte GPT-Wert von 150 auf 70 und erreicht damit fast wieder den Normalzustand. Nach vier Wochen ohne Alkohol ist die Leber vollständig entfettet.

Außerdem sei ein Alkoholfasten ein guter Selbsttest, sagt Seitz. Jeder könne für sich feststellen, wie schwer ihm der Verzicht fällt, und ob sich womöglich schone eine Suchtproblematik eingeschlichen haben könnte.

Durch Stress zum Gewohnheitstrinker

Doch auch dem Alkoholforscher ist klar, dass ein dauerhafter Verzicht für die meisten Menschen wenig realistisch scheint. Alkohol sei für viele nicht nur sozialer Schmierstoff, sagt er, sondern ein Rauschmittel, dessen gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland auch durch die traditionsreiche Bierbrau- und Winzerkunst über die Jahrhunderte gewachsen sei.

Allerdings bedeute das Trinken für viele schon lange nicht mehr Genuss allein. „Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Der Druck auf den Einzelnen ist viel größer geworden, jeder soll rund um die Uhr funktionieren und Leistung erbringen“, sagt Seitz. Um diesem Stressempfinden zu entkommen, würden viele Menschen mit dem Trinken anfangen, darunter überdurchschnittlich viele Akademiker.

Wenn schon trinken, dann gemäßigt

Grundsätzlich gilt: Beim Trinken Disziplin walten lassen. Gut beraten ist man demnach mit der Regel der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen: Männer sollten nicht mehr als ein Viertelliter Wein am Tag trinken, bei Frauen liegt die Grenze bei einem Achtel.

An mindestens zwei Tagen in der Woche, sagt Seitz, sollte man gar keinen Alkohol trinken. Wenn jemand bei einer Feier am Wochenende dann doch mal zu tief ins Glas schaut, sei das auch kein Drama. Drei Gläser Wein seien dann schon mal zu verkraften, mehr sollte es aber nicht sein. „Es gibt risikoarme, aber keine risikofreien Mengen“, sagt Seitz und warnt: Menschen mit Grunderkrankungen sollten Alkohol generell meiden.

„Ein Glas Rotwein hin und wieder, senke Blutdruck und Cholesterinspiegel und könne dadurch einem Herzinfarkt vorbeugen – „das ist Unsinn“.”

Rotwein schützt nicht vor Herzinfarkt

Mit einem Mythos möchte Seitz bei dieser Gelegenheit gerne endgültig aufräumen. Jahrelang habe sich hartnäckig die Behauptung gehalten, ein Glas Rotwein hin und wieder senke aufgrund des Antioxidans Resveratrol Blutdruck und Cholesterinspiegel und könne dadurch einem Herzinfarkt vorbeugen. „Das ist Unsinn“, sagt Seitz. Entsprechende Studien hätten das längst widerlegt.

Fazit: Ohne Alkohol leben ist möglich – und gesund

Letztlich sollten sich die Deutschen ein gutes Beispiel an den Italienern nehmen. Lange hätten sie in ihren Trinkgewohnheiten als unbelehrbar gegolten. Den obligatorischen Rotwein zum Mittag aber hätten sie von Mailand bis Palermo längst abgeschafft und den Verbrauch pro Person auf acht Liter reinen Alkohol im Jahr reduziert. Seitz sagt: „Das ist ein Ziel, das wir uns in Deutschland auch setzen sollten.“

Christian Parth

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