1. Magazin
  2. Gesundheit
  3. Mit 100 ist noch lange nicht Schluss – der Traum vom ewigen Leben

Mit 100 ist noch lange nicht Schluss – der Traum vom ewigen Leben

Die älteste Frau der Welt wurde 122 Jahre alt, die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich in den vergangenen 120 Jahren fast verdoppelt. Wissenschaftler versuchen, das Geheimnis um den Alterungsprozess der Zelle zu knacken. Rückt der Traum vom ewigen Leben näher? Professor Jürgen Bauer, Geriater an der Universität Heidelberg und Mitglied im Netzwerk Altersforschung, spricht über spektakuläre Forschungsergebnisse und darüber, dass Ernährung und Bewegung entscheidend bleiben, wenn man gesund alt werden möchte.

Viel Schlaf, wenig Sex, Portwein sowie Cognac regelmäßig und Knoblauch in großen Mengen. Wer die Französin Jeanne Calment nach den Geheimnissen ihres langen Lebens befragte, der bekam eine muntere Anleitung von ihr, die sich keinesfalls ausschließlich auf den Nenner eines asketischen Lebens zurückführen lässt. Auch das Rauchen hielt Calment für das Erreichen eines biblischen Alters als nicht unbedingt abträglich. Schließlich hing die Frau selbst mehr als 100 Jahre lang an der Zigarette. Erst mit 117 versuchte sie die Entwöhnung, wurde aber mit 118 rückfällig und starb erst vier Jahre später.

Wir feiern die Verdoppelung der Lebenserwartung

Jeanne Calment gilt als der bislang älteste Mensch weltweit. 122 Jahre schaffte sie. Und es gibt immer mehr Seniorinnen und Senioren, die ihr nacheifern. Da ist die Japanerin Tajima Nabi, die 117 Jahre zählt oder die Italienerin Emma Morano, die mit 117 Jahren verstorben ist. Die Rekordhalterinnen übertreffen die Lebenserwartung der meisten Menschen naturgemäß bei weitem. Mädchen, die heute zwischen ein und drei Jahre alt sind, erreichen im Durchschnitt laut Statistischem Bundesamt das 84. Lebensjahr, Jungen liegen mit knapp 79 Jahren im Schnitt etwa fünf Jahre darunter.

Dennoch gibt es auch für den Durchschnittsmenschen bezüglich der Entwicklung gute Nachrichten. Denn: Die Deutschen werden immer älter. Lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Kindes, das kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts geboren wurde, noch bei gut vierzig Jahren, können wir heute nahezu von einer Verdopplung der Jahre sprechen.

„Einer Forschungsgruppe […] ist es 2017 gelungen, den Alterungsprozess sogar umzukehren.”

Älter als 120 Jahre? Molekularbiologisch denkbar!

Die Entwicklung der Zahlen lässt einen sofort übermütig auf die Frage nach einem Menschheitstraum schielen. Lässt sich das Leben immer weiter verlängern? Können wir vielleicht irgendwann ewig leben? Der Wunsch ist nicht neu. Rund 250 Tote befinden sich eisgekühlt in Containern amerikanischer Non-Profit-Institute. Ihre Hoffnung zu Lebzeiten: Nach ihrem Ableben so lange tiefkühlkonserviert zu sein, bis die Wissenschaft das Geheimnis des Alterungsprozesses entschlüsselt hat und den Zellen zu viel längerem Leben verhelfen kann.

Es gibt israelische Forscher rund um Chaim Cohen von der Universität Bar Ilan, die eine Verlängerung des Lebens auf weit über 120 Jahre aus molekularbiologischer Sicht für denkbar halten. Einer Forschungsgruppe um Steve Horvath von der University of California ist es 2017 gelungen, den Alterungsprozess sogar umzukehren. Eine Kombination von bekannten Wirkstoffen habe bei neun freiwilligen Probanden das biologische Lebensalter um zweieinhalb Jahre zurückspringen lassen.

Finden Sie jetzt schnell und einfach ihre passende Krankenhauszusatzversicherung

  • Die Vorteile eines Privatpatienten sichern bei voller Kostenkontrolle
  • Selbst entscheiden, welcher Arzt Sie behandelt (z. B. Chefarzt, Oberarzt
  • In Ruhe genesen dank Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer

Mit Hochdrucksauerstoff „alte“ Zellen abbauen

Eine Gruppe israelischer Forscher veröffentlichte vor einem Jahr in der US-amerikanischen Wissenschaftspublikation „Aging“ ein weiteres Studienergebnis, das Hoffnung macht: Die Forscher fanden heraus, dass Behandlungen mit Hochdruck-Sauerstoff zwei Hauptprozesse umkehren können, die mit dem Altern und seinen Krankheiten zusammenhängen.

Einerseits verlängerten sich die Telomere, eine Art schützende Regionen, die sich an beiden Enden jedes Chromosoms befinden, und die mit dem Alter eigentlich kürzer werden. Andererseits bauten sich durch die Therapie alte und schlecht funktionierende Zellen im Körper ab, die sich im Alter eigentlich anhäufen.


 

„Es gibt nicht den einen Hebel, den wir da bedienen können”
Prof. Jürgen Bauer.

Alterungsprozesse auszusetzen ist keine einfache Sache

Professor Jürgen Bauer, Geriater an der Universität Heidelberg und Mitglied im Netzwerk Altersforschung, ist da noch ein wenig zurückhaltender. „Biologisch steht die 120 noch“, sagt er. Dennoch sei beim Durchschnittsalter noch viel Luft nach oben. So nehme die Zahl der Über-100-Jährigen dramatisch zu.

Die Lebenserwartung ist laut Bauer das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von verschiedenen Voraussetzungen. Da sind einmal die biologischen und genetischen Voraussetzungen jedes Menschen. Dort Alterungsprozesse zu verlangsamen oder gar auszusetzen, sei keine einfache Sache. „Es gibt nicht den einen Hebel, den wir da bedienen können.“ Die Alterung hänge von zahlreichen Faktoren ab, wie zum Beispiel den Mitochondrien, den schützenden Telomeren und vom komplexen Zusammenspiel bei der Nährstoffaufnahme in die Zelle.

Verlängerung des Lebens um jeden Preis kann nicht gewollt sein

Hier an den richtigen Stellschrauben zu drehen, sei Gegenstand der Forschung. Bislang konnten die Forscher einzelne Erfolge in Tiermodellen wie dem Fadenwurm feiern. Auch einzelne Medikamente machen große Hoffnung. Als Beispiel nennt der 59 Jahre alte Bauer Metformin, eigentlich eine Diabetes-Arznei. „Forscher haben herausgefunden, dass das Medikament den molekularen Alterungsprozess günstig beeinflusst“, sagt Bauer.

„Der mögliche Nutzen einer Anwendung bei dieser Indikation wird gerade in einer großen Studie in den USA untersucht – deren Ergebnis wird aber noch auf sich warten lassen.“, bremst Bauer allzu große Hoffnungen. Denn: Eine bloße Verlängerung des Lebens um jeden Preis könne gar nicht gewollt sein. „Seriöse Forschung ist interessiert an der Verlängerung des gesunden Lebens“, sagt Bauer. Ziel einer alternden Gesellschaft sei hohe Lebenserwartung in Kombination mit einer geringeren Pflegebedürftigkeit.

Wer sich gut ernährt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit alt

Und um diese Lebenserwartung zu steigern, bedarf es nicht zwingend einer medikamentösen Einflussnahme auf die Prozesse in den Zellen. Alterungsprozesse sind nämlich nicht nur der eigenen biologischen Ausstattung abhängig. In vielen Fällen geht es auch um die Umwelteinflüsse. Um die Qualität der Ernährung zum Beispiel, um Abwesenheit von Krieg, um körperliche Fitness, soziale Einbindung, Hygiene, gutes Schlafverhalten und psychische Widerstandsfähigkeit. Und hier kann sowohl die Gesellschaft als auch jeder Einzelne ansetzen, um dem Ziel des 100. Geburtstags näher zu kommen.

Ein wichtiger Baustein für ein gesundes langes Leben ist laut Bauer eine gesunde Ernährung bis ins hohe Alter. Vor dem 70. Lebensjahr heißt das in einer „verfetteten Gesellschaft“, wie Bauer sie schonungslos bezeichnet, vor allem: Gewichtskontrolle. Eine pflanzenreiche und eine fleischarme Ernährung seien ein guter Weg. „Ob sie sich eher mediterran oder japanisch ernähren, ist Geschmackssache, klar ist aber, dass eine solche Ernährung zu einer besseren geistigen und muskulären Leistungsfähigkeit führt und auch zu einem aktiveren Lebenswandel“, sagt Bauer.

Ab 70 Jahren darf es ein Steak pro Woche mehr sein

Und ein geistig fitter Mensch, der viel in Bewegung ist, altere besser. Das gelte jenseits des 70. Lebensjahres. Im hohen Alter solle man aber nicht mehr auf eine Kalorienreduktion achten. „Im Gegenteil, für Krankheiten, oder längere Krankenhausaufenthalte ist es ab 70 Jahren sogar von Vorteil, wenn man eher das ein oder andere Pfund Reserve hat.“ Und auch der Anteil an Proteinen auf dem Teller darf für Über-70-Jährige ruhig etwas höher sein.

„Möglichst Pute oder Fisch, rotes Fleisch ist laut Bauer nicht die erste Wahl.”

Statt der von der WHO empfohlenen Menge von 0,8 Gramm Protein pro Tag und Kilogramm Körpergewicht, sollten Senioren laut Bauer etwa 25 Prozent mehr, also gut ein Gramm pro Kilogramm zu sich nehmen. Berechnet für einen 80 Kilogramm schweren Mann bedeutet das: Pro Woche darf es ein zusätzliches 200-Gramm-Steak sein. Möglichst Pute oder Fisch, rotes Fleisch ist laut Bauer nicht die erste Wahl.

Alt werden, jung bleiben – Mit 7000 Schritten zum langen Leben

Wer lange leben will, der sollte am besten gleich mal vom Sofa aufstehen, das Auto abmelden und alle Überlegungen, in ein Haus mit Aufzug zu ziehen, schnell wieder einstellen. Denn die Wahrheit ist: Ein langes Leben ist vor allem eine Frage der Aktivität. „Ruhestand wörtlich genommen – das bedeutet den früheren Tod“, sagt Bauer. 7000 Schritte täglich empfiehlt Professor Bauer mindestens. Wichtig sei auch: „Nutzen Sie keinen Aufzug und keine Rolltreppe“, beschwört der Geriater seine Patientinnen und Patienten.

„Putzen Sie sich die Zähne auf einem Bein stehend. Abwechselnd rechts und links”
Bauer

Was Senioren nämlich hüten sollten wie einen Schatz, ist ihre Muskulatur, denn die kommt mit hohem Alter leicht einmal abhanden. Und wer weniger Kraft hat, der stürzt leichter und kommt schlechter wieder auf die Beine. Und auch für die Balance des Körpers und damit für die Fitness des Gehirns lässt sich mit einfachen Mitteln etwas tun: „Putzen Sie sich die Zähne auf einem Bein stehend. Abwechselnd auf dem rechten und dem linken“, sagt Bauer. Ein solcher Einbeinstand übe die Balance.

Digitalisierung hilft

Christian Parth

Autor