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Winterleiden trockene Lippen – was sie dagegen tun können

Kälte sorgt bei vielen für spröde Lippen, eingerissene Mundwinkel und entzündeten Nagelbetten an den Händen. Dr. Heiko Grimme, Facharzt für Dermatologie und ärztlicher Leiter eines Hautzentrums in Stuttgart, gibt Tipps, wie man die klassischen Winterleiden loswird. Er räumt mit der Legende auf, Labellos machten abhängig und rät ab vom sogenannten Lippenlecken.

Trockene kalte Winterluft draußen, trockene warme Heizungsluft drinnen: Das strapaziert die Haut und trocknet sie aus. Besonders leiden zumeist jene Partien des Körpers, die oft unbedeckt bleiben: Hände und Gesicht. Insbesondere die Lippen werden trocken und rissig. Am schlimmsten sind eingerissene Mundwinkel. Manchmal wollen sie einfach nicht abheilen.

Trockene, rissige Haut? Die wichtigsten Tipps …

…für eingerissene Mundwinkel und trockene Lippen:…für entzündete Nagelhaut und Nagelbetten:
  • Lippenlecken vermeiden
  • frühzeitig Lippenpflegestift benutzen
  • Mund möglichst vorsichtig und nicht zu weit öffnen
  • Mundwinkel trocken halten und nicht an ihnen reiben oder kratzen
  • Hände seltener und vorsichtiger waschen
  • Öfter Handschuhe tragen
  • Hände eincremen

Warum sind die Lippen besonders gefährdet?

Von Natur aus umgibt ein Mantel unsere Haut, ein Säureschutzmantel mit komplexer Zusammensetzung. Dieser natürliche Schutzwall besteht vor allem aus Talg und Schweiß. Allerdings schränken Talg- und Schweißdrüsen ihre Tätigkeit bei sinkenden Temperaturen ein. Außerdem kann die Haut Feuchtigkeit dann nicht mehr so gut speichern. Der Schutzwall bekommt Lücken.

Besonders anfällig ist die Haut dort, wo sie nicht so gut befettet wird: Eben an den Lippen. Ausgerechnet das Lippenrot, also die Übergangszone zwischen Außen- und Innenseite der Lippen, ist eine der wenigen Stellen des menschlichen Körpers, an denen keine Schweißdrüsen vorkommen. Talgdrüsen gibt es hier auch nicht, deswegen trocknen Lippen besonders schnell aus.

Mundwinkel, die Achillesferse der Körperhülle

Doch die Anfälligkeit lässt sich weiter steigern. Noch anfälliger für Beschwerden als die Lippenhaut allgemein ist die Haut rund um die Mundwinkel, sie ist quasi die Achillesferse der äußeren Körperhülle. „An den Mundwinkeln wird die Haut nochmal anders belastet, da ist viel mehr Spannung auf der Haut“, erläutert Dr. Heiko Grimme, Facharzt für Dermatologie und Venerologie.

Ist diese empfindliche Stelle einmal angegriffen oder sogar eingerissen, heilt sie oft so schnell nicht mehr ab. „Man öffnet den Mund zum Reden, zum Zähneputzen, man lächelt, man beißt zu – so reißt man die wunde Stelle immer wieder auf.“

Für eingerissene Mundwinkel gibt es zwei unterschiedliche Fachausdrücke: Rhagaden und Perlèche. „Die Ausdrücke werden im Alltag meist gleichbedeutend benutzt“, ist die Erfahrung von Dr. Grimme, ärztlicher Leiter des Hautzentrums am Kurpark in Stuttgart. Die Fachliteratur aber nimmt es genauer – und diese Unterscheidung ist mehr als eine akademische Wortklauberei. Altmeyers Enzyklopädie definiert die Perlèche als polyätiologische Entzündung der Mundwinkel. Polyätiologisch heißt, sie kann auf unterschiedlichste Ursachen zurückgehen.

Kleine Patientenkunde: der Unterscheid zwischen Rhagaden vs. Perlèche

RhagadenPerlèche
  • Hauteinrisse, die durch Biegung und Bruch spröder Hautstellen entstehen
  • Kommt deutlich häufiger vor und lässt sich einfacher behandeln
  • Ausgelöst z.B. durch Schuppenflechte oder Austrocknen der Haut in der kalten Jahreszeit.
  • Bei Beschwerden im Winter spricht vieles für Rhagaden
  • Entzündung der Mundwinkel, die auf unterschiedlichste Ursachen zurückgeht
  • B. Folge einer Infektion, einer Stoffwechselstörung oder im Zusammenhang mit einem Lippenekzem
  • bei Anzeichen für eine Perlèche, sollte man direkt zum Arzt.

Bei einer Perlèche zum Arzt, Rhagaden selbst behandeln

Die Perlèche kann etwa Folge einer Infektion oder einer Stoffwechselstörung sein, im Zusammenhang mit einem Lippenekzem auftreten oder in Folge mechanischer Faktoren, wenn etwa alters- oder krankheitsbedingt vermehrt Speichel fließt. Sollten Anzeichen bestehen, dass tatsächlich eine Perlèche vorliegt, sollte ein Arzt zu Rat gezogen werden.

Deutlich häufiger allerdings kommen Rhagaden vor. Altmeyer beschreibt sie als Hauteinrisse, die durch Biegung und Bruch spröder Hautstellen entstehen. Ausgelöst werden sie entweder durch Schuppenflechte oder durch Austrocknen der Haut in der kalten Jahreszeit.

Treten die Beschwerden also akut im Winter auf, spricht vieles dafür, dass es sich nicht um eine Perlèche handelt, die auf verschiedenste Grunderkrankungen hinweisen kann. Sondern um Rhagaden. Und die lassen sich deutlich einfacher behandeln und auch vorbeugen.

Lippenlecken hilft nicht – im Gegenteil

Trockene Lippen verleiten schnell zum Lippenlecken: Das einsetzende Spannungsgefühl führt dazu, dass man sich reflexartig öfter Lippen und auch Mundwinkel leckt. „Man denkt, man macht die Haut feuchter. Aber letztlich entzieht man ihr jedes Mal Schutzstoffe und trocknet sie noch mehr aus“, beschreibt Dermatologe Heiko Grimme das Phänomen.

Um diesem Kreislauf zu entkommen, müsse man sich das Lippenlecken bewusstmachen und dagegen ankämpfen. „Das kann schwierig sein, gerade wenn man es sich über Monate angewöhnt hat. Es ist aber möglich“, so seine Erfahrung.


 

Mehr Luftfeuchtigkeit gegen austrocknen der Lippen

Ein besseres Raumklima kann beim Kampf gegen trockene Haut allgemein helfen – und auch gegen trockene Lippen. Es gibt viele Möglichkeiten, um die Luft zu befeuchten:

  • Nasse Handtücher in der Wohnung aufhängen oder über die Heizung legen.
  • Eine Schale mit Wasser auf die Heizung stellen oder Wasserverdunster dranhängen.
  • Zimmerpflanzen geben Wasser an die Raumluft ab.
  • Räume nicht überheizen: Temperaturen von um die 20 Grad reichen.
  • Gelegentliches Stoßlüften ist deutlich besser fürs Raumklima als gekippte Fenster.

Eine allzu große Wirkung sollte man sich allerdings von einer feuchteren Raumluft nicht erwarten. Sie helfe zwar schon bei trockener Haut und trockenen Lippen, sagt Dr. Grimme. Einmal eingerissene Mundwinkel werde man allein damit aber nicht los. „Aber ein besseres Raumklima ist ein Baustein bei der Vermeidung und Behandlung der Beschwerden.“ Auch Schleimhäute und Atemwege werden so geschont.

Der Labello wirkt – und macht nicht „abhängig“

Was aber hilft nun bei spröden Lippen und eingerissenen Mundwinkeln? Zum Einstieg empfiehlt Facharzt Grimme durchaus den klassischen Lippenpflegestift: „Betroffene sollten mit dem Labello anfangen.“ Und er räumt auf mit dem immer wieder mal auftauchenden Gerücht, Lippenpflegestifte hätten eine Art Spiralwirkung, man brauche – einmal mit der Nutzung angefangen – immer mehr davon: „Es ist nicht so, dass Sie vom Labello abhängig werden.“

Dahinter stecke vielmehr ein psychologisches Phänomen: Wer den Stift aufträgt, macht seine Lippen geschmeidiger – und vergisst mit der Zeit das Trockenheitsgefühl von früher. Hört er mit dem Eincremen auf, werden die Lippen wieder ein wenig spröder. „Und vielleicht hat man nachher das Gefühl, ohne den Labello sei es nun viel schlimmer als vorher. Aber das ist eine echte Legende.“

Und wenn der Lippenpflegestift nicht reicht?

Sollte der Lippenpflegestift doch nicht die erwünschte Linderung bringen, muss man zu etwas Stärkerem greifen: Einer rückfettenden Creme, die die Feuchtigkeit in den Lippen einschließt, sie langfristig geschmeidig hält. Grimme empfiehlt Vaseline, also eine Öl-in-Wasser-Emulsion speziell für die Lippen. Oder Sheabutter: ein natürliches – und sehr vielseitiges – Fett, das aus den Früchten des Sheanussbaumes gewonnen wird.

Dies seien allerdings keineswegs die einzigen Behandlungsmöglichkeiten: „Es gibt viele Cremes, die helfen. Fast jede Hautarztpraxis hat ein Hausrezept für ein spezielles Lippenbalsam, das man ausprobieren kann.“ Bei eingerissenen Mundwinkeln sei es entscheidend, „die Elastizität des Gewebes wiederherzustellen, damit sich die Wundränder wieder aneinander adaptieren können“, heißt es auch in Altmeyers Enzyklopädie.

Auch geänderte Verhaltensweisen können zur Heilung eingerissener Mundwinkel beitragen:

  • Mund möglichst vorsichtig und nicht zu weit öffnen
  • Lippenlecken reduzieren
  • Mundwinkel trocken halten und nicht an ihnen reiben oder kratzen

Was tun gegen entzündete Nagelhaut?

Ein weiteres, sehr verbreitetes Winterleiden betrifft die Hände. Rund um die Fingernägel steht die Haut in kleinen Fetzen ab, der Rest des Gewebes leuchtet knallrot und schmerzt: Hinter entzündeter Nagelhaut können ebenfalls viele Ursachen stecken. Auch hier gilt: Treten die Beschwerden bei sinkenden Temperaturen auf, stehen die Chancen gut, dass man sie durch das Befolgen einiger Ratschläge bald wieder loswird – oder sie sogar vorbeugen kann.

Von zentraler Bedeutung ist es dabei, so Dr. Heiko Grimme, die Hände zu schützen. Seine Tipps: 

Hände seltener und vorsichtiger waschen:

  • dabei möglichst nur Wasser verwenden (lauwarm, nicht heiß)
  • dabei höchstens milde Waschmittel/-lotionen nutzen
  • Hände möglichst selten desinfizieren (auch wenn das zu Coronazeiten nicht einfach ist)

Öfter Handschuhe tragen:

  • draußen, denn Kälte verschlimmert die Beschwerden
  • drinnen auch: Haushaltshandschuhe schützen vor Spül- und Putzmittelwasser, wasserdichte Einweghandschuhe aus Vinyl oder Nitril schützen beim Haare waschen vor Shampoo.

Hände eincremen:

  • dazu Handcremes verwenden für besonders trockene Haut: entweder mit Milchsäure, mit Glycerin oder mit Urea (drei bis zehn Prozent)
  • Meiden sollte man sogenannte Feuchtigkeitscremes, von denen es heißt, sie zögen schnell ein. (Dazu Grimme: „Denn das schnelle Einziehen bedeutet vor allem, dass die Feuchtigkeit schnell verdunstet – diese Cremes haben also keinen großen Effekt.“)

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen mit einer chronischen Krankheit oder einem geschwächten Immunsystem sollten bei einer Nagelhautentzündung nicht zu lange mit dem Arztbesuch warten. Für alle anderen ist er erst dann zu empfehlen, wenn die Entzündung sich hartnäckig hält oder die Beschwerden noch zunehmen. Sie sollten sich an ihren Hausarzt wenden, bei Bedarf überweist der dann an den Dermatologen. „In meine Praxis kommen damit allerdings nicht allzu viele Leute“, so die Erfahrung von Heiko Grimme, der in Stuttgart ein Hautzentrum leitet. „Im Winter passiert das vielleicht einmal im Monat.“

Quellen:

Markus Düppengießer

Autor

Markus Düppengießer, Journalist und Lektor, lebt in Köln. Früher schrieb er vor allem für Tageszeitungen, heute für verschiedene Fachmedien (on- und offline) aus den Bereichen Gesundheit und Personalwesen, für ein Straßenmagazin und eine Kinderzeitung. Zudem ist er Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.