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Gesundheitsassistent Auto: Auto der Zukunft – das „Gesundheitszentrum“

Laut Untersuchungen des ADAC sitzen deutsche Autofahrer durchschnittlich jeden Tag bis zu 60 Minuten im Auto. Pendler, Handlungsreisende oder Berufskraftfahrer greifen mehr als acht Stunden ins Lenkrad. Eine Qual für den Körper? Nicht immer: Neue Assistenzsysteme und Komfortfunktionen unterstützen die Gesundheit. Und in der Zukunft? Dann werden Autos wissen, wie es dem Fahrer geht – und darauf reagieren.

Ein Tastendruck genügt und die Entspannung beginnt. Drücken, kneten, dazu viel Wärme. Warme Walzen rollen quer über den Rücken. Schon nach wenigen Minuten lockern sich die Muskeln – und der Genuss beginnt. Moderne Autositze bieten Hot-Stone-Massage, vollelektrische Steuerung und Klimatisierung.

Pneumatische Lordosenstützen stärken den Rücken. Dazu ertönen sphärische Klänge im Innenraum und ein Duft nach Moos und Wald strömt aus der Lüftung. Das Auto wird zur Wohlfühloase.

Nicht mehr Motorleistung und Beschleunigung machen heute neue Autos aus, sondern Entertainment-Systeme und Healthcare mit Wellness-Funktionen. Ein Trend, den immer mehr Autohersteller wie unter anderem Audi, BMW, Jaguar Land Rover, Mercedes, Kia, Nissan, Toyota und Volkswagen erkannt haben.

Wer sich unwohl fühlt, lässt sich schneller vom Verkehr ablenken. Dagegen steigert Wohlbefinden die Konzentration, lässt das Gehirn schneller reagieren und erhöht damit die Sicherheit beim Autofahren.

Zeit für Entspannung

Einige Hersteller entwickeln Innovationen für den Innenraum. Mit leichten und millimeterkleinen Bewegungen des Sitzes oder der Rückenlehnen wird der Stoffwechsel angeregt und Autofahrer entspannen auf längeren Touren. Hersteller wie Audi, BMW und Mercedes bieten für einige Modelle Wohlfühlpakete an, in denen Massage, Ambiente-Licht sowie Musik oder Klänge mit einem bestimmten Duft aufeinander abgestimmt sind.

Je nach Stimmung oder Bedürfnis der Passagiere ermöglicht das ein spezielles Wellness-Set-up. „Autofahrer können die Zeit im Auto nutzen, um etwas für sich und ihre Gesundheit zu tun. Das sorgt für körperlichen Ausgleich“, erklärt Dr. Gudrun Schönherr, Expertin für Gesundheit und Wohlfühlen im Fahrzeug bei Mercedes-Benz. Die Physiotherapeutin und Psychologin mit Schwerpunkt Psychosomatik forscht seit 2008, entwickelte Hot-Stone-Massage, Energizing Comfort-Programme, Klangmassage und den Energizing Coach.

Der schlägt bei einigen Fahrzeugen mit dem Stern dem Fahrer aktivierende oder regenerierende, zehnminütige Programme vor. Das Auto kennt den Zeitpunkt des Fahrt-Starts und die Fahrdauer, dazu die Tageszeit und das Wetter. Falls der Fahrer ein Wearable von Garmin mit dem Telefon gekoppelt hat, sind Pulswert und Pulsverlauf über die Fahrt sichtbar.

Je nach Modell stehen acht Massage Programme zur Wahl, dazu zwei Workout-Massageprogramme. Auf diese Weise werden Bauch- oder tiefe Rückenmuskeln aktiviert. Im Energizing Comfort Programm-Training stehen drei Programme zur Verfügung für Muskelaktivierung, Entspannung oder Balancewährend.

Bisher kommen nur Empfehlungen, der Pilot kann selbst entscheiden, ob er das Programm annehmen möchte oder nicht. „Autofahrer kommen mit dem passenden Programm zum richtigen Zeitpunkt entspannter und ausgeglichener ans Ziel und können so die Zeit im Fahrzeug optimal für Ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden nutzen“, sagt Gudrun Schönherr. Für die C-Klasse zahlen Kunden dafür rund 240 Euro.

Fünf Tipps für gesundes Autofahren

  • Nur ausgeruht und entspannt ans Steuer setzen
  • Antizyklisch Fahren
  • Sitze richtig einstellen
  • Klimaanlage richtig einstellen: Wohlfühltemperatur liegt zwischen 22 bis 24 Grad
  • Regelmäßige Pausen einlegen: alle anderthalb bis zwei Stunden

Duft und Licht erhöhen das Wohlfühlempfinden

Fürs Wohlbefinden ist maßgeblich die Atemluft verantwortlich. Auf Knopfdruck kann es dann im Innenraum wie in den schottischen Highlands oder nach salzigem Meer riechen. Hersteller wie Audi, BMW und Mercedes entwickeln eigene Duftnoten, um für eine besondere entspannte Atmosphäre im Auto zu sorgen.

„Passagiere fühlen sich mit Düften wohler, auch wenn jeder Mensch anders riecht“, sagt Annabelle Coffinet, ausgebildete Parfümeurin und Creative Fragrance Director bei BMW. Düfte müssen im Auto aber dezent, fast neutral wirken und leicht verfliegen. Dazu sollte eine Note im Auto unbefangen sein und keine Assoziationen auslösen.

Im BMW X3 kostet das Ambiente Air Paket 341 Euro, die Patronen je 31 Euro. Für die Mercedes C-Klasse zahlen Kunden rund 400 Euro für das Air Balance Paket, für die Flakons etwa 40 Euro.

Smarte Funktionen können Leben retten

In der Zukunft sollen externe Geräte wie Smart-Watches, aber auch Sensoren an Sitz, Gurt oder Lenkrad Vitalfunktionen des Fahrers aufzeichnen und auswerten. Das Auto merkt dann automatisch, wie sich der Fahrer fühlt und stellt die Komfortfunktion darauf ein. Ideal, um situationsgerecht Langeweile oder Stress zu reduzieren, aber auch bei einem plötzlichen Notfall wie Herzstillstand einen Notruf einzuleiten.

Damit wird das Auto zum Gesundheitszentrum, das die Daten entweder direkt im Auto verarbeitet oder über eine Internetverbindung an eine Cloud weitergibt. Außerdem ließen sich dadurch Tipps für mehr Wohlbefinden oder eine gesunde Autofahrt ableiten.

So ließe sich eine kognitive Belastung mit Messung der Pupillenveränderung feststellen. Sensoren im Lenkrad und eine integrierte Kamera können heute schon den biometrischen Zustand des Fahrers überwachen. Ein in den Autositz integriertes Elektrokardiogramm-Messsystem kann die Herzaktivität des Fahrers aufnehmen, Vitalwerte der Insassen können die Klimatisierung steuern.

Warum sollen nicht auch künftig kleine Blutbilder direkt bei der Fahrt durchgeführt werden können? Oder der Arzt schaltet sich zu, um zu diagnostizieren und zu behandeln.

Sitzzulieferer Recaro entwickelt Sensoren, die messen, wie es dem Insassen geht und lässt den Sitz selbstständig reagieren. Je nach Datenlage aktiviert sich dann die Massage, Lüftung oder Pneumatik des Polsters. Damit könnte das System in Zukunft Fahrer bei Sekundenschlaf durch Rüttelfunktion wecken oder einfach nur fit halten.

Ford erkennt bei einem Versuchsmodell mit Hilfe von sechs Sensoren in der Sitzlehne die elektrischen Impulse der Herzaktivität. Wie ein Langzeit-EGK werden diese aufgezeichnet und verglichen. Bei einer bedrohlichen Anomalie kann das Auto den Fahrer warnen oder ärztliche Hilfe anfordern. Zugleich aktiviert das Auto alle Sicherheitssysteme, um einen Unfall zu vermeiden oder zumindest die Folgen zu mindern.

Medikamente und Sehhilfen

Autofahrer, die regelmäßig Medikamente einnehmen, müssen sich fragen, wie sich die Arznei mit dem Autofahren verträgt. Das gilt besonders für Nachtfahrten in den Urlaub. Viele Arzneimittel, die Patienten abends einnehmen, steigern die Müdigkeit.

Aktuelle Assistenzsysteme entlasten Autofahrer und fördern die Gesundheit

Nicht nur Systeme im Innenraum entlasten Piloten, sondern auch technische: Doppelkupplungs- oder Automatikgetriebe; moderne LED-Matrix-Scheinwerfer erhöhen heute schon die Lichtausbeute bei Dunkelheit. Bei entgegenkommendem Verkehr blendet das Fernlicht automatisch Teilbereiche aus, um immer den optimalen Lichtkegel auf die Straße zu projizieren. Das schont die Augen und erhöht die Konzentration.

ABS und ESP zählen zu den wichtigsten Assistenzsystemen, ebenso wie der Notbremsassistent mit Personenerkennung und autonomer Notbremsung. Mit Reifendruckkontrollsystem (RDKS), Spurwechsel- und Totwinkelassistent, Einparkassistent und adaptiver Geschwindigkeitsanlage wird die Sicherheit weiter erhöht und die Gesundheit beschützt.

Rückzugsort Auto

In ein paar Jahren wird sich das Auto weiter zum Lebensraum entwickeln, neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz. Nur anders: Statt stressiger Fahrt zur Arbeit lenkt und bremst das Auto selbständig. Wenn die ersten Fahrzeuge autonom unterwegs sind, können die Insassen die Zeit als Ruhe- oder Arbeitsphase nutzen. Das wird auch die Sitze und Sitzposition verändern.

Experten gehen davon aus, dass autonomes Fahren mit Roboterfahrzeugen ohne Lenkrad aber erst um 2030 möglich sein wird. Ein paar Jahre vorher wollen Hersteller automatisiertes Fahren ermöglichen. Dabei übernimmt das Fahrzeug auf bestimmten Strecken wie auf der Autobahn die Fahrt, der Pilot muss nur noch in bestimmten Situationen eingreifen und kann sich in der übrigen Zeit anderen Dingen widmen.

Assistenzsysteme gegen Reisekrankheit

In Zukunft werden dann Passagiere mit einem anderen Problem zu kämpfen haben: Reisekrankheit. Die tritt immer dann auf, wenn die Informationen, die vom Gleichgewichtsorgan kommen, nicht mit den visuellen Informationen des Auges übereinstimmen. Der Körper kann das nicht einordnen und reagiert mit Übelkeit, Brechreiz, kaltem Schweiß und schnellem Puls.

Neue Assistenzsysteme wie vom Zulieferer ZF sollen das verhindern, indem Lenkung, Bremse, Motor, Federn und Dämpfer während der Fahrt entsprechend dem Wohlbefinden des Passagiers aufeinander abgestimmt werden. Künstliche Intelligenz soll Fahrmanöver analysieren, um die darauffolgenden Fahrmanöver anzupassen oder eine andere Route wählen, bei der die Reisekrankheit gar nicht erst auftritt – statt über eine kurvige Bergstraße schlägt das System eine Route über eine Autobahn ein.

Doch auch ohne autonome Fahrzeuge, selbsteinstellende Sitze und permanente Kontrolle der Vitalfunktion haben Autofahrer heute schon die Möglichkeit, ihre Tour gesund und fit zu überstehen – am gesündesten fährt derjenige, der sich Zeit lässt und nicht selbst unter Stress setzt.

Fabian Hoberg

Autor

Fabian Hoberg schreibt meist über Autos und Mobilität. Der gelernte Kfz-Mechaniker und studierte Diplom-Journalist begeistert sich seit seiner Jugend für Autos und Technik. Als passionierter Langstreckenläufer kommen die Themen Sport, Gesundheit und Ernährung hinzu. Eine gute Kombination, um für das Gesundheitsmagazin zu schreiben.