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Glücksjäger Mensch: Was uns glücklich macht

Eines haben alle Menschen gemeinsam: Sie wollen glücklich sein. Doch wie genau wird man das? Und gibt es einen Zusammenhang zwischen Glück und Gesundheit? Zwei Glücksforscher geben Antworten.

Das Verwirrende mit dem Glück ist, dass es für jeden etwas anderes bedeutet. Für den Philosophen Aristoteles war es die Selbstgenügsamkeit, für Schriftsteller Hermann Hesse die Liebe und für 71 Prozent der Deutschen ist es die Gesundheit. Das ergab eine repräsentative Umfrage der GfK Marktforschung bei knapp 2000 Befragten ab 14 Jahren.

In Deutschland hat das Streben nach Glück Konjunktur. Immer mehr Experten tummeln sich im Fachgebiet „Positive Psychologie“, bieten Coachings an und beraten Unternehmen, wie man die Mitarbeiter am Arbeitsplatz glücklicher machen kann. Sogar ein „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ gibt es inzwischen, das mit dem Bundesadler im Logo eine verblüffende Ähnlichkeit zu den echten Behörden aufweist.

Gründerin und „Glücksministerin“ Gina Schöler, eine Kommunikationsdesignerin, die nach eigenen Angaben durch ganz Europa reist, will die Menschen ermutigen, „das Glück selbst in die Hand zu nehmen und gemeinsam das gute Leben zu erarbeiten und greifbar zu machen“. Zu ihren Kunden gehören laut Internetseite auch renommierte Dax-Konzerne.

Was ist Glück überhaupt?

Doch was ist denn nun Glück überhaupt? Im „World Book of Happiness“ zählen Forscher Faktoren für Glück auf: Eine stabile Liebesbeziehung, Gesundheit, ein den eigenen Fähigkeiten entsprechender Beruf, Freunde, Kinder und Geld für Grundbedürfnisse. Die Vereinten Nationen erklärten den 20. März zum Tag des Glücks, um die Bedeutung von Glück als Ziel aller Menschen zu untermalen. Der UN-Katalog für ein glückliches Leben nimmt sich im Vergleich zu den Ansprüchen der westlichen Welt bescheiden aus: Mindestens 2.500 Kalorien und 100 Liter Wasser täglich, einen Platz zum Kochen, mindestens sechs Quadratmeter Wohnraum und sechs Jahre Schule.

Das Glück messbar machen

„Dieser Maßstab ist für die westliche Welt kaum anwendbar“, sagt Kai Ludwigs. Der 29-Jährige hat Psychologie und Betriebswirtschaft studiert. Auch er stellte sich viele Jahre die Frage: Was genau macht den Menschen glücklich? Im Juni 2014 gründete er in Düsseldorf die „Happiness Research Organisation“, Ludwigs machte Glück zum empirischen Forschungsobjekt. Zusammen mit einem Informatiker entwickelte er die App „Happiness Analyzer“, in der er Bürger, Arbeitnehmer und Mitarbeiter von Ämtern weltweit nach den Kriterien für Glück befragt. Ludwigs wollte sich nicht mit den handelsüblichen Glücksrezepten begnügen, mit den Ratgeber-Magazine um Leser werben. „Das war immer zu abstrakt. Ich wollte das Glück messbar machen.“

Glücklich ist, wer über das Glück nachdenkt

In den vergangenen fünf Jahren hat Glücksforscher Ludwigs mehr als 100.000 Menschen befragt und dabei etwa eine Million Daten erhoben. Die Erkenntnis: Glück ist etwas sehr Persönliches, es lässt sich kaum verallgemeinern und schon gar nicht kann man Glück über eine Rezeptur zusammenbrauen. „Es hört sich vielleicht banal an, aber schon das Befassen mit der Frage nach dem eigenen Glück macht die Menschen glücklicher“, sagt Ludwigs. „Ganz einfach deshalb, weil sie so herausfinden, was Glück für sie eigentlich bedeutet.“

Schenken macht glücklicher als beschenkt werden

Die christliche Erkenntnis, wonach das Geben seliger sei als das Nehmen, entfaltet auch in der Glückslehre seine Kraft. „Schenken macht glücklicher als beschenkt werden“, sagt Glücksforscher Kai Ludwigs. „Sozialpsychologische Studien zeigen, dass wir uns Menschen, für die wir etwas getan haben, näher fühlen als Menschen, die etwas für uns getan haben.“

Auch und gerade das Schenken scheint für das Zusammenleben eine unentbehrliche Geste zu sein. „Das Schenken ist ein Zeichen eines funktionierenden sozialen Miteinanders“, sagt Dr. Nils Zurawski, Soziologe an der Universität Hamburg. „Es spannt ein Band zwischen zwei Menschen. Es hat eine symbolische Bedeutung, die eine Beziehung erst möglich macht. Insgesamt ist es eine zivilisatorische Errungenschaft, der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.“

Sonntag ist Glückstag

Trotz der sehr persönlichen Glücksformeln gibt es bei den Antworten Überschneidungen. So sind die Menschen etwa montags am unglücklichsten. In der Woche steigert sich das Glücksempfinden und findet seinen Höhepunkt am Sonntag. Abends nach der Arbeit sind die Befragten glücklicher als morgens. Menschen mit guter Ausbildung weisen bessere Glückswerte auf, als die mit geringer Qualifikation. Frauen und Männer, die in einer stabilen Beziehung sind, fühlen sich besser als Singles.

Aktivitäten, die draußen stattfinden, werden positiver bewertet, als Zeit in der eigenen Wohnung zu verbringen. Zudem gaben die Teilnehmer der Befragungen an, dass sie in der Freizeit zu viel Zeit mit Bekannten verbringen, statt sich mit guten Freunden zu treffen. „Viele Menschen verabreden sich abends zum Essen mit Kollegen, weil sie sich davon einen Vorteil versprechen“, sagt Ludwigs. „Aber wirklich Lust darauf haben die Wenigsten. Viele betrachten es eigentlich als Zeitverschwendung.“

Mehr Geld macht nicht glücklicher

Generell beobachtet Ludwigs einen Trend, der sich davon entfernt, Glück im Streben nach Geld zu suchen. „Gerade bei der jüngeren Generation steht das Thema Lebensqualität im Vordergrund.“  Finanzielle Sicherheit spielt nur eine Rolle, solange sie nicht vorhanden ist. Danach sei Geld nur noch wichtig als Gradmesser für Erfolg und Selbstbestätigung. Kurzum: „Das Anhäufen von immer mehr Geld macht die Menschen nicht glücklicher“, sagt Ludwigs.

Hilfreich bei der Suche nach dem Glück sei die Definition der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD), die regelmäßig den „Better Life Index“ veröffentlicht. „Glück kann man daran messen, wie zufrieden jemand mit seinem Leben ist, wie häufig er positive und wie selten er negative Gefühle erlebt“, heißt es da. Man könne sein Leben schon allein dadurch verbessern, indem man sich bewusst auf das konzentriere, was einen zufrieden mache und nicht auf die Dinge, die Stress verursachten, so Ludwigs.

Glückliche Beziehungen machen glücklicher und gesünder

Laut einer Langzeitstudie der Harvard University mit 724 Männern, die seit 1938 läuft, sind es die Beziehungen zu Menschen, die uns glücklicher und auch gesünder machen. Die Datenanalyse zeigt, dass die Männer in dieser Studie, die in guten Beziehungen sind und waren, nicht nur glücklicher sind, sondern auch länger leben. Für Robert Waldinger, US-amerikanischer Psychiater und aktuell Leiter der Studie, führen viele Wege nach Rom. Beziehungen zu Menschen bedeutet für ihn nicht nur eine Paar-Beziehung, sondern jede denkbare Form von Beziehung wie zum Beispiel Freundschaften oder eine enge Nachbarschaft.

Glückliche Finnen

Auch die Vereinten Nationen befragen die Menschen auf dem Globus regelmäßig nach ihrem Wohlbefinden. Laut UN-Glücksreport 2019 leben die glücklichsten Menschen in Finnland und Dänemark, gefolgt von den Norwegern und Isländern. Deutschland rangiert in der Liste mit 156 Nationen auf Platz 17, die USA fielen in den ersten beiden Amtsjahren von Präsident Donald Trump von Platz 14 auf Platz 19 zurück.

Am unglücklichsten sind Menschen im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik und in Afghanistan. Allerdings sind für Regierungen und Bürger unterschiedliche Kriterien für Glück ausschlaggebend. Die Länder richteten sich traditionell nach dem Pro-Kopf-Einkommen, sagte John Helliwell, Co-Autor der Studie.

Den Menschen aber sind laut Report ganz andere Dinge wichtig: Sicherheit, Gesundheitsvorsorge und Freundschaft. „Wie Gemeinschaften in Schulen, am Arbeitsplatz, in Stadtteilen oder in sozialen Medien miteinander interagieren, hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Glück der Welt.“

Es zeigt sich also, dass unterschiedliche Studien zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Robert Waldinger bringt es in einem Satz so auf den Punkt: „Ein gutes Leben besteht aus guten Beziehungen.“

Glück – rein evolutionsbiologisch gesehen

Die Definitionen von Glück sind je nach Fachrichtung des Forschers, der den Begriff definiert, sehr unterschiedlich. Für den Nichtwissenschaftler – also den normalen Bürger – gilt dasselbe: Jeder hat zum Glück seine eigene Vorstellung vom Glück.  

Rein evolutionsbiologisch gesehen ist das Glück „nur“ ein flüchtiger Moment, aber gerade deshalb übernimmt das Glück eine wichtige Funktion für die Weiterentwicklung der Menschheit.

 „Evolutionspsychologisch ist das Glück ein flüchtiger Moment, eine hedonistische Tretmühle“, erklärt Ludwigs. Man strebe nach einem Ziel, von dem man sich Glück verspricht. Doch kaum ist es erreicht und das Gehirn hat den Körper mit den Botenstoffen Dopamin und Serotonin geflutet, müsse ein neue Herausforderung her.

Das alles habe einen Sinn. Es sei gerade die ewige Jagd nach dem Glück, die dem Menschen die Weiterentwicklung beschert habe. Zufriedenheit dagegen sei etwas Tiefergehendes, etwas Nachhaltiges, sagt der Glücksforscher. Eine Art ruhiger Begleiter des Glücks.

Christian Parth

Autor