
- Startseite
- Magazin
- Gesundheit
- Der Besuch beim Arzt ist nicht zu ersetzen – Vorsicht vor Hautkrebs-Apps
Der Besuch beim Arzt ist nicht zu ersetzen – Vorsicht vor Hautkrebs-Apps
Apps können so einiges. Sie sagen das Wetter voraus, versorgen uns mit Musik und wissen, wann der Bus fährt. Können sie uns auch den Weg zum Arzt abnehmen? Anbieter von Hautkrebs-Apps versprechen, gutartige von bösartigen Hautveränderungen unterscheiden zu können: zuverlässig und immer verfügbar. Tests der Stiftung Warentest führten allerdings zu zwiespältigen Ergebnissen. Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen warnt vor „fahrlässigen” Methoden.
Welche Versprechen geben Hautkrebs-Apps?
Die beworbenen Hautscreening-Apps versprechen schnelle Aufklärung, wenn unschöne Fragen aufkommen. Ist die merkwürdige Stelle, die uns plötzlich am eigenen Arm auffällt oder auf dem Hinterkopf des Vaters, wirklich harmlos oder vielleicht doch Vorbote einer gefährlichen Krankheit? Hautkrebs ist in Deutschland die fünfthäufigste Krebsart bei Männern, die vierthäufigste bei Frauen. Sollte er bösartig sein, erhöht ein frühzeitiges Erkennen die Behandlungschancen deutlich. Und es ist oft schwer, kurzfristig einen Termin beim Dermatologen zu bekommen.
„Hautkrebs ist in Deutschland die fünfthäufigste Krebsart bei Männern, die vierthäufigste bei Frauen. ”
Die Apps sind meist kostenpflichtig, aber rund um die Uhr verfügbar. Angeblich kommen weitere Vorteile hinzu. Eine hohe Zuverlässigkeit der Ergebnisse und eine kinderleichte Handhabung: Fotos hochladen, Fragen beantworten, in wenigen Stunden kommt der Befund und vielleicht noch das Privatrezept. Keine Anfahrt, keine Zeit im Wartezimmer. Und bei Verdachtsfällen im Intimbereich muss man sich vor niemandem entkleiden.
Heller und schwarzer Hautkrebs
Unter dem Oberbegriff Hautkrebs werden unterschiedliche Krankheitsbilder zusammengefasst. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen hellem Hautkrebs (auch weiß oder nicht-melanozytär genannt) und schwarzem Hautkrebs (auch malignes Melanom oder melanozytär genannt). Heller Hautkrebs kommt deutlich häufiger vor als schwarzer, das Verhältnis liegt bei 90 zu 10 Prozent. Er wächst langsamer und bildet nur selten Metastasen, also Tumorabsiedlungen. Sonne beziehungsweise UV-Strahlung ist der wichtigste Risikofaktor für hellen Hautkrebs. Er tritt vor allem an Stellen auf, die der Sonne (beziehungsweise dem Tageslicht) besonders ausgesetzt sind: etwa das Gesicht, die Ohren, der Nacken und die unbehaarte Kopfhaut, aber auch die Handrücken.
Schwarzer Hautkrebs beschreibt einen Hauttumor, der von den pigmentbildenden Zellen ausgeht, die der Haut ihre Farbe geben. Er streut häufiger, bildet also öfter Metastasen als heller Hautkrebs. Er kann an allen Bereichen der Haut auftreten, auch an der behaarten Kopfhaut, den Schleimhäuten oder an der Haut der Fußsohlen und an den Nägeln. Ein erhöhtes Risiko besteht etwa bei Personen mit einem hellen Hauttyp, einer großen Zahl an Muttermalen und bei schwarzem Hautkrebs in der engeren Familie.
Welche Versprechen halten Hautkrebs-Apps?
Für die Ausgabe 1/2023 hat Stiftung Warentest 17 Hautscreening-Apps ausprobiert: acht je in der Android- und iOS-Version sowie eine nur für Apple-Geräte verfügbare. Die Kosten für die Einschätzung einer Hautstelle lagen bei 0 bis 25 Euro, teils gab es günstige Preispauschalen. Um die Zuverlässigkeit der Anwendungen zu testen, lud man Fotos von zehn unterschiedlichen Hautflecken hoch, vom Altersfleck über Schuppenflechte bis zum bösartigen Hautkrebs.
Zwei Anbieter hatten sich darauf spezialisiert, Hautkrebs zu erkennen, indem ihre Apps die Fotos mit entsprechend trainierten Algorithmen analysierten, arbeiteten also mit künstlicher Intelligenz. Die anderen Anbieter beschränkten ihr Angebot nicht auf bestimmte Hautleiden. Von ihnen nutzt einer einen Algorithmus, bei den anderen sehen sich Dermatologen die Fotos an. Warentest konnte nur die App eines Anbieters empfehlen: „Das Ärzteteam schätzte die Testfälle am besten ein und lag fast immer richtig.”
„Die Apps können den Arztbesuch nicht ersetzen, aber sie können zumindest eine schnelle, erste Einschätzung geben.”
Fehlerfrei habe kein Anbieter alle Fotos zugeordnet. Mehrere Apps rieten zur Abklärung bei einem Arzt, obwohl die Hautveränderung eigentlich harmlos war. Als „erschreckend” bewertet die Stiftung Warentest, dass etwa jeder siebte Hautkrebs-Fall im Test nicht erkannt wurde. Das Gesamturteil lautet: „Die Apps können den Arztbesuch nicht ersetzen, aber sie können zumindest eine schnelle, erste Einschätzung geben.”
Tipps zur App-Nutzung
Bei der Nutzung von Hautkrebs-Apps ist die Aufnahmequalität der Bilder entscheidend. Man sollte die Hautveränderungen mit dem Handy aus verschiedenen Perspektiven fotografieren und dabei besser die Rück- als die Selfie-Kamera benutzen. Die Fotos müssen möglichst scharf und gut belichtet sein.
Was spricht gegen Hautkrebs-Apps?
Seit dem Test sind mehr als zwei Jahre vergangen – angesichts der rasanten Entwicklung von künstlicher Intelligenz eine Ewigkeit. Unabhängig davon, wie sich Handyfotografie und Anwendungen weiterentwickelt haben, bleibt der Berufsverband der Deutschen Dermatologen bei seiner kritischen Einschätzung zum Einsatz von Hautkrebs-Apps.
„Dieses Verfahren ist ungeeignet, es unterschreitet oftmals den Facharztstandard”, sagt Dr. Ralph von Kiedrowski, Präsident des BVDD und niedergelassener Dermatologe. Nach wie vor würden über die Apps nur vereinzelte Hautpartien begutachtet, während Fachärzte in ihrer Praxis den ganzen Patienten berücksichtigen könnten – und sich mit ihm unterhalten. Außerdem sei dort eine deutlich bessere technische Ausrüstung für die Untersuchung verdächtiger Flecken vorhanden.
Knackpunkt ist demnach das Dermatoskop. Durch dieses Instrument, das zur Grundausstattung jedes Dermatologen gehört, schaut man nicht nur von außen auf die zu untersuchende Stelle, „es erlaubt uns den Blick in die Haut hinein, in die oberen Hautschichten. Mit ihm sind Strukturen zu erkennen, die eine deutlich eindeutigere Diagnose zulassen als die reine Inanschaunahme durch das Auge”, so von Kiedrowski.
Für Gutachter, die Einschätzungen einzig anhand von Fotos vornehmen, bleibe ein klares „Restrisiko, etwas zu übersehen” – mit entsprechenden Konsequenzen für den Patienten. Solch oberflächliche Untersuchungen seien aus seiner Sicht „fahrlässig“.
Warnung via Hautkrebs-App – und dann?
Fehler in der Diagnostik sind auch beim Arztbesuch nicht ausgeschlossen. Greift man aber zur App und erhält von ihr eine Einschätzung der Hautveränderung, kann einen das vor vielerlei Probleme stellen. „Denn Apps lassen die Patienten mit der Diagnose alleine”, sagt Ralph von Kiedrowski.
Mehrere Optionen sind denkbar. Einerseits kann die Begutachtung durch die App ergeben, dass die hochgeladenen Fotos einen Verdacht auf Hautkrebs nahelegen. Egal, ob sich dieser Befund im Endeffekt als richtig erweist oder nicht: Er führt nicht dazu, dass der Patient einen Termin beim Dermatologen bekommt oder gar einen OP-Termin.
„Teilweise sind die Antworten der App-Anbieter sogar mit einer zeitlichen Komponente versehen: „Bitte gehen Sie innerhalb der nächsten drei Wochen zum Hautarzt!“ Aber die Warnung einer App führt nicht dazu, dass man kurzfristig einen Termin beim Facharzt erhält, das kann nur der Hausarzt erreichen.”
„Die Warnung einer App führt nicht dazu, dass man kurzfristig einen Termin beim Facharzt erhält.”
Hintergrund hierfür ist die aktuelle Gesetzeslage. Seit Anfang des Jahres 2023 gibt es den sogenannten Hausarztvermittlungsfall. Unter bestimmten Umständen können Hausärzte demnach gesetzlich Versicherten einen dringenden Termin beim Facharzt vermitteln. Das kann weder der Patient selbst anregen noch ein anderer Facharzt. Nur der Hausarzt kann diesen Vermittlungsfall auslösen: aus eigener medizinischer Verantwortung. Der Warnhinweis einer App helfe einem da nicht weiter, so der Dermatologe: „Auf eine solche Fremdbefundung hin, die nicht vom Hausarzt gestellt wurde, werden Facharztpraxen im Regelfall keinen Termin vereinbaren.”
Die andere Möglichkeit: Die App gibt Entwarnung, angeblich besteht also kein akuter Verdacht auf Hautkrebs. Im besten Fall stimmt das. Aber auch die andere Option ist nicht ausgeschlossen: Die App liegt daneben, es ist doch Hautkrebs. Nun muss man differenzieren: Ist es heller Hautkrebs, sind die Konsequenzen eines falschen Befunds nicht so tiefgreifend.
Bei schwarzem Hautkrebs hingegen, einem Melanom, kann der Befund den App-Nutzer in trügerischer Sicherheit wiegen und eine frühzeitige, vielleicht lebensrettende Behandlung verhindern. Oder wie von Kiedrowski es formuliert: „Die falsch-negative Beurteilung eines Melanoms ist vielleicht ein Todesurteil.“
Was also tun bei einem Hautkrebs-Verdacht?
Die Deutschen werden immer älter, somit wächst auch das Risiko von Hautkrebs – und die Bedeutung von Prävention. Neben dem Schutz vor erhöhter Sonneneinstrahlung sind regelmäßige Selbstuntersuchungen zu empfehlen und Hautkrebs-Screenings. Diese Screenings sind grobe Voruntersuchungen, zu denen auch viele Hausärzte berechtigt sind.
Sollten einem Hautveränderungen bei sich oder bei anderen auffallen, ist der Hausarzt aktuell der erste Ansprechpartner – ob beim Hautkrebs-Screening oder in der regulären Sprechstunde. Denn er kann die reguläre Überweisung zum Facharzt ausstellen oder in Fällen, in denen er die Dringlichkeit gegeben sieht, den Hausarztvermittlungsfall auslösen.
Hautkrebs-Prävention
Achten Sie auf den UV-Index, über den etwa der DWD (Wetter und Klima - Deutscher Wetterdienst - Leistungen – UV-Gefahrenindex) informiert. Liegt der UV-Index mindestens bei 3, werden Schutzmaßnahmen notwendig: Textiler Lichtschutz, Lichtschutzcremes (mindestens LSF 20, bei hellem Hauttyp eher 30 bis 50), Hautkrebs-Screening alle zwei Jahre (ab 35 Jahren haben GKV-Versicherte Anspruch)
Zusätzlich empfiehlt die Kassenärztliche Bundesvereinigung einmal im Monat eine Selbstuntersuchung nach der ABCDE-Regel. Wenden Sie sich an einen qualifizierten Arzt, wenn Ihnen ein dunkler Hautfleck mit einer oder mehreren dieser Eigenschaften auffällt:
A WIE ASYMMETRIE: Ein gutartiges Pigmentmal ist normalerweise gleichmäßig rund, oval oder länglich. Der schwarze Hautkrebs hat jedoch in der Regel eine ungleichmäßige, asymmetrische Form.
B WIE BEGRENZUNG: Die unscharfe Begrenzung eines Pigmentmals kann auf einen bösartigen Hauttumor hindeuten. Achten Sie auf verwaschene, gezackte oder unebene und raue Ränder.
C WIE COLOUR (FARBE): Pigmentmale haben einen einheitlichen Farbton. Unterschiedliche Färbung innerhalb eines Pigmentmals, wie hellere und dunklere Flecken, sollten überprüft werden.
D WIE DURCHMESSER: Lassen Sie Pigmentmale, die einen größeren Durchmesser als 5 Millimeter haben, kontrollieren.
E WIE ENTWICKLUNG: Das Mal hat sich verändert, seitdem Sie Ihre Haut zuletzt untersucht haben.
Fazit
Im bestehenden Gesundheitssystem ersparen uns Hautkrebs-Apps nicht den Weg zum Arzt. Solange uns die von Apps vermittelten Befunde keinen Zugang zum medizinischen Versorgungssystem bieten, wird sich daran nichts ändern. Aktuell kann vor allem eine bessere Prävention helfen, das Risiko von Hautkrebs zu reduzieren.
Quellen
Interview mit Dr. Ralph von Kiedrowski, niedergelassener Dermatologe aus Selters/Ww. und Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD)

Dr. Ralph von Kiedrowski
Experte
Präsident des BVDD und niedergelassener Dermatologe

Markus Düppengießer
Autor
Markus Düppengießer, Journalist und Lektor, lebt in Köln. Früher schrieb er vor allem für Tageszeitungen, heute für verschiedene Fachmedien (on- und offline) aus den Bereichen Gesundheit und Personalwesen, für ein Straßenmagazin und eine Kinderzeitung. Zudem ist er Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.