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Size Matters – Warum die Körpergröße einen Einfluss auf unsere Gesundheit hat

Die Menschheit wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt größer. Die Entwicklung wirkt sich auch auf die Wahrscheinlichkeit aus, an bestimmten Leiden zu erkranken. Nicht immer zu Gunsten der Langgewachsenen. Aber auch die Kleineren haben ihr Päckchen zu tragen. Norbert Stefan, Universitäts-Professor für klinische und experimentelle Diabetologie an der Universität Tübingen, klärt als Experte über die Größenunterschiede und ihre statistischen Folgen auf.

  • Gründe für geringes Wachstum liegen schon im Mutterleib
  • Erst Mangelernährung, dann Junkfood führt zu Diabetes
  • Krebsrisiko bei großen Menschen erhöht
  • Zu viel tierisches Eiweiß im Mutterleib ist kontraproduktiv
  • Gelenke leiden bei sehr großen Menschen
  • Thromboserisiko steigt mit jedem Zentimeter
  • Gender-Data-Gap in der Medikamentenforschung

Im Jahr 1840 wurden Menschen in Deutschland im Schnitt 1,66 Meter groß, 150 Jahre später überragen der mittlere Mann und die mittlere Frau hierzulande ihre Vorfahren um fast 15 Zentimeter. Das zeigt eine Zusammenstellung von Daten aus dem Deutschen Zollverein und der Bundesrepublik Deutschland, beziehungsweise der DDR.

Sozioökonomisch hat eine erhabene Körpergröße viele Vorteile. Große Männer verdienen statistisch gesehen mehr, finden leichter eine Partnerin und sind oft erfolgreicher. Die Körpergröße spielt aber auch medizinisch eine große Rolle. So hat eine niederländische Studie herausgefunden, dass Frauen mit einer Körpergröße von mehr als 175 Zentimetern um ein Drittel häufiger ihren 90. Geburtstag feiern können als ihre Geschlechtsgenossinnen, die unter 160 Zentimetern groß sind.

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Warum ist das so? Große Menschen scheinen vor einigen Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten besser geschützt zu sein. Es gibt aber auch für die kleineren Menschen ein paar gute Nachrichten: Bestimmte Krebserkrankungen oder Thrombose scheinen bei Menschen unter einer gewissen Körpergröße seltener zuzuschlagen.

Aber warum hat die Anzeige auf dem Zentimeterband am Ende überhaupt Einfluss auf den Gesundheitszustand des Menschen? Wer mehr darüber wissen will, der fragt am besten Norbert Stefan, Universitäts-Professor für klinische und experimentelle Diabetologie an der Universität Tübingen. Er weiß, dass kleine Menschen tendenziell ein größeres Risiko haben, an Diabetes zu erkranken oder einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden.

Gründe für geringes Wachstum liegen schon im Mutterleib

Um die Zusammenhänge zu durchschauen, muss man sich ganz an den Beginn des menschlichen Lebens vorspulen, nämlich in den Mutterleib. Denn dort wird, so sagt Stefan, die Grundlage für den späteren Stoffwechsel gelegt, der den Menschen dann sein Leben lang begleitet.

Besteht in Utero eine Mangelernährung, so kommt es zu einer Unterversorgung des Fötus. Die kleinen Menschen schütten dadurch weniger stark ein Hormon aus, das den Körper für Zucker empfindlich hält. Er lernt dadurch, sparsam zu sein, weniger zu wachsen und mit weniger Kalorien klar zu kommen, aber auch schneller und effizienter auf den wenigen Zucker, den er bekommen kann, zu reagieren.

Die Menschen blieben dadurch lebenslang etwas kleiner. Gut erforscht ist die Mangelernährung im Mutterleib und späterem unterdurchschnittlichem Wuchs an Kindern, die im sogenannten „Hungerwinter“ während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden ausgetragen wurden. Der Jahrgang 1945 – das lässt sich heute noch messen – ist im Mittel deutlich kleiner als die Jahrgänge zuvor und danach.

Erst Mangelernährung, dann Junkfood führt zu Diabetes

Grundsätzlich sei der Sparplan des Körpers erstmal eine gute Sache, sagt Stefan. Das Problem entstehe dann erst im Erwachsenenalter, wenn die Kalorien- und Zuckerzufuhr plötzlich nicht mehr gedrosselt, sondern im Gegenteil durch Junkfood in die Höhe getrieben werde. „Die doppelte Last von Mangelernährung“, nennen Stefan und seine Kollegen das.

„Gerade bei Kindern aus der südlichen Sahara lässt sich das zum Beispiel feststellen. Sie litten im Mutterleib unter Mangelernährung, da sich die Ernährung während ihres Heranwachsens aber verbesserte und durch westliche Einflüsse plötzlich ein Überangebot an Fertigprodukten und Zucker da war, kam es oft zur Überernährung. Und darauf reagiert ein Mensch, der als Fötus mangelernährt wurde, mit Insulinresistenz“, erklärt Stefan. Die Folge: Das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt.

Krebsrisiko bei großen Menschen erhöht

Nun ist es aber leider nicht so, dass Menschen mit einer Körpergröße von über 180 Zentimetern grundsätzlich gesundheitlich aus dem Schneider seien. Denn: Auch ein zu langer Körper birgt Risiken. Und auch hier sind die Gründe wieder im Mutterleib, beziehungsweise im Babyalter zu suchen.

So haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und der Harvard School of Public Health herausgefunden, dass ein Überangebot an hochkalorischer Nahrung aus tierischem Eiweiß schon über die Nabelschnur ein Hormon namens IGF-1 aktiviert. Dieses Hormon macht den Körper empfindlicher für die Wirkung von Insulin und beeinflusst damit den Fettstoffwechsel günstig.

Diabetes habe dann laut Stefan eine kleinere Chance. Ungünstigerweise sei das IGF-1-Hormon aber auch dafür verantwortlich, dass bestimmte Krebsarten leichteres Spiel hätten: „Diese Menschen haben deshalb ein erhöhtes Risiko an Brustkrebs, schwarzem Hautkrebs oder Darmkrebs zu erkranken“, zählt Stefan auf.

Zu viel tierisches Eiweiß im Mutterleib ist kontraproduktiv

„Eine Überernährung in der Embryonalentwicklung ist deshalb ebenso kritisch zu sehen wie eine Mangelernährung“, sagt Stefan. Werdende Mütter sollten deshalb nach Ratschlägen der Wissenschaftler nicht übermäßig viel Milch und Molkeprodukte zu sich nehmen, da diese ein IGF-1-Treiber seien. Auch im Kindes und Erwachsenenalter sei es nicht ratsam, sich über die Maßen mit Milch und Molkeprodukten zu ernähren.

„Gerade in China kann man die ungünstige Wirkung von zu viel Milchkonsum sehen“, sagt Stefan. „In dieser Kultur wurden früher kaum Milchprodukte konsumiert. Seit der westliche Einfluss zunimmt, hat sich das komplett geändert und seither steigt bei den Chinesen die Körpergröße stark an. Ob damit auch ein Anstieg von bestimmten Krebserkrankungen erklärbar ist, muss noch erforscht werden.

Dass große Menschen tendenziell häufiger an bösartigen Tumoren litten, liegt banalerweise zu einem Teil aber auch daran, dass Langgewachsene über mehr Zellen verfügen, die entarten können. Zu diesem Ergebnis kamen die Biologen Leonard Nunney von der University of California in Riverside.

Gelenke leiden bei sehr großen Menschen

Und auch das Herz selbst profitiert nicht unbedingt von einem überdurchschnittlichen Wachstum. „Je größer der Körper, desto größer das Herz“, sagt Stefan. „Je größer das Herz, desto häufiger die Wahrscheinlichkeit eines Herzfehlers oder einer Herzklappenschwäche.“

Und auch die Gelenke leiden bei großen Menschen mehr als bei kleinen. Was daran liegt, dass ein langer Arm schlichtweg mehr wiegt als ein kurzer und deshalb die Gelenke bei jeder Bewegung stärker beansprucht.

Thromboserisiko steigt mit jedem Zentimeter

Eine überdurchschnittliche Körperlänge kann auch das Venensystem vor sehr große Herausforderungen stellen. „Das ist ganz einfach ein orthostatisches Problem“, sagt Stefan. So müssten die Venen das Blut aus den Füßen wieder hoch zum Herzen transportieren. Und da hätten es Venen in Menschen mit kurzen Beinen natürlich leichter als diejenigen, die extrem lange Beine durchpumpen müssten.

„Je länger das Rohr, desto geringer die Zirkulationsgeschwindigkeit, desto mehr wird die Pumpe gefordert“, sagt Stefan. Das Risiko, dass ein Stau und damit eine venöse Thrombose entstünde, sei deshalb bei Menschen mit einer Körpergröße nahe an zwei Metern deutlich höher als bei kleineren Exemplaren.

Gender-Data-Gap in der Medikamentenforschung

Auch bei der Medikamentendosierung wird in manchen Fällen nun die Körpergröße, beziehungsweise besser die Körperoberfläche zu Rate gezogen. „Gerade bei sehr starken Arzneimitteln wie zum Beispiel der Chemotherapie wird das aufs Milligramm genau berechnet“, sagt Stefan.

Eine unterschiedliche Herangehensweise ist auch nötig, will man den unterschiedlichen Geschlechtern Rechnung tragen. Dabei spielt nicht unbedingt der Größenunterschied zwischen Männern und Frauen den Hauptgrund, sondern die Geschlechtshormone. Denn diese haben auch einen maßgeblichen Einfluss auf den Stoffwechsel und die Verdauung. Was wiederum die sogenannte Pharmakokinetik beeinflusst, also die Zeit, in der der Körper den zugeführten Wirkstoff verarbeitet.

So kann es passieren, dass die Einnahme gewisser Medikamente bei derselben Dosis bei Frauen zu einem höheren Blutspiegel führen. Die Gefahr einer Überdosierung kann dabei erhöht sein. Um derlei manchmal tödliche Wissenslücken zu schließen, spielt in der Arzneimittelforschung seit den 1990er Jahren die Testung an Frauen eine größere Rolle. Seit 1994 existiert etwa eine US-Richtlinie, die verlangt, dass Medikamente in klinischen Studien auch an Probandinnen getestet werden müssen.

Claudia Lehnen

Autorin

Claudia Lehnen wollte als Jugendliche Ärztin werden, entschied sich dann aber dafür, lieber über Medizin und Menschen und ihre Krankheits- und Genesungsgeschichten zu berichten. Die in Köln niedergelassene Journalistin, die im Tageszeitungs-Journalismus zu Hause ist, ist unter anderem auf das Themengebiet Gesundheit spezialisiert.