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Krebs – steter Wandel zur chronischen Krankheit

Früher hielt die Diagnose Krebs oft nur zwei Alternativen bereit: Entweder führten Operation, Chemo- und Strahlentherapie zur erhofften Heilung oder es drohte ein baldiger Tod. Das hat sich zum Glück geändert. Dank moderner Behandlungsmethoden ist heute bei vielen Krebsarten, selbst wenn sie als unheilbar gelten, ein langes und meist gutes Leben möglich.

Tumoren wachsen unkontrolliert und zerstören gesundes Gewebe

Krebszellen sind anders als normale Zellen. Sie wissen zum Beispiel nicht, wann sie aufhören müssen, sich zu vermehren. Sie sterben auch nicht ab, wenn sie es eigentlich tun sollten. Dadurch bilden sie Tumoren, die unkontrolliert wachsen und so das gesunde Gewebe um sie herum zerstören.

Manchmal begeben sich einzelne Krebszellen auch auf Wanderschaft. Über das Blut oder die Lymphe erreichen sie dann andere, weiter entfernte Körperregionen und bilden dort Tochtergeschwulste, die gefürchteten Metastasen.

Lange Zeit hielten Tumoren, die bereits Metastasen gebildet hatten, nur eine sehr düstere Prognose bereit. Die Patienten hatten vielleicht noch ein paar Monate, allenfalls wenige Jahre zu leben, mehr in aller Regel nicht. Behandelt wurden sie palliativ. Das heißt, Ziel ihrer Therapie war nicht länger die Heilung, sondern eine Verlängerung der Lebenszeit bei möglichst guter Lebensqualität.

Vor allem die häufigen Krebsarten sind oft gut behandelbar

Als unheilbar gelten metastasierte Krebserkrankungen zwar bis heute. Dennoch hat sich ihre Prognose bei vielen Krebsarten zum Guten gewandelt. Dank moderner Therapiemethoden können die Patienten inzwischen oft noch viele Jahre oder gar Jahrzehnte ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen.

„Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Krebsarten, die sich auch im fortgeschrittenen Stadium recht gut unter Kontrolle halten lassen.”
Dr. Anke Ernst

Viele Ärzte sprechen daher auch nicht mehr von einer palliativen Situation, sondern bezeichnen den Krebs als chronisch: nicht heil-, aber zumindest gut behandelbar. „Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Krebsarten, die sich auch im fortgeschrittenen Stadium recht gut unter Kontrolle halten lassen“, sagt Dr. Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst, der zum Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg gehört.

Ernst zufolge handelt es sich dabei vor allem um die häufigsten Krebsarten bei Frauen und Männern, nämlich Brust- und Prostatakrebs, sowie um die chronische lymphatische Leukämie (CLL), eine Krebserkrankung des Lymphsystems, bestimmte Formen von Lungenkrebs, schwarzen Hautkrebs, auch bekannt als malignes Melanom, sowie um Tumoren des Magen-Darm-Trakts.

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Die neuen Methoden wirken gezielt auf die einzelnen Krebszellen

Zu verdanken sind die medizinischen Erfolge insbesondere drei Therapieansätzen, die alle speziell auf die jeweils zu behandelnden Krebszellen zugeschnitten sind.

Zielgerichtete Therapien zum Blockieren wachstumsfördernder Signale

Zielgerichtete Therapien, die unter anderem wachstumsfördernde Signale in Krebszellen blockieren können. Beispiele sind die Tyrosinkinase-Hemmer, die bei chronischer myeloischer Leukämie (CML) verabreicht werden. Oder die bei Brustkrebs eingesetzten Antikörper, die sich gegen die sogenannten HER2-Rezeptoren auf der Oberfläche der Krebszellen richten.

Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren

Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren, die unter anderem bei Haut-, Lungen- und Darmkrebs verabreicht werden. Sie gehören ebenfalls zu den Antikörpern und lösen gezielt eine Bremse der körpereigenen Immunzellen, so dass diese die Krebszellen bekämpfen können.

CAR-T-Zell-Therapien

CAR-T-Zell-Therapien, die sich vor allem bei bestimmten Formen von Leukämien und Lymphomen, also Krebserkrankungen des Bluts und des Lymphsystems, bewährt haben. Zum Einsatz kommen dabei patienteneigene Immunzellen, die im Labor genetisch so verändert werden, dass sie die Krebszellen im Anschluss erkennen und gezielt attackieren.

Viele Krebspatienten leben ähnlich lange wie gesunde Menschen

„Die meisten dieser Therapien bremsen das Tumorwachstum und verhindern, dass sich der Krebs weiter ausbreitet“, erläutert Ernst. „Sie können allerdings – anders als die gängigen Methoden Operation, Chemo- und Strahlentherapie, mit denen Patienten ohne Metastasen oft geheilt werden – nicht bewirken, dass die Krebszellen komplett aus dem Körper verschwinden.“

Häufig verlieren die neuen Methoden mit der Zeit ihre Wirkung, da die Krebszellen gegen die eingesetzten Substanzen resistent werden. „Doch dann besteht oft noch die Möglichkeit, auf ein anderes Medikament zu wechseln“, sagt Ernst. „So ist es möglich geworden, eine eigentlich tödliche Erkrankung in vielen Fällen in eine chronische zu verwandeln, mit der die Patienten inzwischen deutlich länger leben als früher.“

Die modernen Ansätze sind oft besser verträglich als eine Chemotherapie

Ein weiterer Vorteil der modernen Behandlungsansätze besteht darin, dass sie in der Regel deutlich weniger belastende Nebenwirkungen haben als beispielsweise eine Chemotherapie. Denn letztere greift alle sich schnell teilenden Zellen des Körpers an, während mit den neuen Methoden nur Zellen mit ganz bestimmten biologischen Merkmalen attackiert werden, die überwiegend auf den Krebszellen selbst zu finden sind.

„Unter einer zielgerichteten Therapie kann es zu Hautreaktionen, Durchfall, Schilddrüsen- oder Herz-Kreislauf-Problemen kommen.”
Dr. Anke Ernst

Natürlich sind auch die neuen Therapien nicht gänzlich frei von unerwünschten Begleiterscheinungen. „Unter einer zielgerichteten Therapie kann es zum Beispiel zu Hautreaktionen, Durchfall, Schilddrüsen- oder Herz-Kreislauf-Problemen kommen“, erläutert Ernst. Bei einer Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren neigen manche Patienten zu überschießenden Immunreaktionen, die beispielsweise mit Ausschlägen oder Entzündungen in verschiedenen Organen verbunden sind.

„Inzwischen gibt es aber auch eine ganze Reihe von unterstützenden Behandlungsmaßnahmen, mit denen versucht wird, solche Nebenwirkungen in Schach zu halten“, sagt Ernst. Gleiches gilt für Beschwerden, die durch die Metastasen selbst verursacht werden. Für Patienten, die zum Beispiel unter Schmerzen aufgrund von Knochenmetastasen leiden, existieren mittlerweile gute, individuell angepasste Schmerztherapien.

Auch die Seele der Betroffenen sollte mitbehandelt werden

Menschen, die an Krebs erkrankt sind, leiden oft nicht nur an körperlichen, sondern auch an seelischen Symptomen. „Die psychischen Belastungen, die mit einer potenziell lebensbedrohlichen Krankheit einhergehen, sollten nicht unterschätzt werden“, sagt Ernst. Sie rät daher Krebspatienten, gerade wenn sie unheilbar erkrankt sind, sich nach den Möglichkeiten einer psychoonkologischen Betreuung zu erkundigen. Diese wird in fast jedem Krankenhaus, in dem Krebs behandelt wird, in Krebsberatungsstellen oder auch in niedergelassenen Praxen angeboten.

Eine andere Möglichkeit, um die Psyche zu stärken und das Leben mit der Diagnose Krebs zu bewältigen, ist der Austausch in Selbsthilfegruppen. Entsprechende Kontakte finden sich ebenfalls bei den örtlichen Krebsberatungsstellen oder auch beim Krebsinformationsdienst. Sowohl die psychoonkologische Betreuung als auch der Austausch in Selbsthilfegruppen stehen übrigens auch für Angehörige von Krebspatienten zur Verfügung.

Regelmäßige Bewegung und Sport steigern die Lebensqualität

Um die eigene Lebensqualität zu erhöhen, können Patienten mit chronischen Krebserkrankungen zudem vieles selbst tun. „An erster Stelle stehen hier regelmäßige Bewegung und eine an die Krankheit angepasste körperliche Aktivität“, sagt Ernst. Beides hilft zum Beispiel dabei, der bei Krebs häufigen Fatigue – die mit andauernder Müdigkeit, schwerer Erschöpfung und fehlendem Antrieb einhergeht – entgegenzuwirken. Schon ein täglicher Spaziergang an der frischen Luft kann in vielen Fällen helfen, die Symptome zu lindern.

„In vielen Städten werden begleitete Sportprogramme speziell für Krebspatienten angeboten.”

Wer ein intensiveres Training bevorzugt, sollte das, gerade bei Metastasen in den Knochen oder der Lunge, mit den behandelnden Ärzten absprechen. In vielen Städten werden darüber hinaus begleitete Sportprogramme speziell für Krebspatienten angeboten.

Zahlreiche Studien haben inzwischen die positiven Folgen körperlicher Aktivität auch bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen belegt. „Regelmäßige Bewegung hebt die Stimmung, regt den Appetit an, verhindert den Muskelabbau, erhält die Beweglichkeit und beugt Atem- oder Herz-Kreislauf-Beschwerden vor“, sagt Ernst.

Eine bewusste Ernährung ist gerade für Krebspatienten wichtig

Auch die sogenannten Mind-Body-Verfahren, zu denen zum Beispiel Meditation, Yoga, Achtsamkeitsübungen, Entspannungsverfahren und verschiedene kreative Therapien gehören, können dazu beitragen, mit der eigenen Erkrankung besser umzugehen und die Lebensqualität zu steigern. „Wichtig ist, dass alle Patienten die Methode finden, mit der sie sich persönlich wohlfühlen“, sagt Ernst. „Nicht jedes Verfahren ist für jeden Menschen gleich gut geeignet.“

„Was man nicht tun sollte, ist, auf eigene Faust Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzliche, vermeintlich harmlose Präparate einzunehmen.”
Dr. Anke Ernst

Darüber hinaus spielt die Ernährung gerade bei Krebs eine wichtige Rolle. „Von einer gesunden und ausgewogenen Kost profitieren natürlich alle Menschen“, sagt Ernst. Insbesondere Krebspatienten, die zum Beispiel Verdauungsbeschwerden oder Probleme haben, ihr Gewicht zu halten, sollten sich jedoch nicht scheuen, eine professionelle Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen.

„Was man nicht tun sollte, ist, auf eigene Faust Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzliche, vermeintlich harmlose Präparate einzunehmen“, rät Ernst. „Sie alle bergen das Risiko von Wechselwirkungen, können also mitunter die Wirksamkeit der Therapie herabsetzen oder das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen.“ Eine vorherige Absprache mit den behandelnden Ärzten ist daher wichtig.

Über neue Beschwerden sollte zeitnah ein Arzt informiert werden

Entscheidend für den Erfolg einer jeden Krebstherapie ist es, die verordneten Medikamente konsequent einzunehmen. Auch bei unangenehmen Nebenwirkungen sollten sie nicht eigenmächtig abgesetzt werden. „Viel besser ist es, die Ärzte darüber zu informieren, da sich ungewollte Begleiterscheinungen oft abmildern lassen“, sagt Ernst.

Bei neu auftretenden Symptomen oder wenn sich bereits bekannte Beschwerden verschlechtern, sollte man nicht bis zum nächsten Kontrolltermin abwarten, sondern zeitnah ein Gespräch mit dem Arzt vereinbaren. Denn beides könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Tumor unter der aktuellen Therapie wieder aufgeflammt ist und die Behandlung daher angepasst werden muss.

Die eigenen Bedürfnisse stehen jetzt im Vordergrund

„Bei jeder Entscheidung für oder gegen eine neue Therapie haben die Patienten das Recht mitzureden“, sagt Ernst. „Daher sollten sie sich über die Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Behandlung ausführlich informieren lassen und auch ihre persönlichen Bedürfnisse und Erwartungen ansprechen.“ Sinnvoll gerade bei chronischen Krebserkrankungen ist es, sich in einem spezialisierten Krebszentrum beraten und behandeln zu lassen. In Zweifelsfällen kann es zudem ratsam sein, eine Zweitmeinung einzuholen.

„Es gibt nicht nur wie früher ein Leben nach dem Krebs, sondern immer häufiger ein Leben mit dem Krebs.”
Dr. Anke Ernst

Nicht zuletzt kann eine Reha Patienten mit chronischem Krebs dabei helfen, den Alltag trotz der Erkrankung wieder aktiv zu bewältigen. „Wir alle sollten uns eines bewusst machen“, sagt Ernst: „Es gibt nicht nur wie früher ein Leben nach dem Krebs, sondern inzwischen auch immer häufiger ein Leben mit dem Krebs.“ Und das sollte so gut wie möglich gestaltet werden.

Gut zu wissen

Bei allen Fragen rund um das Thema Krebs hilft der Krebsinformationsdienst gerne weiter:

Internet: www.krebsinformationsdienst.de
E-Mail: krebsinformationsdienst@dkfz.de
Telefon: 0800 – 420 30 40 (kostenlos vom Handy und Festnetz)

Quellen

  • Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Dr. Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst, der zum Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg gehört, entstanden.
Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Dr. Anke Ernst

Experte

Vom Krebsinformationsdienst, der zum Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg gehört.

Anke Brodmerkel

Autorin

Anke Brodmerkel hat Biologie und Chemie studiert und lange für die Berliner Zeitung als Medizinredakteurin gearbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Flensburg und schreibt über alle Aspekte zum Thema Gesundheit – für Zeitungen, Magazine und Online-Portale. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie während eines zweijährigen Segeltörns durch Europa.