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Kreuzallergie – Erst die Birke, dann der Apfel

Viele Menschen, die unter Heuschnupfen leiden, reagieren auf manche Lebensmittel ebenfalls mit allergischen Symptomen. Frische Äpfel oder rohe Nüsse zum Beispiel kribbeln dann im Mund. Schuld ist eine Kreuzallergie. Mit ein paar einfachen Tricks werden die Juckreiz auslösenden Lebensmittel besser verträglich. Wir verraten, welche das sind.

Die Kreuzallergie – eine Verwechslung des Immunsystems

Die Kreuzallergie: Es kribbelt oder juckt im Mund. Oft schwillt auch der Rachen ein wenig an. Mitunter fängt sogar die Nase an zu laufen oder die Augen beginnen zu tränen. Dabei hatte man doch nur mal eben in einen Apfel gebissen – so wie man es schon hunderte Male zuvor getan hatte, ohne dass der Körper darauf so ungewohnt reagiert hätte.

 „Eigentlich sind diese Reaktionen des Immunsystems gar nicht gegen das Lebensmittel an sich, sondern gegen bestimmte Blütenpollen oder andere Allergene wie Hausstaubmilben oder Latex gerichtet“, sagt Prof. Dr. Margitta Worm, die Leiterin der Allergieambulanz an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Wer zum Beispiel auf den Verzehr frischer Äpfel oder roher Haselnüsse so reagiert, ist eigentlich gegen Birkenpollen allergisch.“

Bei einer Kreuzallergie handelt es sich also quasi um einen Irrtum der Körperabwehr: „Bestimmte Eiweiße, die in den Lebensmitteln enthalten sind, sind denen der Pollen so ähnlich, dass das Immunsystem sie miteinander verwechselt“, erläutert Worm, die derzeit auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) ist. Etwa sechs von zehn Menschen mit einer Pollenallergie fangen der Expertin zufolge irgendwann an, auch auf bestimmte Lebensmittel zu reagieren.

„Je länger die Hauptallergie bereits besteht, desto größer ist das Risiko, eine Kreuzallergie zu entwickeln.”
Prof. Dr. Margitta Worm

Meist milde und kurze Symptome

Die häufigste Kreuzallergie ist das Birkenpollen-Nuss-Obst-Syndrom. Menschen, die gegen Birkenpollen allergisch sind, reagieren oft auch auf Nüsse und zahlreiche Obstsorten, zum Beispiel auf Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Kirschen oder Erdbeeren. Wer allergisch gegen blühende Kräuter wie Beifuß oder Ambrosia ist, verträgt mitunter keine Möhren oder keinen Sellerie. Und eine Allergie gegen Gräser- oder Getreidepollen kann vereinzelt dazu führen, dass man auf den Verzehr von Weizen überreagiert.

„Die Symptome einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie sind jedoch meist mild und verschwinden in der Regel nach wenigen Minuten von selbst wieder“, sagt Worm. Nur in sehr seltenen Fällen, etwa bei einer wirklich starken Pollenallergie und nach dem Verzehr größerer Mengen des schlecht verträglichen Lebensmittels, könne es zu stärkeren allergischen Reaktionen wie Hautausschlägen, Atemnot oder gar einem allergischen Schock kommen. Und: „Je länger die Hauptallergie bereits besteht, desto größer ist das Risiko, eine Kreuzallergie zu entwickeln“, sagt Worm.

Kreuzallergien vor allem bei Erwachsenen häufig

Von der Kreuzallergie, die auch als sekundäre Lebensmittelallergie bezeichnet wird, abzugrenzen sind die primären Lebensmittelallergien, die erstmals meist schon im Baby- oder Kindesalter und völlig unabhängig von einem Heuschnupfen auftreten. „Sie richten sich häufig gegen Milch- und Hühnereiweiße oder auch gegen Nüsse“, sagt Worm. Die Symptome sind meist schwerer und gehen vielfach mit plötzlichen Hautausschlägen, der Nesselsucht, oder mit Bauchschmerzen und anderen Magen-Darm-Beschwerden einher.

Allerdings sind primäre Lebensmittelallergien sehr viel seltener als sekundäre: „Nur etwa fünf bis sieben Prozent aller Kinder und zwei bis drei Prozent der Erwachsenen hierzulande sind von ihr betroffen“, sagt Worm. Bei Erwachsenen seien mehr als zwei Drittel aller Lebensmittelallergien sekundärer Art – sprich Kreuzallergien.

 

Baumpollen (z.B. Birke, Erle, Hasel)

Obst: z.B. Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Nektarinen, Aprikosen, Pflaumen, Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren, grüne Kiwis

Gemüse: z.B. Soja, Möhren, Kartoffeln, Sellerie

Nüsse: z.B. Haselnüsse

Kräuterpollen (z.B. Beifuß, Ambrosia)Gewürze (z.B. Anis, Curry, Paprika), Möhren, Sellerie, Sonnenblumenkerne
Gräser- und Getreidepollenz.B. Weizen
HausstaubmilbenSchalen­ und Weichtiere (z.B. Krabben, Garnelen, Muscheln, Schnecken)
Latexz.B. Avocado, Banane, Mango

Tipps für den Umgang mit Kreuzallergien

Diagnostiziert wird die Kreuzallergie vor allem anhand der zutage tretenden Beschwerden. „Hauttests oder Blutuntersuchungen können zwar Hinweise liefern, sagen aber noch nichts über die konkreten Reaktionen eines einzelnen Menschen aus“, erläutert Worm.

Tipp Nr. 1: Keine Angst haben – einfach ausprobieren, was man verträgt

„Es spricht jedoch nichts dagegen, einfach auszuprobieren, welche Lebensmittel man verträgt und welche nicht, da die Symptome der Kreuzallergie wie gesagt eigentlich immer recht harmlos sind.“ Es gebe zum Beispiel auch Menschen mit einer Allergie gegen Birkenpollen, die Äpfel gut vertragen, aber auf Kirschen mit Juckreiz im Mund reagieren, sagt Worm.

Tipp Nr. 2: Erhitzen der Lebensmittel hilft

Allerdings hält die DGAKI-Präsidentin wenig davon, bestimmte Lebensmittel komplett zu meiden. „Die Kreuzallergie richtet sich meistens gegen hitzelabile Eiweiße, die beim Kochen oder Backen zerstört werden“, erklärt sie. Wer also frische Äpfel oder rohe Haselnüsse nicht gut vertrage, habe zum Beispiel mit Apfelmus und -kuchen oder gerösteten Haselnüssen oft weniger bis gar keine Probleme.

Dennoch lässt sich neben dem Erhitzen von Lebensmitteln noch einiges mehr tun, um die Symptome der Kreuzallergie zu mildern. Viele Menschen vertragen zum Beispiel eine einzelne Obstsorte gut und haben erst dann Probleme, wenn sie zum Beispiel in einem Obstsalat mehrere Sorten gleichzeitig essen.

Tipp Nr. 3: Alte Obstsorten häufig besser als Neuzüchtungen

Außerdem: Nicht alle Apfelsorten sind gleichermaßen allergieauslösend. Alte Sorten wie Boskop, Cox Orange oder Gravensteiner werden fast immer besser vertragen als neue Züchtungen, die in den Supermärkten allerdings inzwischen überwiegend zu finden sind. Es kann sich also durchaus lohnen, zum Beispiel auf dem Wochenmarkt einmal nach den alten Sorten Ausschau zu halten und diese zu testen.

Tipp Nr. 4: Sport und Alkohol mit Abstand

Zuweilen können auch andere Faktoren das Ausmaß der allergischen Reaktion beeinflussen. Sport, Alkohol und gängige Schmerzmedikamente wie Aspirin (Acetylsalicylsäure, kurz ASS), Ibuprofen und Diclofenac zum Beispiel verstärken bei manchen Menschen die Symptome. „Wer dies bei sich bemerkt, kann versuchen, das allergieauslösende Lebensmittel mit etwas zeitlichem Abstand zu verzehren“, rät Worm. Mitunter bleibe das Kribbeln im Mund auf diese Weise bereits aus.

Tipp Nr. 5: Am Ball bleiben – Linderung eventuell möglich

Schaden kann es zudem nicht, ein Lebensmittel, auf das man früher einmal allergisch reagiert hat, von Zeit zu Zeit erneut vorsichtig zu testen. Denn der Verlauf und damit einhergehend die Prognose einer Kreuzallergie sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. „In etwa einem Drittel der Fälle weitet sich diese Form der Allergie im Laufe des Lebens aus“, sagt Worm. „In einem weiteren Drittel bleibt sie gleich und bei dem restlichen Drittel – das ist die gute Nachricht – wird sie irgendwann besser.“

Auf keinen Fall sollten sich Menschen mit einer Kreuzallergie zu sehr verunsichern lassen, betont die Allergologin. „Nur weil ich einen Apfel nicht gut vertrage, bedeutet das nicht, dass ich Obst aus Vorsicht generell eher meiden sollte“, sagt Worm. „Und wer auf Sellerie allergisch reagiert, muss deswegen auch nicht gleich sämtliches Gemüse von seinem Speiseplan streichen.“

Tipp Nr. 6: Sich beraten lassen

Wer sich diesbezüglich unsicher sei, könne beispielsweise das Gespräch mit einer allergologisch versierten Ernährungsfachkraft suchen, empfiehlt Worm. Deren Adressen finden sich unter anderem im Allergie-Wegweiser des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (https://www.allergie-wegweiser.de). Auch ein Symptomtagebuch kann helfen, den allergieauslösenden Lebensmitteln genauer auf die Spur zu kommen.

Der Genuss muss dabei jedenfalls nicht auf der Strecke bleiben: „Für jeden Menschen mit einer Kreuzallergie finden sich leckere, gesunde und gut verträgliche Alternativen“, sagt Worm. Man müsse einfach nur ein bisschen experimentieren – ohne Angst vor möglichen Reaktionen, die ohnehin meist nur von kurzer Dauer seien.

Keine Therapien

Eine Therapie für die Kreuzallergie gibt es bislang nicht. „Wir haben allenfalls Hinweise, dass sich durch eine Immuntherapie gegen die Birkenpollenallergie in Form einer Desensibilisierung auch die allergischen Reaktionen auf Lebensmittel bessern“, sagt Worm. Für andere Allergien, etwa gegen Kräuter, Gräser oder Hausstaubmilben, liegen bisher keine entsprechenden Daten vor.

Wer aber die oben genannten Tipps mal antestet, kann sein Leben auch ohne Therapie sicher ein wenig besser gestalten – mit viel Genuss.

Quellen: