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Longevity: die Suche nach dem Jungbrunnen

Unsterblich sein: Ein Traum, der so alt ist wie die Menschheit selbst. Was einst nur in Legenden möglich war, rückt für einige Forscher in greifbare Nähe. In Hightech-Laboren der USA arbeiten Wissenschaftler daran, das Altern zu stoppen – oder es sogar rückgängig zu machen. Manche sprechen bereits davon, den Tod herauszufordern. Ist das Science-Fiction oder bald Realität? Was kann man selbst tun, um möglichst lange und gesund zu leben?

Was früher als Schicksal galt, ist heute ein dynamisches Forschungsfeld und ein Lifestyle-Trend: Longevity, das Streben nach Langlebigkeit und Lebensqualität, ist das Gesundheitskonzept der Stunde. Doch was steckt hinter dem Begriff, wie kann jeder Einzelne davon profitieren, und welche Rolle spielen Freundschaften für ein langes Leben?

Longevity: länger gesünder leben

Der Begriff Longevity steht für mehr als nur ein hohes Lebensalter zu erreichen. Im Prinzip dreht es sich um die Frage, wie wir nicht nur länger, sondern vor allem gesünder leben können – also die sogenannte „Gesundheitsspanne“ (Healthspan) verlängern, die Jahre, in denen wir fit, aktiv und selbstbestimmt sind.

„Bei Longevity dreht es sich um die Frage, wie wir nicht nur länger, sondern vor allem gesünder leben können.”

Die Longevity-Forschung unterscheidet daher zwischen Lifespan (Lebensspanne) und Healthspan. Wissenschaftler rund um den Globus tüfteln an Methoden, um unsere Healthspan mit Hilfe von Genmanipulation, Stammzelltechnologie oder bestimmten Wirkstoffen zu verlängern.

Lifestyle-Trend und Wirtschaftsfaktor

Longevity hat eine ganze Industrie befeuert. Bücher, Blogs und Videos liefern detaillierte Anleitungen für den idealen Tagesrhythmus, der Vitalität und Jugend verspricht. Kostprobe gefällig?

Der Tag beginnt mit schonend gedämpftem Grünkohl, Jiaogulan-Tee mit Taurinpulver und einem Glas Cranberry-Saft. Mittags geht’s ab in die Kältekammer – drei Minuten Cryo für die Zellen. Als Snack zwischendurch gibt’s Heidelbeeren und eine Kollagenkapsel. Abendessen? Fehlanzeige. Im Trend ist Dinner-Cancelling.

Im Prinzip geht es nicht mehr darum, sich etwas Gutes zu tun, sondern alles der Maxime „Länger Leben“ unterzuordnen. Wer hier noch mehr investieren möchte: Exklusive Detox-Resorts setzen auf Programme, die einen auf langes Leben angelegten Lebensstil mit passenden Produkten kombinieren.

„Im Prinzip geht es nicht mehr darum, sich etwas Gutes zu tun, sondern alles der Maxime „Länger Leben“ unterzuordnen.”

„Don’t Die!“

Im Silicon Valley hat Google bereits 2013 „Calico“ gegründet, ein Biotechnologieunternehmen mit dem Ziel, alle Krankheiten, die erst im hohen Alter auftreten, heilbar zu machen. Und kaum jemand kämpft so radikal gegen das Altern wie Bryan Johnson. Der 47-jährige Tech-Millionär will unter dem Motto „Don’t Die!“ seinen biologischen Verfall nicht nur aufhalten – sondern umkehren.

Täglich wirft er über 100 Nahrungsergänzungsmittel ein, trainiert nach exakt durchgetaktetem Plan, lässt seinen Körper regelmäßig medizinisch durchscannen und vertraut auf ein Team aus 30 Gesundheitsfachleuten. Sogar eine Transfusion mit dem Blutplasma seines Sohnes wagte er – ein Versuch, den er später wieder beendete, weil sich kein messbarer Nutzen zeigte.

„Bewegung, Schlaf, gesunde Ernährung, Fasten, mentale Stärke – das sind die Stellschrauben, die unsere Lebensjahre lebenswerter machen.”
Dr. Gerd Wirtz

Der Kölner Neurophysiologe und Longevity-Experte Dr. Gerd Wirtz ist kritisch. Johnsons „Beispiel ist auch hochproblematisch: Es vermittelt den Eindruck, dass Langlebigkeit nur mit einem Millionenbudget, einem ganzen Ärzteteam und täglichem Biohacking erreichbar ist. Damit schreckt man viele Menschen eher ab, als sie zu motivieren.“

Stattdessen rät Wirtz, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich für alle zugänglich ist: „Bewegung, Schlaf, gesunde Ernährung, Fasten, mentale Stärke – das sind die Stellschrauben, die unsere Lebensjahre nicht nur verlängern, sondern auch lebenswerter machen.“

Wirtz hat in seinem Buch „Der Longevity-Kompass“ (siehe Autoreninfo) folgende acht Säulen für ein langes Leben definiert – mit konkreten Empfehlungen für den Alltag:

  1. Bewegung
  2. Ernährung
  3. Brain Health
  4. Social Health
  5. Schlaf
  6. Hitze und Kälte
  7. präventive Gesundheitsvorsorge
  8. Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel

Omas Ratschläge und die berühmten „guten Gene“

Laut Moderatorin und Biologin Nina Ruge hatten bereits unsere Großmütter recht, wenn sie predigten: „Kind, iss mehr Gemüse, beweg dich mehr, erhol dich auch mal, hab nicht so viel Stress und schlaf vor Mitternacht.“ Diese Ratschläge spiegeln im Grunde die Kernerkenntnisse der Longevity-Forschung wider. Und welche Rolle spielen die „guten Gene“? Gerd Wirtz betont: „Unsere Gene sind so etwas wie die Grundausstattung – vergleichbar mit der elektrischen Verkabelung eines Hauses. Aber ob das Licht in einem Zimmer brennt, hängt davon ab, ob ich den Schalter betätige.“

Genau das beschreibt die Epigenetik, also eine Beeinflussung genetischer Prozesse durch Umwelt und Verhalten. Dies eröffne jedem Einzelnen große Spielräume: „Klar – wer in der Familie bestimmte Risiken trägt, muss bewusster mit seinem Körper umgehen. Die gute Nachricht: Unsere Lebenserwartung wird nur zu etwa 20 Prozent durch die Gene gesteuert – der Rest liegt in unserer Hand,“ so Wirtz.

Medizinische Prävention ist wirksam

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Wirtz sieht Präventionsmedizin als Schlüssel: „Wir kennen den Ölstand unseres Autos oft besser als unsere eigenen Entzündungswerte. Das zeigt, wie wichtig echte Präventionsmedizin ist – und dass die von der Kasse finanzierten Untersuchungen nur die absolute Basis darstellen, die aus meiner Sicht nicht ausreicht, um Deutschland gesünder zu machen.“

„Präventionsmedizin ist der Schlüssel für eine hohe Lebenserwartung.”

Sein Rat: „Mindestens alle sechs Monate ein ausführliches Blutbild – mit anschließender individueller Beratung. Dazu einmal jährlich ein allgemeiner Check-up, Hautkrebsscreening, gynäkologische oder urologische Vorsorge, alle zwei Jahre eine kardiologische Untersuchung und alle fünf Jahre eine Darmspiegelung. Klingt nach viel? Ist aber machbar – und vor allem wirksam.“

Können Nahrungsergänzungsmittel lebensverlängernd wirken?

Dank der aktuellen Forschungslage haben wir ein tiefes Verständnis davon, was in unserem Körper beim Altern tatsächlich vor sich geht. In den Zellen häufen sich nicht mehr zu reparierende Schäden – sei es im Erbgut oder in den Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zelle. Gleichzeitig lässt die körpereigene Entsorgung nach: Abfallstoffe werden schlechter abgebaut. Einfach ausgedrückt: Das System läuft immer unrunder. Auch die sogenannten Vorläuferzellen, aus denen neue gesunde Zellen entstehen sollen, verlieren an Leistungsfähigkeit.

Infolgedessen bleiben beschädigte, sogenannte seneszente Zellen im Gewebe. Wirtz: „Aber wir können gegensteuern. Eine Möglichkeit ist gezielte Substitution mit Mikronährstoffen wie Vitamin D, Magnesium, K2 oder Coenzym Q10.“

Doch er mahnt auch zur Vorsicht: „Vor jeder Einnahme sollte eine Blutuntersuchung stehen. Einfach drauflos zu supplementieren, ist keine gute Idee. Und noch wichtiger als Präparate ist das Mitochondrien-Training durch Bewegung – idealerweise kombiniert mit kurzen intensiven Einheiten. Ich selbst empfehle zum Beispiel als Ergänzung auch IHHT – ein Training mit simuliertem Höheneffekt, das gezielt die Mitochondrien aktiviert.“

Heilfasten oder die Pille gegen das Altern?

Auf dem Weg zur „lebensverlängernden Pille“ setzt die neueste Longevity-Medizinforschung unter anderem auf zwei Wirkprinzipien gegen das zelluläre Altern: Aktivierung der Autophagie und Senolytika. Bei der Autophagie, der „Selbstverdauung“, fängt der Körper an, sich um seine „Müllabfuhr“ zu kümmern, zerlegt Zellschrott in seine Grundbestandteile. Hier testet man vor allem Diabetes- und Abnehmmittel, welche die Autophagie ankurbeln.

Auch Senolytika kümmern sich um den Zellschrott, die seneszenten Zellen, indem sie diese aber gezielt abtöten. Beim Thema „Pille gegen das Altern“ bleibt Wirtz skeptisch: „Medikamente wie das Immunsuppressivum Rapamycin oder das Diabetesmittel Metformin zeigen in Tierversuchen interessante Effekte. Aber beim Menschen gibt es bislang keine belastbaren Studien zur lebensverlängernden Wirkung.“

Stattdessen empfiehlt er Intervallfasten: „12 bis 16 Stunden tägliche Essenspause aktiviert ebenfalls Prozesse wie Autophagie. Und es lässt sich leicht umsetzen, wenn man die Nacht mit einrechnet. Ich persönlich halte fünf Tage pro Woche für absolut ausreichend.“

Freundschaften als zentrale Longevity-Strategie

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Es ist nicht nur schön, sein Leben mit Freundschaften zu bereichern, Freunde können es sogar verlängern. Denn: Alleinsein ist genauso gesundheitsschädlich wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag. Das hat eine Studie in den USA gezeigt (siehe Quellen).

„Alleinsein ist genauso gesundheitsschädlich wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag.”

Auch Gerd Wirtz sieht soziale Beziehungen als zentrale Longevity-Strategie: „Einsamkeit erhöht nachweislich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und sogar Krebs. Soziale Isolation wirkt wie ein stiller Stressor – und das dauerhaft. Die WHO hat nicht ohne Grund eine Kommission zur Förderung sozialer Bindungen ins Leben gerufen. In Japan und Großbritannien gibt es sogar Ministerien gegen Einsamkeit.“

Freundschaften wirken auf mehreren Ebenen

Wer Freunde hat, reduziert also Stress, stärkt sein Immunsystem und fördert die psychische Resilienz. Ein Schlüsselmechanismus ist die Ausschüttung des Hormons Oxytocin, das bei positiven sozialen Interaktionen freigesetzt wird. Dieses „Kuschelhormon“ macht uns entspannter und wirkt wie ein Booster für das Immunsystem. Auch das Gehirn profitiert von Freundschaften: Soziale Interaktionen sind ein Training für das Gedächtnis und fördern die Bildung neuer Synapsen.

„Auch das Gehirn profitiert von Freundschaften: Soziale Interaktionen fördern die Bildung neuer Synapsen.”

Neurowissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass ein reges Sozialleben den altersbedingten Abbau der grauen Substanz verlangsamt und vor kognitiven Erkrankungen wie Demenz schützt.

Der ultimative Biohack

Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig: Freundschaften sind ein zentraler Schlüssel zu Langlebigkeit und Gesundheit. Sie wirken wie ein „ultimativer Biohack“ gegen Stress, Krankheit und Einsamkeit. Entscheidend ist dabei weniger die Anzahl der Kontakte, sondern die Qualität der Beziehungen. Eine Langzeitstudie der Flinders University im australischen Adelaide bestätigt, dass ein dichtes Netz freundschaftlicher Beziehungen die Lebenserwartung um bis zu 22 Prozent erhöhen kann.

Gerd Wirtz abschließend: „In den sogenannten ‚Blue Zones‘, wo Menschen besonders alt werden, spielt das Miteinander eine zentrale Rolle. Wer regelmäßig lacht, sich austauscht und emotionale Nähe erlebt, lebt nachweislich gesünder und länger. Es könnte also sein, dass Familien und Freundschaften tatsächlich eine der einfachsten – und schönsten – Longevity-Strategien sind.“

Quelle

  • Interview mit Dr. Gerd Wirtz vom 23. April 2025
  • Holt-Lunstad J, Robles TF, Sbarra DA. Advancing social connection as a public health priority in the United States. Am Psychol. 2017; 72 (6).

Viele Medikamente gegen Erkältung und Schnupfen haben generell Einfluss auf die Fahrsicherheit, unter anderem: 

  • Augentropfen
  • Erkältungsmittel
  • Hustensäfte
  • Nasensprays
  • Schlaf- und Beruhigungsmittel
Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Dr. Gerd Wirtz

Experte

Kölner Neurophysiologe und Longevity-Experte

Robert Danch

Autor

Robert Danch studierte Kommunikationswirtschaft und Germanistik. Nach einem Verlagsvolontariat bei der „Süddeutschen Zeitung“ baute er dort den Online-Auftritt der „SZ“ mit auf und war danach in Köln bei DuMont unter anderem für die Online-Redaktionen verantwortlich. Als Fachautor schreibt er über neue Medien und Trends im Gesundheitswesen.