1. Startseite
  2. Magazin
  3. Gesundheit
  4. Schnell, gesund und sicher: So gelingt der Einstieg ins Rennrad-Training

Schnell, gesund und sicher: So gelingt der Einstieg ins Rennrad-Training

Das sportliche Fahrradfahren boomt im Windschatten der Pandemie. Rennradfahren gilt als eine der härtesten Sportarten, inklusive Rückenschmerz und Unfällen. Doch der Einstieg kann auch schonend sein. Wer ein paar Grundregeln beherrscht, hat dauerhaft Spaß an der Ausdauer auf Rädern.

Der Boom hält an. Auf den Ausfallstraßen deutscher Großstädte, auf Feld- und Waldwegen strömen seit Pandemie-Beginn fast täglich Hunderte von Rennradfahrerinnen und -fahrern raus in die Landschaft. Die traditionsreiche Sportart, die nach den Dopingskandalen der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland einen sehr schweren Stand hatte, zieht immer mehr Menschen wieder oder ganz neu in ihren Bann. Rennradfahren gilt als gesundes, naturnahes, abenteuerreiches und effektives Training – und lässt sich sowohl allein als auch in Gruppen machen.

„Das Schöne ist, dass jeder mit dem Sport auf seinem eigenen Niveau anfangen und sich passend zum eigenen Alltag steigern kann“, sagt Jörg Gerstmann, Sportwissenschaftler mit Abschluss von der TU München und Personal Trainer aus der bayerischen Hauptstadt. Radsport auf hohem Niveau ist eine der härtesten Disziplinen in der Welt des Sports. Aber nicht jeder muss in diese Extreme vordringen.

Vorurteil: Rennradfahren schadet dem Rücken

Fahrradfahren allgemein gilt als gesunde Form der Bewegung: Bei geringer Belastung der Gelenke lässt sich das Herz-Kreislaufsystem sehr gut trainieren, die Lungenfunktion verbessert sich, Menschen können ihre Muskulatur fördern und Übergewicht vorbeugen.

Doch gerade gegen das Rennradfahren bestehen auch Vorbehalte. Das Rennrad ist ein Sportgerät, dessen Bauweise auf maximale Kraftübertragung und sehr sportliche Position ausgelegt ist. Mit dem gebogenen Lenker, der meist sogar tiefer liegt als der Sattel, zwingt es Fahrerinnen und Fahrer in eine nach vorn gebeugte Haltung. Ist das nicht schädlich für den Rücken?

„Wer ungeübt ist, wird anfangs nach einer zwei- oder dreistündigen Tour womöglich Schmerzen im Rücken spüren“, sagt Prof. Dr. Wolf Petersen, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin und Präsident der Deutschen Kniegesellschaft, einer Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Dabei handele es sich um Ermüdung. „Allerdings ist die runde Haltung für einen gesunden Rücken normalerweise auch nicht schädlich“, ordnet Petersen ein. Wer mit dem Rennradfahren noch keine Erfahrung habe, werde sich zunächst an diese Haltung gewöhnen müssen.

Das sind die Risiken für Knochen und Knie

Rennradfahren ist allerdings auch eine gefährliche Sportart. Faktoren sind die hohe Geschwindigkeit der Sportler, das oft schwierige Beherrschen der Technik auf ungeeignetem Untergrund, aber auch die riskante Position dieser kaum geschützten Sportler im Straßenverkehr. „Stürze mit und ohne Autos gehören zu diesem Sport – oft mit langwierigen Folgen“, sagt Prof. Petersen.

Ein Helm sollte daher immer getragen werden. Übliche Verletzungen bei Radsportlern sind sehr schmerzhafte Schürfwunden, Prellungen, darüber hinaus Schlüsselbeinbrüche und Frakturen im Schultereckgelenk, so zeigen es Studien. An einer anderen Stelle kann der Sport ebenfalls Schmerzen bringen: Wer etwa mit sehr hoher Kraft und eher geringerer Trittfrequenz fährt, setzt sein Knie unter Stress.

Das „patellofemorale Schmerzsyndrom“ an der Kniescheibe ist das häufigste Problem der Überbelastung bei Rennradfahrern. „Auch falsch eingestellte Pedalplatten oder Sattelhöhe können zu Kniebeschwerden führen“, ergänzt Petersen. Wenn der Tritt nicht gerade nach unten geht, sondern die Bewegung nach außen verläuft, drohen Abnutzungserscheinungen im Knie.

5 Tipps für das effektive Rennrad-Training

Schnell fahren kommt vom Langsamfahren: „Die älteste Weisheit im Radsport“, sagt Sportwissenschaftler Sebastian Klaus (Komsport in Köln). „Beim Rennradfahren brauchen wir möglichst viele Basiskilometer, die wir beim ruhigen Fahren sammeln.“

Training soll immer Spaß machen: „Nicht zum Trainieren zwingen, sondern immer nach dem Spaßgefühl im Training suchen“, sagt Sebastian Klaus. Wer auf diese Weise trainiert, behalte langfristig die Motivation.

Lerne, auf deinen Körper zu hören: „Werte wie Herzfrequenz und Puls sind wichtig, aber wir sollten nicht sklavisch danach fahren“, sagt Klaus. Vielmehr können gerade Anfänger, gestützt auf diese Werte, ihr Körpergefühl richtig einschätzen lernen – und das Training in Einklang bringen mit dem eigenen Befinden und messbaren Trainingszonen.

Mit Erfahrenen in der Gruppe: „Es bringt sehr viel, erfahrene Rennradfahrer in der Gruppe zu beobachten und sich mit ihnen zu unterhalten“, sagt Sebastian Klaus: Sehen, wie Routiniers bergab fahren, Tipps fürs Training einsammeln, den Windschatten nutzen – geht alles in der Gruppe.

Qualität vor Quantität: Wer nicht allzu viel Zeit fürs Training hat, sollte diese vielseitig nutzen. „Hier geht es um Intervalltraining, aber auch um andere Sportarten wie Krafttraining, Yoga oder Rudern“, sagt Sebastian Klaus. Also: Nicht stumpf trainieren, sondern flexibel.

Passend machen: Darum lohnt sich ein Bikefitting

Rennradfahren ist ein eher hochpreisiges Hobby, gute Fahrräder kosten schnell weit mehr als eine großstädtische Monatsmiete für eine gesamte Familie. Wer so viel investiert, sollte auch bei der genauen Anpassung des Fahrrads an den eigenen Körper nicht sparen. „Um richtig Spaß zu haben und unnötige Beschwerden zu vermeiden, empfehle ich immer die Geometrie-Beratung bei Experten“, sagt Personal Trainer Jörg Gerstmann.

„Profis erkennen, wie sie mit kleinen Anpassungen das Fahrrad auf den jeweiligen Körper einstellen.“ Oft sind es tatsächlich nur Millimeter, die mehr Speed ermöglichen und Handgelenkschmerzen verhindern. „Letztlich geht es darum, die Mechanik zu optimieren und Ermüdungseffekte zu bremsen“, erklärt Spotwissenschaftler Sebastian Klaus vom Bikefitting-Unternehmen Komsport in Köln.

Er analysiert die Wirkung der Anpassungen in seinen Bikefittings mit computergestützter Messtechnik. „Weniger Ermüdung bedeutet natürlich auch, dass der Körper länger mehr Leistung bringen kann“, sagt Klaus.

Weniger extrem, aber extrem beliebt: Das Gravelbike

Jüngst hat sich im Rennradsegment eine neue Untergattung etabliert, die entspannteres Fahren auch auf schlechten Straßen oder Feldwegen ermöglichen soll. „Für Einsteiger und eher schonende Fahrten bietet sich ein Gravelbike an“, sagt Personal Coach Jörg Gerstmann. Diese Räder bieten meist eine entspanntere Sitzposition, die Reifen sind dicker und so besser geeignet, um Erschütterungen zu „schlucken“.

Gerade die Vibrationen im gesamten Körper, die das Rennrad weitergibt, gelten als Quelle für Schmerzen im unteren Rücken. Auf Gravelbikes reduziert sich dieses Risiko, da die breiteren und weniger prall aufgepumpten Reifen federn. Dieser Effekt lässt sich auch auf Straßenrennrädern nutzen.

28 Millimeter breite Reifen rollen auch in Tests nicht langsamer als die ganz schmalen, traditionellen Verwandten – sie sparen aber Kraft, weil der Mensch mit seinem Körper nicht die Erschütterungen der schlechten Strecke abfangen muss

Das macht ein gutes Rennrad aus

Wer am Rennrad eine ideale Kombination der entscheidenden Komponenten sucht, wird einen ordentlichen Preis bezahlen müssen – sehr gute Rennräder kosten schnell weit mehr als 3.000 Euro. Die meisten Räder sind mit einer Kombination aus Schaltgruppe und Bremsen ausgestattet, hier geht es von Einsteigerklassen bis zu den elektronisch gesteuerten Top-Reihen – in den meisten Fällen werden die Gruppen von Shimano, Sram oder selten auch Campagnolo sein.

Wer sehr stark an den Einstiegskosten spart, tut das langfristig auch beim Fahrspaß, gerade in extremeren Situationen oder bergauf. Ein gutes Rennrad hat eine verlässliche Schaltgruppe, die entweder im Straßen- oder Geländeeinsatz bewährt ist. Standardmäßig haben Rennräder zweimal elf Gänge, weniger bedeutet dauerhaft auch weniger Variabilität beim Fahrstil.

Bei den Bremsen empfehlen sich für Anfänger eher Scheibenbremsen, die bei schlechtem Wetter berechenbar funktionieren – da haben sie gegenüber den leichteren Felgenbremsen Vorteile. Wichtig ist auch, in die Qualität der Laufräder und Reifen zu investieren. Gut rollende und robuste Felgen, pannensichere und schnelle Reifen erhöhen die Freude am Hobby massiv. Hier gibt es erhebliche Unterschiede – Rat vom Fachhändler oder von unabhängigen Medien ist empfehlenswert.

Drei Dinge, die beim Rennradfahren einfach dazugehören

Krafttraining entscheidet: Gute Rennradfahrer legen Wert darauf, dass Oberkörper und Rumpf in Schuss sind. „Ausgleichsübungen und Kräftigung gehören das ganze Jahr über dazu“, sagt Sportwissenschaftler Jörg Gerstmann. Die Rückenmuskulatur ist beim Rennradfahren sehr wichtig.

Grüßen Sie! Wenn Ihnen auf der Straße andere Rennradfahrer entgegenkommen, sollten Sie ein Zeichen der Verbundenheit an Ihre Mitmenschen senden. Grüßen Sie mit einer Hand, einem Nicken oder einem freundlichen Wort.

Flaschen am Rahmen: Rennräder bieten am Rahmen Platz für Flaschenhalter – und der ist wichtig. „Die Flüssigkeitszufuhr ist bei jeder Einheit wichtig – außerdem kann eine Tour mit Pannen auch unerwartet lang werden“, sagt Jörg Gerstmann.

Auch für Rennradfahrer gelten Regeln

Wer sicher unterwegs sein möchte, sollte auch als Rennradfahrer die Verkehrsregeln nicht nur kennen, sondern beachten. Am Lenker sieht die Straßen-Verkehrs-Zulassungs-Ordnung eine Klingel vor, ein Licht muss nur bei Dunkelheit angebracht sein. Die Radwegenutzungspflicht – angezeigt durch ein blaues Schild – gilt für alle Fahrradfahrer, also auch die sehr sportlichen. Wer also allein oder in kleinen Gruppen fährt, sollte schon für den eigenen Schutz auf diese Vorgaben achten.

Größere Gruppen ab 16 Personen dürfen allerdings als „geschlossener Verband“ auf die Fahrbahn und fahren dann in der sogenannten „Zweierreihe“ nebeneinander. Übrigens gilt dann beim Überfahren von Kreuzungen auch für die hintersten Fahrer das grüne Signal einer Ampel, selbst wenn diese während der Durchfahrt der Gruppe auf „Rot“ umspringt.

Auf dem Rennrad: Kontrolliert einsteigen und systematisch in Form kommen

Wer auf das Sportgerät will, sollte nichts überstürzen. „Die ersten Touren sollten 20, vielleicht 30 Kilometer lang sein und dürfen gern im Biergarten enden“, sagt der Münchner Sportwissenschaftler Gerstmann. Um weiterzukommen und motivierter zu trainieren, lohne sich außerdem das Fahren in festen Gruppen – vielerorts gibt es regelmäßig Rennrad-Treffs zu festen Zeiten.

„Gerade Älteren würde ich im Voraus jedoch raten, ihr Herz-Kreislauf-System checken zu lassen“, sagt Gerstmann. Denn je nach Belastung kann Radsport ungewohnte Reize bedeuten. Eine solche Belastungsanalyse lässt sich entweder beim Arzt, in Fitnessstudios oder bei einem Trainingsdiagnostiker machen.

Eine „Spiroergometrie“ ist auch für ambitionierte Hobbysportler zu empfehlen, denn aus dem Ergebnis der körperlichen Belastungstests lassen sich Trainingszonen ableiten. In diesen Zonen, die etwa mit einer Pulsuhr kontrolliert werden, ist das Training dann gut steuerbar. Bei der Spiroergometrie analysieren die Experten wie Sebastian Klaus von Komsport die Herz-Kreislauf-Reaktion sowie den Atem unter Belastung.

Zusätzlich nehmen sie Kapillarblut ab, um die Laktatbildung zu prüfen. Nach einer solchen Diagnostik weiß man, wie sich die Form gerade bei begrenzter Freizeit effektiv steigern lässt. Wer noch ein bisschen mehr investieren möchte, wird mit einem modernen Radcomputer eine gute Lösung finden, um das Training effektiver zu gestalten – und rennradfreundliche Routen zu planen.

Tim Farin

Autor

Tim Farin ließ sich an der Deutschen Journalistenschule München ausbilden. Zu seinen Schwerpunkten zählen Sport, Fitness und Gesundheit. Als leidenschaftlicher Rennradfahrer und Marathonläufer kennt er sich mit dem Herz-Kreislauf-System bestens aus und hat mit Prof. Klaus Bös und Prof. Getrud Winkler das Buch „Fit in 12 Wochen“ veröffentlicht.