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Sport im Einklang mit dem weiblichen Zyklus

Weibliche Blutungen sind im Sport immer noch ein Tabuthema. Dabei lässt sich die Leistungsfähigkeit von Frauen durch zyklusbasiertes Training verbessern – auch im Freizeitsport. Eine Sportphysiotherapeutin, die zum Athletikteam der Frauen-Fußball-Mannschaft des FC St. Pauli zählt, klärt im Artikel auf. Sie gibt Tipps für alle Wochen des Zyklus – welchen Sport Frauen wann machen oder besser lassen sollten. Ein Thema sind auch Sportlerinnen, die die Antibabypille nehmen, um beim Wettkampf den Zyklus auszuschalten.

Als die chinesische Tennisspielerin Zhen Qinwen bei den French Open im Mai dieses Jahres gegen die polnische Weltranglisten-Erste Iga Swiatek im Achtelfinale aus dem Turnier flog, gab sie als Grund für die Niederlage etwas an, das in der Sportwelt auch heute noch ein Tabu zu sein scheint: Sie habe wegen Menstruationsbeschwerden nicht ihre beste Leistung zeigen können. „Der erste Tag ist immer so hart. Und dann muss ich Sport machen, obwohl ich am ersten Tag immer solche Schmerzen habe“, sagte die 19-Jährige. Und: „Ich wünschte, ich wäre ein Mann auf dem Platz und müsste das nicht durchmachen.“

Frauenkörper werden in der Sportmedizin kaum untersucht

In einer BBC-Umfrage gaben 40 Prozent der Leistungssportlerinnen an, es unangenehm zu finden, mit ihren Trainern über ihre Menstruation zu sprechen. Gleichzeitig sagten 60 Prozent der Befragten, dass ihre Periode Einfluss auf ihre sportliche Leistung hat. Dass der Zyklus die Leistungsfähigkeit des weiblichen Körpers beeinflusst, ist auf Hormonschwankungen zurückzuführen, die alle menstruierenden Frauen betreffen. Umso erstaunlicher ist, dass dem Thema in der Sportmedizin so wenig Beachtung geschenkt wird.

Die Erklärung dafür liegt laut Zaba Shakalio im Gender-Data-Gap begründet. „Frauen sind in der Sportmedizin und der Trainingswissenschaft unterrepräsentiert. Gerade einmal vier Prozent der Studien beschäftigen sich mit Frauen“, sagt die Sportphysiotherapeutin am Elbmedicum Hamburg. Sie ist zudem Athletiktrainerin beim Frauen-Fußballverein von St. Pauli. Zusammen mit der Sporthochschule Köln untersucht sie derzeit, wie sich die Leistungsfähigkeit einer Damen-Wasserballmannschaft während der Zyklusphasen verhält.

Zyklusbasiertes Training kann Leistungsfähigkeit von Frauen verbessern

Ihre Erkenntnisse sollen Grundlage sein für ein zyklusbasiertes Training von Profisportlerinnen. Die amerikanische Fußballnationalmannschaft der Frauen wendet erste Erkenntnisse in ihrem Training an, ebenso wie die Frauenmannschaft des FC Chelsea. Shakalio ist überzeugt, dass sich die Leistungsfähigkeit von Profisportlerinnen dadurch noch deutlich steigern ließe, während im Training der Männer eine physiologische Grenze nach oben bereits erreicht zu sein scheint.

„Gucken Sie sich die Frauen-EM im Fußball an, die gerade zu Ende gegangen ist. Wir sprechen darüber, dass die Frauen schneller geworden sind, bei Männern lässt sich das so nicht alle vier Jahre beobachten“, sagt Shakalio.

Frauen sollten den gesamten Zyklus im Blick haben

Ein Training im Einklang mit dem Zyklus kann aber nicht nur Profisportlerinnen schneller und fitter machen. Auch Freizeitsportlerinnen tun gut daran, die Hormonschwankungen ihres Körpers im Blick zu haben, wenn sie sich die Joggingschuhe anziehen oder sich lieber für eine sanfte Yoga-Einheit entscheiden. Dabei bedeutet zyklusbasiertes Training nicht, allein während der Menstruation anders zu trainieren. „Die Blutung ist nicht das Hauptmerkmal des Zyklus. Sie ist nur das offensichtlichste. Wichtig ist, die gesamten 28 bis 31 Tage des Menstruationszyklus aufmerksam zu beobachten“, sagt Shakalio.

„Die Blutung ist nicht das Hauptmerkmal des Zyklus. Sie ist nur das offensichtlichste. Wichtig ist, die gesamten 28 bis 31 Tage des Menstruationszyklus aufmerksam zu beobachten”
Shakalio

Mit der Blutung übernehmen anabole Hormone die Oberhand

Vereinfacht gesagt werden in den ersten zwei Wochen des Zyklus, beginnend mit der Blutung, mehr anabole Hormone ausgeschüttet als katabole. Das bedeutet: Die zwei Wochen ab dem ersten Tag der Blutung sind eigentlich ideal für Muskelaufbau und explosives Schnelligkeitstraining. „Am ersten Tag, an dem Frauen bluten, stürzen die katabolen Hormone ab, die Leistungsfähigkeit steigt damit langsam an“, sagt Shakalio. Denn mit einberechnet werden muss bei einigen Frauen, die an Menstruationsbeschwerden wie Bauchkrämpfen leiden, dass diese sich natürlich leistungsmindernd auswirken können, wie die chinesische Tennisspielerin Zheng Qingwhen das nach ihrer Niederlage beschrieb.

Dazu kommt nach einer Studie mit australischen Athletinnen auch die Sorge, die Blutung könnte während des Wettkampfs sichtbar werden. Aber das Ende der Talfahrt ist zu diesem Zeitpunkt laut Shakalio zumindest nah: „Spätestens ab dem dritten Tag der Blutung steigt die Leistungsfähigkeit der Frauen meist deutlich an.“, sagt sie. Intensives Krafttraining sowie Sprints und powervolle Sportarten wie Boxen oder Spinning oder Wasserball seien dann ideal.

„Die Leistungsfähigkeit der Frauen lag während der zweiten Zyklusphase deutlich unter der der Zeit vor dem Eisprung lag. Sportlich ganz pausieren sollte man während dieser zwei Wochen aber keineswegs.”

Katabole Hormone begünstigen Fettoxidation

In der zweiten Phase des Zyklus, beginnend mit dem Eisprung, kehren sich die hormonellen Verhältnisse dann um. Katabole Hormone sowie das Stresshormon Cortisol übernähmen dann das Ruder im Körper. Frauen fühlen sich dann generell weniger leistungsfähig, haben mit Wasserablagerungen im Körper und Spannungen in der Brust, oder einem Blähbauch zu kämpfen, fühlen sich müde, und auch die Psyche ist angeschlagen.

„Gerade kurz vor der Periode macht sich das häufig im Prämenstruellen Syndrom, PMS, bemerkbar“, sagt Shakalio. Eine Untersuchung weiblicher Fußballspielerinnen 2017 ergab, dass die Leistungsfähigkeit der Frauen während der zweiten Zyklusphase deutlich geringer war – im Vergleich zu der Leistungsfähigkeit vor dem Eisprung. Sportlich ganz pausieren sollte man während dieser zwei Wochen aber keineswegs.

Im Gegenteil. „Sport hat dann sogar den positiven Effekt, Stress, der durch das ausgeschüttete Cortisol begünstigt wird, abzubauen“, sagt Shakalio. Ratsam sei allerdings in diesen Tagen keine Höchstleistung vom Körper zu verlangen. In Frage kommen eher Ausdauertraining, Meditation, aber auch Gymnastik und Yoga. Ausdauersport ist auch deshalb der richtige Sport nach dem Eisprung, weil Frauen in dieser Phase eine bessere Fettoxidation aufweisen. Langzeitausdauertraining lässt dann überflüssige Pfunde besonders schnell schmelzen.

„Ausdauersport ist auch deshalb der richtige Sport nach dem Eisprung, weil Frauen in dieser Phase eine bessere Fettoxidation aufweisen. Langzeitausdauertraining lässt dann überflüssige Pfunde besonders schnell schmelzen.”

Auswirkung von hormonellen Verhütungsmitteln

Gerade unter Leistungssportlerinnen war es einige Jahre ein Trend, die Zyklusschwankungen durch die Einnahme der Anti-Baby-Pille auszuschalten. Das Risiko, einen Wettkampf während der leistungsschwächeren Zyklusphase absolvieren zu müssen, würde dadurch verhindert. Allerdings, so gibt Shakalio zu bedenken: „Der Zyklus gleicht einer Berg- und Talfahrt. Indem man die Schwankungen nivelliert, erspart man sich die Talfahrt, man profitiert aber auch nicht mehr von dem Bergauf.“ Der Muskelaufbau, der gerade in der anabolen Phase einen Schub bekommt, werde durch die Einnahme der Pille also verschlechtert. Aus sportlicher Sicht sei von der Einnahme hormoneller Verhütungsmittel deshalb eher abzuraten.

Zyklusbeschwerden als Warnzeichen des Körpers

Von der Pille sei auch deshalb abzuraten, weil sich die Veränderungen im Zyklus als Sprachrohr des Körpers lesen lassen können. Fällt die Menstruation beispielsweise aus, „stellt das ein Warnzeichen des Körpers dar“, sagt Shakalio. Vielleicht ist der Stress bei der Arbeit zu groß, in der Familie, das Training nicht auf die Möglichkeiten des eigenen Körpers abgestimmt. Wer diese Warnzeichen ignoriere, oder durch die Einnahme der Pille ganz ausschalte, der vergrößere auch das Risiko ernsthafter Erkrankungen. Osteoporose, verminderte Energiefähigkeit und Unfruchtbarkeit könnten die Folge einer unerkannten Überlastung sein.

Training während und nach der Menopause

Auch wenn Frauen in die Wechseljahre kommen und nicht mehr menstruieren, sollten sie beim Training auf den veränderten Hormonspiegel achten. „Viele Frauen tendieren dazu, wegen der Gewichtszunahme in der Menopause vor allem Ausdauertraining zu machen, um die zusätzlichen Pfunde wieder loszuwerden“, sagt Shakalio. Ein Training für den Halbmarathon mit Mitte fünfzig sei so gesehen nicht ganz falsch, „eigentlich wichtiger ist aber in diesem Alter das Krafttraining“. Da die Knochendichte in der Menopause gerade bei Frauen abnehme, seien starke Muskeln als Schutz vor Knochenbrüchen unabdingbar. Neben Dauerlauf sollte deshalb auch Hanteltraining auf dem Wochensportprogramm seinen Platz finden.

Claudia Lehnen

Autorin

Claudia Lehnen wollte als Jugendliche Ärztin werden, entschied sich dann aber dafür, lieber über Medizin und Menschen und ihre Krankheits- und Genesungsgeschichten zu berichten. Die in Köln niedergelassene Journalistin, die im Tageszeitungs-Journalismus zu Hause ist, ist unter anderem auf das Themengebiet Gesundheit spezialisiert.