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Vegane Superpower: Ist vegan wirklich gesünder als vegetarisch?
Vegane Ernährung liegt im Trend. Viele Menschen verzichten neben Fisch und Fleisch auch auf Milchprodukte, Eier und zum Teil sogar auf Honig. Hier erfahren Sie: Vegetarisch oder vegan – was ist eigentlich gesünder? Wir haben mit einer Expertin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) über den aktuellen Stand der Forschung gesprochen und was sie für die Ernährung von Erwachsenen, aber auch Kindern und Jugendlichen, empfiehlt.
Vegan und vegetarisch: Lohnt es sich, auf Fleisch zu verzichten?
„Der Gesundheitswert einer Ernährungsweise hängt vor allem von der Lebensmittelauswahl ab“, so Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): „Beinhaltet diese eine vielfältige und abwechslungsreiche Auswahl an Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Getreide- und Vollkornprodukten, Nüssen, Samen und Pflanzenölen, und bei Vegetariern auch Milchprodukten und Eiern, ist dies durchaus eine ernährungsphysiologisch günstige und gesundheitsfördernde Ernährungsweise.“
Verarbeitete Lebensmittel mit hohen Mengen an zugesetztem Zucker, Fett und Speisesalz, egal ob vegan, vegetarisch oder als Mischkost, seien dagegen ernährungsphysiologisch nicht günstig.
„Verarbeitete Lebensmittel mit hohen Zucker-, Fett- und Speisesalzanteilen sind ernährungsphysiologisch ungünstig – egal ob vegan, vegetarisch oder als Mischkost. ”
In Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass eine hohe Zufuhr von ballaststoffreichen Getreideprodukten sowie Gemüse und Obst viele Krankheitsrisiken senkt (z. B. das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes mellitus Typ 2) und ein hoher Anteil an rotem Fleisch und Fleischerzeugnissen in der Ernährung das Risiko für bestimmte Krebsarten, wie Darmkrebs, erhöht.
Vegetarische und vegane Ernährungsformen haben hinsichtlich der oben genannten Lebensmittel häufig eine günstigere Zusammensetzung als die in Deutschland übliche Mischkost in Bezug auf die Zufuhr von Ballaststoffen, einigen Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen.
„Anhand der aktuellen Datenlage lässt sich allerdings kein Vorteil für die Gesundheit von vegetarischer oder veganer Ernährung gegenüber anderen pflanzenbetonten Ernährungsweisen wie zum Beispiel einer Mischkost mit einem geringen Fleischanteil erkennen.”
Welche Vorteile hat die vegane Ernährung?
„In systematischen Übersichtsarbeiten auf Basis von Beobachtungsstudien wurden für eine vegane Ernährung vorteilhafte Tendenzen für Krebserkrankungen, ischämische Herzerkrankungen und die Gesamtsterblichkeit im Vergleich zu mischköstlichen Ernährungsweisen identifiziert“, so Ernährungsexpertin Silke Restemeyer.
Eine vegetarische bzw. vegane Ernährung sei allerdings häufig mit weiteren gesundheitsfördernden Lebensstilfaktoren, wie Nichtrauchen, geringerem Alkoholkonsum sowie höherer körperlicher Aktivität, verbunden. Daher sei der Effekt der Ernährung auf die Gesundheit allein schwer zu identifizieren.
„Eine vegetarische bzw. vegane Ernährung ist häufig mit Nichtrauchen, geringerem Alkoholkonsum sowie höherer körperlicher Aktivität verbunden.”
„Für die gesunde erwachsene Allgemeinbevölkerung kann neben anderen Ernährungsweisen auch eine vegane Ernährung, unter der Voraussetzung der Einnahme eines Vitamin-B12-Präparats, einer ausgewogenen, gut geplanten Lebensmittelauswahl sowie einer bedarfsdeckenden Zufuhr der potenziell kritischen Nährstoffe (ggf. auch durch weitere Nährstoffpräparate), eine gesundheitsfördernde Ernährung darstellen“, so die DGE in ihrer aktuellen Bewertung zu veganer Ernährung.
Eine vegane Ernährung sei zudem als äußerst umweltfreundlich anzusehen, sie stelle eine empfehlenswerte Maßnahme zur Verringerung der Umweltbelastungen des Ernährungssystems dar. „Unter Berücksichtigung sowohl gesundheits- als auch umweltrelevanter Aspekte ist eine Ernährungsweise mit einer deutlichen Reduktion tierischer Lebensmittel zu empfehlen“, so die DGE.
Was sind potenzielle Nachteile einer veganen Ernährung?
Anders als in der Mischkost werden Nährstoffe in der veganen Ernährung nicht über tierische Lebensmittel zugeführt. Daher muss die Zufuhr dieser Nährstoffe anderweitig gewährleistet werden. „Eine ausreichende Zufuhr über pflanzliche Lebensmittel kann aufgrund niedriger Gehalte oder geringerer Bioverfügbarkeit erschwert sein. Daher werden sie bei veganer Ernährung als potenziell kritische Nährstoffe bezeichnet“, so Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer.
Insbesondere für Vitamin B12 sei das Risiko eines Nährstoffmangels bei veganer Ernährungsweise erhöht. Eine ausreichende Vitamin-B12-Versorgung sei nach derzeitigem Kenntnisstand bei veganer Ernährung nur durch die Einnahme von Nährstoffpräparaten möglich.
„Für unter anderem Vitamin B12 und Jod ist das Risiko eines Nährstoffmangels bei veganer Ernährungsweise erhöht.”
Neben Vitamin B12 nimmt Jod eine besondere Stellung als potenziell kritischer Nährstoff bei veganer Ernährung ein. Jod gilt in der deutschen Allgemeinbevölkerung, unabhängig von der Ernährungsweise, als kritisch. Die Jodversorgung bei veganer Ernährung scheint noch unzureichender auszufallen, da wichtige Quellen wie Milchprodukte und Fisch wegfallen.
„Außerdem gehören Protein beziehungsweise unentbehrliche Aminosäuren und langkettige n-3-Fettsäuren (Eicosapentaensäure [EPA] und Docosahexaensäure [DHA]) insbesondere bei Schwangeren, Stillenden sowie Kindern und Jugendlichen zu den potenziell kritischen Nährstoffen, so Ernährungsexpertin Restemeyer: „Ebenso weitere Vitamine (Riboflavin, Vitamin D) und Mineralstoffe (Calcium, Eisen, Jod, Zink, Selen). Auch Vitamin A könnte ein möglicher weiterer potenziell kritischer Nährstoff bei veganer Ernährung sein.“
Tipps für gesunde vegane Ernährung
- Infoflyer „Vegan essen – klug kombinieren und ergänzen“: https://cdn.dge-medienservice.de/media/productattach/1/2/123057_2024_flyer_vegan_essen_download_barrierefrei_240610.pdf
- Information des Bundeszentrums für Ernährung (BzfE) zu veganer Ernährung: https://www.bzfe.de/einfache-sprache/gut-essen/vegan-essen
- Kontaktdaten zu qualifizierten Ernährungsfachkräften in ganz Deutschland: https://dge.de/ernaehrungsberatung
Ist für Kinder und Jugendliche eine vegane oder vegetarische Ernährung empfehlenswert?
„Für Kinder und Jugendliche wird eine abwechslungsreiche ovo-lacto-vegetarische Ernährung als geeignete Ernährungsform angesehen“, so Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer. Vegetarisch schlägt hier also vegan. Dabei sei auf die regelmäßige Verwendung von Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten zu achten, die neben Protein auch Eisen und Zink liefern, so die Expertin. Nüsse seien eine gute Quelle für ungesättigte Fettsäuren.
Ein besonderes Augenmerk sollte bei vegetarischer Ernährung auf eine höhere Eisenzufuhr und die Kombination von eisenreichen und Vitamin-C-reichen pflanzlichen Lebensmitteln gelegt werden, um auszugleichen, dass pflanzliches Eisen vom Körper weniger leicht aufgenommen werden kann als Eisen aus tierischen Produkten.
„Aufgrund der eingeschränkten Datenlage kann für Kinder und Jugendliche weder eine eindeutige Empfehlung für noch gegen eine vegane Ernährung ausgesprochen werden.”
Da Mangelerscheinungen potenziell irreversible Schäden hervorrufen können, müssen für eine vegane Ernährung von Kindern und Jugendlichen fundierte Ernährungskompetenzen vorliegen. „Eine ausgewogene und gut geplante Lebensmittelauswahl mit einem gezielten Einsatz nährstoffdichter Lebensmittel ist bei vulnerablen Gruppen von noch größerer Bedeutung als in der gesunden erwachsenen Allgemeinbevölkerung. Für eine adäquate Umsetzung ist eine Ernährungsberatung durch qualifizierte Fachkräfte dringend angeraten“, so Ernährungsexpertin Restemeyer.
Die DGE rät unter anderem zu einer zuverlässigen Ergänzung von Vitamin B12 und gegebenenfalls weiteren potenziell kritischen Nährstoffen. Die Versorgung mit kritischen Nährstoffen solle ärztlich überprüft werden und deren Zufuhr in individueller Absprache erfolgen.
Die DGE empfiehlt in ihren Ernährungsempfehlungen nur noch einmal pro Woche Eier zu essen. Warum?
„Die im März 2024 veröffentlichten lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE werden durch Orientierungswerte für eine „Durchschnittsernährung“ unterstützt, die Anhaltspunkte dafür geben, wie groß die Portionen für Lebensmittel sein können“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Restemeyer. Hier sei ein Ei pro Woche, zum Beispiel ein Frühstücksei, angegeben. Lebensmittel, die verarbeitete Eier enthalten, wie Nudeln oder Kuchen, kommen zusätzlich dazu.
Die optimierte Verzehrmenge für Eier, ohne bereits verarbeitete Eier, entspricht dabei exakt der Menge, die durchschnittlich in Deutschland verzehrt wurde. Empfohlen werden ¾ Lebensmittel pflanzlicher Herkunft sowie ¼ Lebensmittel tierischer Herkunft. Die neue Ernährungsempfehlung der DGE berücksichtigt neben der Gesamtqualität der Ernährung und einem gesunden Lebensstil auch die Umweltbelastung durch z.B. lange Transportwege von Lebensmitteln.
„Wichtiger als die Art der Ernährung ist eine vielfältige und abwechslungsreiche Ernährung. ”
Vegan oder vegetarisch: Was ist gesünder?
Für gesunde Erwachsene kann, neben anderen Ernährungsweisen, auch eine vegane Ernährung gesundheitsfördernd sein. Voraussetzung ist eine ausgewogene, gut geplante Lebensmittelauswahl sowie eine bedarfsdeckende Zufuhr der potenziell kritischen Nährstoffe, insbesondere die Einnahme eines Vitamin-B12-Präparats, um Mangelerscheinungen zu vermeiden. Eine vegane Ernährung erfordert somit eine hohe Ernährungskompetenz und sollte vor allem bei Kindern und Jugendlichen nicht ohne Ernährungsberatung und ärztliche Kontrolle erfolgen.
Wichtiger als die Art der Ernährung (vegan, vegetarisch oder Mischkost mit geringem Fleischanteil) ist aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ohnehin eine vielfältige und abwechslungsreiche Ernährung sowie der weitgehende Verzicht auf stark zucker-, fett- und salzhaltige verarbeite Lebensmittel.
Weiterführende Information
- Positionspapier vegane Ernährung der DGE (2024): https://www.dge.de//fileadmin/dok/wissenschaft/positionen/DGE_Position_Neubewertung_Vegane_Ern%C3%A4hrung_EU_2024_60-84.pdf
DGE-Pressemitteilung vom 21.11.2020: „Vegan, vegetarisch, Mischkost: Nur geringe Unterschiede in der Nährstoffversorgung von Kindern und Jugendlichen“: https://www.dge.de/presse/meldungen/2020/vegan-vegetarisch-mischkost-nur-geringe-unterschiede/
Quelle

Dipl. oec. troph. Silke Restemeyer
Expertin
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)

Sarah Zöllner
Autorin
Sarah Zöllner schreibt als Journalistin und Autorin über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familien- und Gleichstellungspolitik. 2023 erschien ihr zweites Buch „Mütter. Macht. Politik. - Ein Aufruf!“. Für die Envivas informiert sie regelmäßig über Gesundheitsthemen und Wissenswertes rund um den Alltag mit Kindern. Mit ihrer Familie lebt sie nahe Heidelberg.