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Kühlen oder Wärmen bei Entzündungen, Schmerzen und Sportverletzungen?

Nach Sportverletzungen packen wir uns schnell das Kühlkissen auf den Knöchel. Bestimmte Schmerzen lindert aber nichts besser als ein Wärmepflaster. Was genau passiert aber im Körper, wenn wir Glieder und Gelenke gezielt wärmen oder kühlen? Und wann ist welche Therapie angesagt? Unser Experte klärt auf.

Als Deutschland bei der WM 2014 nach einem kampfbetonten, wenig eleganten Spiel in der Verlängerung gegen Algerien gerade noch den Einzug ins Viertelfinale geschafft hatte, maulte ein sichtlich mitgenommener Per Mertesacker den Fußballreporter an und schloss mit den Worten: „Ich leg mich jetzt drei Tage in die Eistonne und dann analysieren wir das Spiel.“ Seither hat es das Baden in Eis nach sportlicher Anstrengung zu einer gewissen Berühmtheit gebracht.

Aber was bringt der Kälteschock dem Körper eigentlich? Hilft er bei müden Muskeln? Bei Verletzungen? Und in welchen Fällen ist Wärme die bessere Wahl? „Es kommt immer ganz darauf an, was man erreichen will“, sagt Ingo Froböse, Professor und Sportwissenschaftler von der Sporthochschule Köln. Kurz zusammengefasst lässt sich die Frage nach Wärmflasche oder Kühlpack so beantworten:

Kälte hilft bei:

  • Kleinen Verletzungen oder nach Stürzen
  • Entzündungen nach Überlastung
  • Allergischen Reaktionen
  • Rheumatischen Entzündungen
  • Krampfadern/Durchblutungsstörungen
  • Nach dem Sport
  • Nasenbluten

Wärme hilft bei:

  • Gelenkschmerzen an Rücken, Schulter und Nacken
  • Nach dem Schwimmen/Training im Winter
  • Der Heilung generell
  • Entspannung der Muskulatur

Kälte helfe vor allem dann, wenn der Körper mit einer Entzündung auf eine Überlastung reagiere. Sobald die Rezeptoren auf der Haut die Kälte registrierten, zögen sich die Gefäße zusammen. „Damit versucht der Körper, Wärme zu halten“, sagt Froböse. Der Sportwissenschaftler könne sich diesen Reflex zu Nutze machen und den erhöhten Blutnachschub bei Entzündungen stoppen. „Da ist nichts kaputt. Der Körper braucht nur Schonung“, sagt Froböse. Und Eis. Denn eine Entzündung lebe schließlich davon, dass der Körper mit viel Blut und viel Wärme eine überlastete Region sozusagen überversorge. Das mache sich auch daran bemerkbar, dass entzündete Körperteile oft heiß würden und anschwöllen.

Froböse erklärt die Kältewirkung so: „Gibt man Eis auf den Tennisarm oder geht der Rheumatiker in die Frostsauna, dann können die biochemischen Prozesse nicht mehr in diesem übertourten Maße ablaufen. Der Blutnachschub ebbt durch die verengten Gefäße ab. Die Entzündung geht zurück.“ Auch Laufanfänger, deren Knie nach dem Training dick und heiß würden, täten gut daran, nach der Belastung mit Eis zu kühlen. „Dann kann eine Entzündung gar nicht erst entstehen.“ Derselbe Mechanismus träfe auch auf die Halsentzündung zu. Weshalb hier häufig der Genuss von Speiseeis empfohlen werde.

Als Alternative zu dem Eispack aus der Tiefkühltruhe rät Froböse zum selbstgemachten Therapiegerät. Dazu fülle man Wasser in einen leeren Joghurtbecher, stecke einen Löffel rein und lasse das Ganze in der Gefriertruhe erstarren. „Dann haben sie einen wunderbaren Kältelolly, der sich sogar prima über die schmerzenden Stellen rollen lässt“, sagt Froböse.

Eis nach Schlägen oder Stürzen

Auch nach Schlägen oder Stürzen beim Sport, die dazu führen, dass es unter der Haut zu Blutungen kommt, helfe das Eispack. „Durch die engen Gefäße halten wir das Gewebe frei von frischem Blut.“ Das macht hinterher den Bluterguss kleiner und lässt die Verletzung schneller abheilen. Lange müsse das Eispack übrigens nicht auf der lädierten Wade liegen. Nur große Verletzungen wie beispielsweise ein Muskelriss oder ein Achillessehnenriss bedürften eines ganzen Tages unter der Kältehaube. „Sonst reichen fünf Minuten dicke“, sagt Froböse.

Gefährlich sei eine längere Kühlung in den seltensten Fällen. „Die Muskeln sind so gut durchblutet. Die Kälte von außen reicht deshalb nur einige Zentimeter unter die Hautschichten. Der Körper lässt es so schnell nicht zu, dass wir generell durchkühlen“, sagt Froböse. Besonders an der kälteunempfindlichen Wade, dem Sprunggelenk oder generell in Regionen, in denen keine Organe zu finden seien, sei eine längere Kühlung komplett unproblematisch. Erst bei großflächigen Eiseinsätzen wehre der Körper sich irgendwann.

Wärme hilft heilen

Und dennoch: Nach der Kältebehandlung sei gerade bei kleineren Verletzungen eine Wärmezufuhr das Mittel der Wahl. Denn generell unterstütze ein Temperaturanstieg die Heilung. „Wärme lässt das Immunsystem hochfahren. Die Gefäße weiten sich, um heilende Stoffe im Blut schneller an den Ort der Verletzung zu transportieren“, sagt Froböse. Auch bei Gelenkschmerzen wie Verspannungen an Rücken, Nacken und Schulter könne man durch Wärmepflaster oder eine Wärmflasche Linderung erfahren.

Die Wirkung ist bisher zwar nur in wenigen kontrollierten klinischen Studien untersucht worden, dennoch wurde diese Behandlungsform beispielsweise in die Leitlinie zum Kreuzschmerz aufgenommen. Auch wer gerne im Schwimmbad Bahnen ziehe, sei anschließend im warmen Ermüdungsbecken oder unter der heißen Dusche gut aufgehoben. Der Grund: „Beim Schwimmen sinkt die mittlere Hauttemperatur auf unter 32 Grad. Es kommt zur Gefäßverengung. Um den Stoffwechsel wieder hochzufahren, muss die Temperatur des Körpers wieder gesteigert werden“, sagt Froböse.

Und was hat Per Mertesackers wütender Rückzug in die Eistonne nach dem Spiel gegen Algerien genau gebracht? Die Eistonne, so erklärt es Froböse, werde im Leistungssport eingesetzt, um den Körper nach großer Belastung schnell wieder leistungsfähig zu machen. „Zehn Minuten Eistonne kurbeln den Stoffwechsel derart an, dass die biochemischen Prozesse nach dem Kälteschock auf Hochtouren laufen. Und das hilft dem Körper, schneller zu regenerieren.“ Am Ende der stockend gestarteten Weltmeisterschaft und nach Mertesackers Eistonnen-Rede jubelte Fußball-Deutschland über seinen vierten WM-Titel.

Claudia Lehnen

Autorin

Claudia Lehnen wollte als Jugendliche Ärztin werden, entschied sich dann aber dafür, lieber über Medizin und Menschen und ihre Krankheits- und Genesungsgeschichten zu berichten. Die in Köln niedergelassene Journalistin, die im Tageszeitungs-Journalismus zu Hause ist, ist unter anderem auf das Themengebiet Gesundheit spezialisiert.