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Faszien und Faszientraining

Wer gesund und fit bleiben will, muss eigentlich nur sein Herz-Kreislauf-System trainieren und die Muskeln kräftigen, oder? Ein Blick auf die Trainingsflächen moderner Sportstudios – oder in die Trainingshallen der Fußball-Bundesliga – vermittelt neuerdings ein ganz anderes Bild. Angestrengt rollen dort Leistungs- und Freizeitsportler gleichermaßen Arme, Beine und Rücken über verschiedenfarbige Hartschaumrollen. Ihr Ziel: Verklebte und verhärtete Faszien zu lösen und dadurch Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu steigern.

Faszien – das klingt, als hätten Wissenschaftler eine ganz neue, bislang unbekannte Struktur im menschlichen Körper entdeckt. Neu ist allerdings nur die Bezeichnung. Bis vor einigen Jahren hießen die Faszien schlicht Bindegewebe – und wurden allenfalls mit Cellulite in Zusammenhang gebracht. Mittlerweile gibt es aber wissenschaftliche Studien, die darlegen, dass ein Faszientraining möglicherweise genauso wichtig ist wie das Training von Herz-Kreislauf-System und Muskulatur.

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Doch was genau sind Faszien eigentlich? Es handelt sich um weiße, fast durchsichtige Fasern, 0,3 bis 3 mm dick und zusammengesetzt aus Kollagen, Wasser, Zucker und Eiweißen. Sie bilden ein feinmaschiges Geflecht, das im gesamten Körper Muskeln, Knochen, Organe und Nerven umhüllt. Faszien können weiches Bindegewebe unter der Haut bilden, aber auch elastische Sehnen und feste Gelenkkapseln. Es kommt nur darauf an, wie straff das Fasziennetz geknüpft ist und wie viel Wasser darin enthalten ist.

Was sind Faszien?

Lange Zeit wurde die Bedeutung der Faszien weitgehend unterschätzt. Das Bindegewebe war vor allem für seine Funktion als Stützgewebe bekannt. Die Faszien umhüllen, polstern und schützen Gewebestrukturen vor Beschädigung und geben Halt und Struktur. Ohne Faszien würden die Muskeln ihre Form verlieren, die Knochen hätten keinen Halt und die Organe würden im Inneren des Körpers umherpurzeln.

Doch das ist noch lange nicht alles: Darüber hinaus helfen die Faszien bei Bewegungen, indem sie die Kraft der Muskulatur auf die Knochen übertragen. Sie speichern und transportieren Flüssigkeit und Nährstoffe zu den Zellen. Und Forschungsarbeiten der vergangenen Jahre haben sogar aufgedeckt: Faszien sind offenbar eine Art Sinnesorgan für die Eigenwahrnehmung. Denn sie leiten Informationen über die Position und die Aktivität von Gelenken, Muskeln und Sehnen an das Gehirn weiter.

Warum verkleben Faszien?

Heute weiß man: Fitte Faszien sind unverzichtbar für einen gut funktionierenden Körper. Probleme entstehen, wenn die Faszien verdicken, verkleben oder verhärten. Die Ursache ist oft Bewegungsmangel, aber auch Stress und Überforderung können der Grund sein. Die Folge sind Schmerzen im Nacken, in den Schultern, dem Rücken und den Gelenken.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Faszien über mehr Schmerzrezeptoren und sensible Nervenendigungen verfügen als die Muskeln selbst. Mittlerweile geht man davon aus, dass muskuläre Schmerzen vor allem in den Faszien entstehen, die auch die Schmerzsignale an das Gehirn senden.

Faszienschmerz lösen

Abhilfe soll hier das Faszientraining schaffen – für das unter anderem die Faszienrolle zum Einsatz kommt. Die Hartschaumrolle ist ein Gerät zur Selbstmassage, mit dem von außen Einfluss auf die Struktur der Faszien genommen werden soll. Das Ziel ist, durch den Druck der Rolle einen Flüssigkeitsaustausch in den Faszien zu bewirken. Ähnlich einem Schwamm wird das Bindegewebe ausgedrückt, Stoffwechselprodukte und Lymphe abtransportiert. Anschließend füllen sich die Faszien mit neuer Flüssigkeit. Auf diese Weise wird die versorgende Grundfunktion des Bindegewebes unterstützt und stimuliert.

Doch gerade die Faszienrolle, der bekannteste Vertreter des Faszientrainings, steht mitunter in der Kritik. Es wird angezweifelt, dass starke Verklebungen des Bindegewebes durch die oberflächliche Selbstmassage überhaupt gelöst werden können. Wissenschaftliche Beweise dafür, dass sich die Faszienverklebungen lösen und sich dadurch die Leistungskraft steigern lässt, gibt es bisher nicht. Mitunter kann die Rolle mehr schaden als nützen, wenn die Körperhaltung nicht stimmt, das Atmen vergessen wird, in den Schmerz hineingerollt wird – es gibt viele Fehlerquellen. Zumindest zu Beginn ist deshalb ein angeleitetes Training empfehlenswert.

Die vier Elemente des Faszientrainings

Die Selbstmassage mit der Faszienrolle ist allerdings nur eines von vier Elementen des klassischen Faszientrainings: Hinzu kommen federnde Bewegungen, Dehnungen und die Schulung der Körperwahrnehmung.

Federnde Bewegungen wie: auf und ab zu hüpfen, von Seite zu Seite zu springen oder der klassische Hampelmann sollen Verklebungen lösen und die Faszien wieder geschmeidiger übereinander gleiten lassen. Dehnübungen sprechen dagegen die formende Eigenschaft des Bindegewebes an. Als besonders wirksam gelten langkettige Dehnübungen, die beispielsweise vom Fuß bis in den unteren Rücken reichen.

Das vierte Element des Faszientrainings dient dem Spüren von Bewegungen. Es hat durchaus meditativen Charakter. Konzentriert werden kleine Bewegungen, subtile Veränderungen der Lage oder Richtung vorgenommen, die alle bewusst gespürt werden sollen. Das Ziel ist ein positiver Effekt auf die Kommunikation zwischen Faszien und Gehirn.

Empfohlen wird, die Faszien zweimal pro Woche für etwa zehn Minuten zu trainieren. Bis sich Erfolge zeigen, ist allerdings Geduld gefragt: Es kann mehrere Monate dauern, bis hartnäckige Verklebungen gelöst wurden und die dadurch entstandenen Schmerzen komplett zurückgehen.


 

Muss man Faszien überhaupt trainieren?

Allerdings: Trotz des aktuellen Hypes um das Training der kleinen Bindegewebsfasern ist es bislang nicht klar, ob es überhaupt nötig ist, die Faszien gesondert zu trainieren. Kritiker argumentieren, dass die Faszien bei einem konventionellen Muskeltraining bereits ausreichend mittrainiert würden – zumindest bei gesunden Menschen und wenn kein Defizit im Bereich der Faszien vorliege.

Tatsächlich enthält ein gutes Ganzkörpertraining für Ausdauer, Muskulatur und Koordination meist auch federnde Bewegungen und Dehnübungen. Letztlich kann nur die weitere Erforschung der Faszien zeigen, ob ein gezieltes zusätzliches Faszientraining wirklich Sinn macht. Erst seit wenigen Jahren verfügen Wissenschaftler überhaupt über die technischen Möglichkeiten, um Faszien sichtbar zu machen. Mit der Elastografie, einem hochauflösenden Ultraschallverfahren, können sie beobachten, ob die Faszien geschmeidig übereinander gleiten oder aneinander kleben bleiben.

Faszien statt Energiebahnen

Auch wenn die Faszienforschung noch am Anfang steht: Bereits heute liefert sie mögliche Erklärungen für die Wirksamkeit bestimmter Heilverfahren und Bewegungslehren. Die Verbindung der Faszien zum vegetativen Nervensystem könnte die Wirkweise bestimmter Handgriffe der Osteopathie erklären. Und Yoga und Akupunktur lösen möglicherweise keine „Blockaden im Energiefluss“, sondern stimulieren den Flüssigkeitsaustausch in den Faszien, lösen Verklebungen und wirken so Schmerzen entgegen.

Info

Wer Lust bekommen hat, Faszientraining einmal selbst auszuprobieren, findet entsprechende Angebote mittlerweile bei vielen Sportvereinen, Fitnessstudios und selbst der Volkshochschule. Anleitungen zum Faszientraining gibt es außerdem zahlreich im Internet, etwa ein Workout mit 8 Übungen, bei dem alle 4 Elemente des Faszientrainings berücksichtigt werden, oder eine Video-Anleitung für diejenigen, die speziell das Training mit der Faszienrolle kennenlernen möchten. Und damit die Selbstmassage mit der Faszienrolle hilft und nicht schadet, lohnt sich ein Blick in das Video zu den 5 größten Fehlern beim Faszientraining.

 

FAQ zum Thema Faszien

Wie sind Faszien aufgebaut?

Faszien bestehen aus drei Schichten:
Oberflächliche Faszien: Diese befinden sich im Unterhautgewebe und enthalten lockeres Bindegewebe sowie Fettgewebe. Sie umgeben Organe, Drüsen und neurovaskuläre Leitbahnen und haben eine speichernde und regulierende Funktion.
Tiefe Faszien: Diese dichten, faserreichen Bindegewebsschichten umhüllen Muskeln, Knochen, Nerven und Blutgefäße. Sie können sich in verschiedenen Formen wie Sehnenplatten, Ligamente, Retinacula und Gelenkkapseln organisieren.
Viszerale Faszien: Diese umhüllen die inneren Organe und bestehen aus Bindegewebsmembranen, die den Organen spezifische Namen geben, wie Meningen im Gehirn oder Pericardium im Herz.

Wie machen sich verklebte Faszien bemerkbar?

Verklebte Faszien können sich durch verschiedene Symptome bemerkbar machen, darunter Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Steifheit, Muskelverspannungen und Probleme mit der Haltung.

Was hilft, um Faszien zu lösen?

Es gibt verschiedene Methoden zur Lockerung verklebter Faszien, darunter Faszientraining, Massagen, Dehnübungen, Faszienrollen, Osteopathie und physiotherapeutische Techniken. Sprechen Sie mit Ihrem Orthopäden, um die richtige Methode zu finden.

Wie äußern sich Faszien-Schmerzen?

Faszien-Schmerzen können sich als dumpfe, ziehende oder stechende Schmerzen manifestieren. Sie können sich in Bereichen mit verklebten Faszien ansammeln und sich bei Bewegung verstärken.

Was ist schlecht für Faszien?

Faszien mögen Bewegung und Dehnung. Sie reagieren schlecht auf langes Sitzen oder Inaktivität. Übermäßiger Stress, ungesunde Ernährung und Rauchen können sich ebenfalls negativ auf die Faszien auswirken.

Wie lange dauert es, bis sich verklebte Faszien wieder lösen?

Die Dauer, bis verklebte Faszien sich lösen, kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Mit regelmäßigem Training, viel Bewegung und gezielten Techniken kann jedoch eine Verbesserung oft innerhalb von Wochen oder Monaten erreicht werden.

Ist Wärme gut bei verklebten Faszien?

Ja, Wärme kann helfen, die Durchblutung zu erhöhen und die Elastizität der Faszien zu verbessern. Wärmetherapie vor dem Faszientraining oder Massagen kann hilfreich sein. Entzündete Faszien sollte man allerdings eher mit Kälte behandeln.

Quellen:

Robert Schleip, T.W. Findley, L. Chaitow, P.A. Huijing: Lehrbuch Faszien. 1. Auflage. Urban & Fischer, 2014, ISBN 978-3-437-55306-6.

Robert Schleip, et al. Strain hardening of fascia: Static stretching of dense fibrous connective tissues can induce a temporary stiffness increase accompanied by enhanced matrix hydration. J Bodyw Mov Ther. 2012 Jan;16(1):94-100.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1360859211001550

Falk Mörl: Müssen wir unsere Faszien trainieren? Eine wissenschaftlich kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Faszientraining
https://www.researchgate.net/publication/318787177_Mussen_wir_unsere_Faszien_trainieren_Eine_wissenschaftlich_kritische_Auseinandersetzung_mit_dem_Thema_Faszientraining

Rheumaliga Schweiz: Was sind Faszien?
https://www.rheumaliga.ch/blog/2016/was-sind-faszien

Hania Luczak: Ein neues Kapitel der Heilkunst?
https://www.geo.de/magazine/geo-magazin/1249-rtkl-bindegewebe-ein-neues-kapitel-der-heilkunst

Hinweis: Die hier angegebenen Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information und können eine erforderliche medizinische Beratung, Diagnose oder Empfehlung nicht ersetzen. Bei Fragen oder Symptomen im Zusammenhang mit Knieschmerzen sollte immer ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden.

Nadine Eckert

Autorin

Nadine Eckert verfügt über eine akademische Fachkompetenz im Bereich Biologie. Ihre Leidenschaft für Medizin entflammte während ihres Volontariats in einem medizinischen Fachverlag in Köln. Nach einer vielseitigen beruflichen Laufbahn hat sich die Diplom-Biologin nun als freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin in Berlin niedergelassen. Von diesem Standort aus widmet sie sich mit Hingabe der medizinischen Berichterstattung sowohl in Fachmagazinen als auch der Laienpresse.