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Vorlesen, die geheime Superkraft: Kinder lesend fördern

Vorlesen ist eine echte Superkraft – davon ist Sabine Bonewitz von der Stiftung Lesen überzeugt. Nicht nur verbessern Kinder, wenn wir ihnen vorlesen, wie nebenbei ihre Sprachkompetenz – auch Empathie und Kommunikationsfähigkeit werden dadurch bereits im Kleinkindalter gefördert. Warum Sie ruhig schon Ihrem Baby ein (Stoff-) Bilderbuch in die Hand drücken können, was Jungs beim Lesen begeistert und wie Sie im Kleinkindalter durch Vorlesen den Grundstein für eine erfolgreiche Schulzeit legen, erfahren Sie hier.

Vorlesen im Kleinkindalter: So macht es allen Spaß!

Mit dem Vorlesen können Sie schon ganz früh beginnen. Bereits Babys ab etwa drei Monaten lieben es, mit Stoffbilderbüchern zu spielen, sie zu betasten und in den Mund zu stecken. Besonders geeignet sind dafür Schwarz-Weiß-Kontrastbücher, da die kontrastreichen Abbildungen im frühesten Kindesalter besonders gut wahrgenommen werden. Ebenfalls toll: Bücher mit Fühlelementen.

„Babys wollen die Welt im wahrsten Sinne des Wortes begreifen“, so Sabine Bonewitz, Leiterin der Abteilung Familie und Kita der Stiftung Lesen: „Geben Sie ihnen die Gelegenheit dazu!“ Ab etwa einem Jahr finden Kinder Gefallen am Betrachten einfacher Bilderbücher. Gut eignen sich Bücher mit großen Abbildungen von Gegenständen oder Tieren. Etwas später kommen Wimmelbücher ohne Text dazu sowie Vorlesebücher mit kurzen Textpassagen.

„Vorlesen ist eine Superkraft. Es fördert die gesamte kindliche Entwicklung.”
Sabine Bonewitz, Stiftung Lesen

Wichtig ist, dass, was im Text steht, auch zu den Bildern passt. „Wenn da geschrieben steht, wie toll das Gras wächst und wie die kleinen Käferchen auf diesem entlang krabbeln, ist es gut, wenn auch Gras und Käferchen zu sehen sind und keine Straße“, so Sabine Bonewitz. Umgekehrt gebe es nicht das eine richtige Buch. „Passend ist, was das Interesse Ihres Kindes weckt“, so die Expertin: „Haben Sie Freude an der gemeinsam verbrachten Zeit!“ „Vorlesen ist eine Superkraft. Es fördert die gesamte kindliche Entwicklung“ stellt Sabine Bonewitz begeistert fest.

Pro Tag 15 Minuten Zeit zum Vorlesen nehmen

Falsch machen können Eltern beim Vorlesen ohnehin kaum etwas. „Kinder lieben per se die vertraute Stimme von Papa, Mama, Oma, Opa oder älteren Geschwistern“, so Sabine Bonewitz. „Sprechen Sie auch ruhig in Ihrer Herzenssprache, also so, wie Sie sich am wohlsten fühlen. Wenn Sie lieber über die Bilder sprechen, als den Text vorzulesen, tun sie genau das. Letztlich geht es im Baby- und Kleinkindalter darum, dass Sie gemeinsam Freude am Betrachten der Bücher haben. Das stärkt die Bindung und legt den Grundstein dafür, dass Ihr Kind Lesen und Vorlesen mit etwas Positivem verbindet.“

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Vorlesetipps

  • nicht zu schnell Vorlesen
  • unterschiedliche Stimmen benutzen
  • Geschichten wiederholen

Einige Tipps gibt Sabine Bonewitz aber doch: Hilfreich sei es, nicht zu schnell vorzulesen. Viele Kinder schätzten es auch, wenn die verschiedenen Figuren einer Geschichte mit unterschiedlichen Stimmen „sprechen“ würden – und nicht zuletzt sei es hilfreich, etwas Geduld mitzubringen. „Kinder lieben es, die gleiche Geschichte oder auch Teile der Handlung immer wieder vorgelesen zu bekommen. Sie brauchen das, um das Vorgelesene wirklich zu begreifen“, so die Expertin.

„Nehmen Sie sich am Tag 15 Minuten Zeit zum Vorlesen. Das kann aber auch unterwegs sein, wenn Sie zum Beispiel auf den Bus warten!”
Sabine Bonewitz, Stiftung Lesen

Und wenn an einem Tag mal gar nichts geht, das Kind einfach nicht ruhig dasitzen und zuhören mag? Dann sei eben Toben an der Reihe, so Sabine Bonewitz, und das Vorlesen dürfe ruhig warten. Als goldene Regel könne man sich merken, dass es gut sei, sich pro Tag etwa 15 Minuten Zeit für das Vorlesen zu nehmen. Allerdings müsse das nicht immer zuhause und vor dem Einschlafen geschehen. Auch beim Warten auf den Bus oder beim Arzt sei Zeit, gemeinsam ein Buch anzusehen.

Digitaler Vorleseservice "Einfach Vorlesen!" Der Stiftung Lesen

Jeden Freitag stellt die Stiftung Lesen in ihrer App „Einfach Vorlesen!“ kostenlos neue Vorlesegeschichten zum Herunterladen zu Verfügung. Die Geschichten eignen sich für Kinder ab drei, fünf oder sieben Jahren. Sie können direkt auf dem Handy gelesen oder als PDF heruntergeladen werden. Gerade für die Überbrückung von Wartezeiten unterwegs ein tolles Angebot. Infos: www.einfachvorlesen.de

Jeden Freitag stellt die Stiftung Lesen in ihrer App „Einfach Vorlesen!“ kostenlos neue Vorlesegeschichten zum Herunterladen zu Verfügung. Die Geschichten eignen sich für Kinder ab drei, fünf oder sieben Jahren. Sie können direkt auf dem Handy gelesen oder als PDF heruntergeladen werden. Gerade für die Überbrückung von Wartezeiten unterwegs ein tolles Angebot. Infos: www.einfachvorlesen.de

Wie kann ich mein Kind zum Lesen motivieren?

Das Schöne am Vorlesen im Kleinkindalter ist, dass Sie die Abbildungen im Buch immer als Anknüpfungspunkt nutzen können, um mit Ihrem Kind über Ihren gemeinsamen Alltag zu sprechen. Welche Illustration fesselt mein Kind? Was findet es gruselig und wo möchte es schnell weiterblättern? Auch Gegenstände und Tiere, die im Buch auftauchen, lassen sich in der direkten Umgebung entdecken.

So kann Ihr Kind den Kochlöffel aus dem Bilderbuch in Ihrer Küche wiederfinden, ebenso wie die Katze, die dem Haustier der Nachbarn gleicht. Vieles, was in der Handlung einer Geschichte auftaucht, lässt sich als Impuls für weitere Beschäftigungen aufgreifen. Mit wenigen Requisiten basteln Sie das Piratenschiff aus der Seeräubergeschichte nach oder formen aus Knete den Drachen aus dem Märchen.

„Auch wenn ich nachbastle, was in der Geschichte eine Rolle spielt, ist das toll: Man kann die Geschichten immer als Ausgangspunkt für andere Beschäftigungen nutzen.”
Sabine Bonewitz, Stiftung Lesen

Kinder beginnen auch schon früh, Vorlieben für bestimmte Themen oder Charaktere zu entwickeln. Nutzen Sie Buchreihen, in denen die Lieblingsfiguren immer wieder auftauchen. Auch Hörbücher, Lieder und Reime können das Vorlesen ergänzen. „Für uns von der Stiftung Lesen ist wichtig, dass Vorlesen nicht nur heißt, wir schauen uns ein Buch an“, so Expertin Sabine Bonewitz: „Auch wenn ich Fingerreime mache oder nachbastle, was in der Geschichte eine Rolle spielt, ist das toll: Man kann die Geschichten immer als Ausgangspunkt für andere Beschäftigungen nutzen.“ Auch digitale Angebote können das Vorlesen ergänzen. Es gibt inzwischen viele gute Lese- und Vorlese-Apps, bei denen Kinder ab dem Kindergartenalter selbst aktiv werden können.

Anregungen und Materialien rund ums Vorlesen

„Und nicht zuletzt ist die Nähe und Geborgenheit, die beim Vorlesen entsteht, wichtig, damit sich Kinder zu gesunden und selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln.”
Sabine Bonewitz, Stiftung Lesen

Welche Kompetenzen werden durch das Vorlesen gefördert?

Das gemeinsame Vorlesen im Kleinkind- und Vorschulalter macht nicht nur Freude, sondern hat auch eine gesundheitsfördernde Wirkung. „Wir ermöglichen Kindern dabei beiläufig, grundlegende Kompetenzen zu erwerben“, so Sabine Bonewitz von der Stiftung Lesen: „Sie setzen sich mit dem Thema der Geschichte auseinander und identifizieren sich mit den Figuren, die darin auftauchen. Das hilft ihnen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und stärkt ihre Empathie.

Darüber hinaus werden sie durch die Handlung der Geschichte und die Abbildungen zu Fragen angeregt und üben dabei den dialogischen Austausch. Und natürlich wird auch ihr Wortschatz erweitert. Und nicht zuletzt ist die Nähe und Geborgenheit, die beim Vorlesen entsteht, wichtig, damit sich Kinder zu gesunden und selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln.

Viele Studien zeigen, dass Kinder, die über das Vorlesen bereits früh diese beiläufige Förderung im Alltag erfahren, einen besseren Start in der Grundschule haben: Sie tun sich nicht nur beim Lesenlernen leichter, sondern auch in allen anderen Fächern, in denen es um Verstehen und das Begreifen logischer Zusammenhänge geht.“

Übrigens müssen Sie als Eltern mit dem Vorlesen nicht aufhören, wenn Ihr Kind selbst zu lesen beginnt. „Kinder lieben es in der Regel, wenn ihnen vorgelesen wird, auch wenn sie bereits lesen können“, so Sabine Bonewitz: „Denn das eine ist quasi ihre Arbeit, die sie am Tag in der Schule machen und etwas ganz anderes, als wenn sie am Nachmittag oder abends noch eine Geschichte vorgelesen bekommen oder man einen Comic anschaut und zusammen in die Geschichte eintaucht.“

Mein Kind hat keine Lust zu lesen – was kann ich tun?

Gerade Jungen wird häufig eine gewisse Leseunfreudigkeit nachgesagt. Für sie können Sachbücher ein guter Zugang zum Lesen sein. „Fragen Sie Ihren Sohn, was ihn gerade besonders interessiert!“, rät Sabine Bonewitz: „Findet Ihr Kind Fußball oder Dinosaurier toll, schauen Sie, welche Sachbücher es zu den entsprechenden Themen gibt.“ So bekomme das Lesen plötzlich eine ganz andere Qualität, weil es entkoppelt werde von Noten und dem Bewertetwerden in der Schule.

Auch Stadtbibliotheken seien wunderbar, um das Interesse an Büchern zu wecken. Nicht nur seien dort gegen einen geringen Mitgliedsbeitrag Bücher in fast unbegrenzter Auswahl verfügbar und es gebe immer wieder tolle (Vor-) Leseaktionen. „Kinder können dort die Bücher auch anfassen, darin blättern und immer wieder Neues entdecken“, so Sabine Bonewitz: „Nicht umsonst sind Bibliotheken für uns als Stiftung Lesen wichtige Partner. In unserem großen bundesweiten Lesestartprogramm „Lesestart 1-2-3“ geben wir bei der U6- und U7-Untersuchung über die Kinderärzte erste Lesebücher für Ein- und Zweijährige an die Eltern weiter und, wenn die Kinder drei Jahre alt sind, in den Bibliotheken vor Ort.“

„Das Einzige, was man zum Vorlesen braucht, ist ein bisschen Zeit und ein ruhiges Plätzchen, an dem man es sich gemütlich machen kann. Also lesen Sie los!”
Sabine Bonewitz, Stiftung Lesen

Die Stiftung Lesen setzt mit der Anregung zum Vorlesen sogar noch früher an: In Kooperation mit der Nikolaus Koch Stiftung verteilt sie in einem regionalen Projekt in Trier, Wittlich und Bitburg in den Geburtskliniken erste Bilderbücher an frisch gebackene Eltern. Aktuell ist ein weiteres Projekt in Geburtskliniken in ganz Hessen geplant. „Wir wollen einfach zeigen, Vorlesen ist etwas ganz Normales, mit dem Eltern schon früh anfangen können und was dem Kind und der gemeinsamen Beziehung guttut“, so Sabine Bonewitz. Nicht zuletzt verbindet das gemeinsame Vorlesen auch die Generationen. Mit Oma oder Opa die ersten Bilderbücher anzusehen, macht nicht nur Spaß, sondern hält die ältere Generation fit und stärkt die Bindung zwischen Großeltern und Kindern.

Alles in allem ist Vorlesen tatsächlich eine wunderbare Möglichkeit, mit dem eigenen Kind eine schöne Zeit zu verbringen – und es ganz nebenbei in seiner Entwicklung zu fördern. Schauen Sie doch einmal in Ihrer örtlichen Bibliothek vorbei, nutzen Sie für unterwegs die „Einfach Vorlesen!“-App der Stiftung Lesen oder holen Sie Ihre eigenen Kinderbücher aus dem Schrank. „Das Einzige, was man zum Vorlesen braucht, ist ein bisschen Zeit und ein ruhiges Plätzchen, an dem man es sich gemütlich machen kann“, bringt Sabine Bonewitz auf den Punkt. Also lesen Sie los!

Quellen

Sarah Zöllner

Autorin

Sarah Zöllner schreibt als Journalistin und Autorin über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familien- und Gleichstellungspolitik. 2023 erschien ihr zweites Buch „Mütter. Macht. Politik. - Ein Aufruf!“. Für die Envivas informiert sie regelmäßig über Gesundheitsthemen und Wissenswertes rund um den Alltag mit Kindern. Mit ihrer Familie lebt sie nahe Heidelberg.