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Veganuary: So einfach ist es, vegan zu leben

Der Januar wird fleischlos – zumindest für all jene, die am Veganuary teilnehmen. Und das werden immer mehr. Denn sich vegan zu ernähren, liegt derzeit voll im Trend. Doch ist es wirklich gesund, ausschließlich pflanzliche Lebensmittel zu essen und auf alles, was von Tieren kommt, zu verzichten? Die Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) gibt Antworten auf diese und viele weitere Fragen zum veganen Lebensstil.

Sich gesünder zu ernähren, ist ein beliebter Vorsatz fürs neue Jahr. Dass das auch bedeutet, weniger – oder womöglich sogar kein – Fleisch und andere tierische Produkte mehr zu essen, ist den meisten Menschen inzwischen klar. Die Umsetzung ist oft trotzdem schwer. Helfen könnte der Veganuary. Das Wortspiel steht für eine Challenge, die eine britische Non-Profit-Organisation vor einigen Jahren ins Leben gerufen hat.

Ziel der Kampagne ist es, sich den ganzen Januar, auf Englisch January, über vegan zu ernähren – also auf alles zu verzichten, was von Tieren stammt. Für Einsteiger gibt es dazu im Internet jede Menge Tipps und Rezepte. Allein ist man mit der Teilnahme nicht: Für den Veganuary 2021 meldeten sich weltweit mehr als 580.000 Menschen an.

 


 

Ist vegane Ernährung gesund? die wichtigsten Vorurteile und die antworten der Expertin:

  • Nur vegan kann nicht gesund sein! „Eine gut geplante vegane Ernährung hat häufig eine günstigere Zusammensetzung als die in Deutschland übliche Mischkost“, antwortet Silke Restemeyer, Ernährungswissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE).
  • Mangelerscheinungen sind vorprogrammiert! Eine gute Kombination der Lebensmittel verhindert das. Mit einer Ausnahme: das lebenswichtige Vitamin B12 muss als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden.
  • Pflanzen liefern keine Proteine! Restemeyer widerspricht: „Es stimmt, dass pflanzliche Eiweiße vom menschlichen Organismus nicht so gut verwertet werden können wie tierische“, sagt sie. Dem könne man aber durch kluge Kombinationen entgegenwirken – z.B. Bohnen mit Kartoffeln essen.
  • Für die Blutbildung braucht der Körper Eisen! Und erhält es, z.B. aus Hirse und grünem Blattgemüse. „Da Vitamin C die Aufnahme von Eisen fördert, ist es sinnvoll, zum Beispiel den morgendlichen Hirsebrei mit frischem Obst zu essen.“
  • Für Jod muss man Fisch essen! Stimmt, die Schilddrüse braucht Jod. Bekommt es aber auch aus jodiertem Speisesalz oder aus mit Algen angereichertem Meersalz mit definiertem Jodgehalt.

Jeden Tag entscheiden sich weitere 500 Deutsche, vegan zu leben

Vegan zu leben, liegt im Trend. Laut einer Analyse des Instituts für Demoskopie Allensbach betrug die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich selbst als Veganer bezeichnen, im Jahr 2020 rund 1,13 Millionen. Damit waren es etwa 180.000 Personen mehr als im Jahr zuvor. Umgerechnet würde das bedeuten, dass sich jeden Tag fast 500 Menschen hierzulande neu dafür entschieden haben, auf alles, was von Tieren stammt, zu verzichten – also nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf Eier, Milch, Joghurt, Quark, Käse und noch vieles mehr. Ein strenger Veganer streicht selbst Bienenhonig von seinem Speiseplan.

Die Gründe für diese Entscheidung sind vielfältig. Den meisten Menschen geht es nicht nur um ihre Gesundheit. Sie denken auch an die Umwelt. Denn die Herstellung tierischer Lebensmittel verursacht im Vergleich zu pflanzlichen Produkten weitaus mehr Treibhausgase und kurbelt so den Klimawandel weiter an. Eine im Jahr 2018 in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichte Studie hat ergeben, dass der Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte den CO2-Fußabdruck eines jeden Menschen um bis zu 73 Prozent verringern kann. Viele Veganer wollen zudem der Massentierhaltung sowie der verbreiteten Tötung männlicher Küken und Kälber etwas entgegensetzen.

Eine vegane Ernährung ist oft gesünder als die übliche Mischkost

Dass eine vegane Ernährung dem Wohl der Umwelt und der Tiere zugutekommt, gilt mittlerweile als unumstritten. Weniger einig ist man sich, wenn es um gesundheitliche Aspekte geht. Viele Menschen glauben, dass eine solch extreme Form der Ernährung gar nicht gesund sein kann. Doch das würde die Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) keinesfalls unterschreiben.

„Eine gut geplante vegane Ernährung hat häufig eine günstigere Zusammensetzung als die in Deutschland übliche Mischkost“, sagt sie. Meist sei der Anteil an wertvollen Ballaststoffen, ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen höher. Entscheidend dafür seien natürlich die richtige Auswahl und Kombination der Lebensmittel, sagt Restemeyer.

„Eine gute und gesunde vegane Kost enthält viel Gemüse und Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, pflanzliche Öle sowie Nüsse und Samen.“ Beobachtungsstudien hätten gezeigt, dass sich mit einer solchen Ernährung unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Darmkrebs senken lasse. Außerdem beugt sie Übergewicht vor.

So lassen sich tierische Produkte gut ersetzen

MilchUngesüßte Pflanzendrinks, zum Beispiel aus Hafer, Reis, Soja oder Mandeln
SahneSoja- oder Hafersahne, Kokosmilch
KäseVegane Alternativen, zum Überbacken auch Hefeflocken oder -schmelz (Rezepte dafür finden sich im Internet)
Joghurt / QuarkVegane Alternativen, zum Beispiel aus Soja oder Lupinen
HackfleischVeganes Hack, zum Beispiel aus Soja, Erbsen oder Weizeneiweiß (Seitan)
SchinkenRäuchertofu
WürstchenSeitan oder Tofu
BurgerGetreide- oder Gemüsebratlinge
Schnitzel und SteaksVegane Alternativen, zum Beispiel aus Soja oder Seitan
HonigZum Beispiel Ahorn- oder Reissirup sowie Agavendicksaft
GelatineAgar-Agar (aus Algen)

Vitamin B12 muss zusätzlich eingenommen werden

 Kombiniert man die genannten Lebensmittel geschickt und vermeidet zudem eine eingeschränkte Auswahl, können laut Restemeyer bei gesunden Erwachsenen Mangelerscheinungen vermieden werden. Mit einer Ausnahme: „Das lebenswichtige Vitamin B12 ist in pflanzlichen Lebensmitteln nicht in ausreichenden Mengen enthalten und muss von Veganern daher dauerhaft als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden.“ Vitamin B12 spielt bei verschiedenen Stoffwechselprozessen eine wichtige Rolle und ist zudem für die Blutbildung nötig.

Kritiker einer veganen Ernährungsweise bemängeln oft an erster Stelle, dass der Körper allein mit pflanzlichen Lebensmitteln nicht ausreichend Proteine aufnehmen kann. Auch in diesem Punkt widerspricht Restemeyer: „Es stimmt, dass pflanzliche Eiweiße vom menschlichen Organismus nicht so gut verwertet werden können wie tierische“, sagt sie. Dem könne man aber durch kluge Kombinationen entgegenwirken.

Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen oder Linsen zum Beispiel seien reich an Proteinen. Und in Verbindung mit anderen pflanzlichen Proteinträgern wie Kartoffeln oder Vollkorngetreide, zum Beispiel in Form von Reis oder Brot, würden aus ihnen Mahlzeiten, die den Körper ausreichend mit Eiweiß versorgten. „Allerdings muss dafür die Kalorienzufuhr insgesamt dem Bedarf entsprechen, damit die Proteine nicht zur Energiegewinnung herangezogen und so zweckentfremdet werden“, sagt Restemeyer.

Eisen steckt nicht nur in Fleisch, sondern auch in Salat

Auch Mineralstoffe und Spurenelemente sind in pflanzlichen Lebensmitteln in ausreichenden Mengen enthalten. Eisen zum Beispiel, das ebenfalls für die Blutbildung wichtig ist, steckt nicht nur in rotem Fleisch, sondern auch in Hirse und grünem Blattgemüse. „Da Vitamin C die Aufnahme von Eisen fördert, ist es sinnvoll, zum Beispiel den morgendlichen Hirsebrei mit frischem Obst zu essen oder den abendlichen Salat mit einem Dressing abzuschmecken, das Zitronensaft enthält“, sagt Restemeyer.

Das unter anderem für das Immunsystem wichtige Spurenelement Zink steckt zum Beispiel in Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Ölsamen und Nüssen. Zubereitungsverfahren wie Sauerteiggärung und Keimung verbessern die Bioverfügbarkeit. Kalzium, das für feste Knochen benötigt wird, ist unter anderem in dunkelgrünen Gemüsesorten, Tofu und Haselnüssen enthalten. Viele Pflanzendrinks sind, da sie als Milchersatz dienen, mit Kalzium angereichert.

Jod, das für eine gesunde Funktion der Schilddrüse erforderlich ist, findet sich nicht nur in Fisch: Veganer können auf jodiertes Speisesalz oder mit Algen angereichertes Meersalz mit definiertem Jodgehalt ausweichen. Oder es wird nach ärztlicher Rücksprache ein Jod-Präparat eingenommen. Die ebenfalls in Fisch, vor allem in fettem Seefisch wie Lachs oder Makrele, vorhandenen lebensnotwendigen Omega-3-Fettsäuren stecken auch in hochwertigen Pflanzenölen, etwa Raps- oder Walnussöl.

Fleischersatzprodukte können den Einstieg erleichtern

Fleisch- und Fischersatzprodukte, die es inzwischen in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, sind für eine gesunde vegane Ernährung laut Restemeyer nicht erforderlich. Dennoch haben auch sie ihre positiven Seiten: „Vielen Menschen erleichtern sie den Einstieg in die vegane Ernährung“, sagt die DGE-Expertin. Um sich ausreichend mit Proteinen zu versorgen, seien sie jedoch nicht zwingend nötig.

Hinzu komme, dass es sich bei vielen Produkten um hochverarbeitete Lebensmittel handele, die teilweise viel Zucker, Salz und Fett enthielten. „Hier lohnt sich ein Blick auf die Nährwertangaben und die Zutatenliste, die am besten so kurz wie möglich ist“, sagt Restemeyer. Gesünder und nachhaltiger sei es in jedem Fall, anstatt der industriellen Produkte zum Beispiel gebratenen Tofu oder Seitan oder auch selbst gemachte Linsenbratlinge zu essen. Auch Sojabohnen aus dem Tiefkühlregal, Edamame genannt, seien eine gute und eiweißreiche Alternative.

Darmprobleme? Tipps für vegane Anfänger

Wer neu in die vegane Lebensweise einsteigt, wird womöglich auch seinen Darm erst einmal an sie gewöhnen müssen. Pflanzliche Lebensmittel, insbesondere Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte, enthalten meist große Mengen Ballaststoffe. Diese sind zwar gesundheitsfördernd, können aber bei einem ungeübten Verdauungssystem leicht zu Blähungen, Schmerzen im Magen-Darm-Trakt oder auch zu Verstopfung führen. Um dies zu vermeiden, haben sich laut Restemeyer eine Reihe von Maßnahmen bewährt:

  • Ausreichend trinken, mindestens 1,5 Liter am Tag, am besten Wasser oder ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees
  • Sich möglichst viel bewegen, mindestens eine halbe Stunde am Tag und immer wieder kurz zwischendurch
  • Die Menge an Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten schrittweise steigern
  • Bei Hülsenfrüchten aus der Konserve die Flüssigkeit entsorgen
  • Speisen mit Ingwer, Fenchel, Kümmel oder Anis würzen
  • Ausprobieren, was einem gut bekommt und was nicht


 

Bei Kindern ist das Risiko für einen Nährstoffmangel höher

Doch ist eine vegane Ernährung wirklich für jeden Menschen in jedem Alter und in jeder Lebenssituation geeignet? „Wir bei der DGE halten sie derzeit vor allem für gesunde Erwachsene für unbedenklich“, sagt Restemeyer. Säuglinge, Kinder und Jugendliche sowie schwangere und stillende Frauen hingegen hätten aufgrund ihres höheren Nährstoffbedarfs auch ein höheres Risiko für einen Nährstoffmangel, weshalb es für sie momentan keine offiziellen Empfehlungen für eine vegane Ernährung gebe. „Gut geplant und mit einem vielseitigen Angebot an unterschiedlichen Lebensmitteln halte ich sie aber auch bei diesen Personengruppen für machbar“, sagt Restemeyer.

Die VeChi-Youth-Studie (Vegetarian and Vegan Children and Youth Study) beispielsweise habe gezeigt, dass vegan und vegetarisch ernährte Kinder mehr Ballaststoffe und vor allem vegan lebende Kinder weniger Zucker als andere Gleichaltrige zu sich nähmen. „Beides sind sehr wünschenswerte Effekte“, sagt Restemeyer. „Und um die Versorgung mit kritischen Nährstoffen sicherzustellen, rate ich Eltern dazu, ihre Kinder bei dem Wunsch nach einer vegetarischen oder veganen Lebensweise zu unterstützen.“ Aus Sicht der DGE bestehe allerdings weiterer Forschungsbedarf, weshalb man sich bei Kindern und Jugendlichen momentan noch nicht für eine vegane Ernährung ausspreche.

Einmal im Jahr sollte das Blut ärztlich untersucht werden

Generell rät Restemeyer dazu, bei einer veganen Lebensweise einmal im Jahr das Blut ärztlich untersuchen zu lassen. Ein großes Blutbild gibt unter anderem Auskunft über die Konzentration von Mineralstoffen, Vitaminen und Eiweißen und deckt so eventuelle Mangelzustände auf. Die Untersuchung kann bei jedem Hausarzt in Auftrag gegeben werden. Allerdings sind die entstehenden Kosten von rund 100 Euro in der Regel aus eigener Tasche zu bezahlen. Krankenkassen übernehmen sie nur vereinzelt. „Wird ein Nährstoffmangel festgestellt, ist entweder eine Ernährungsumstellung, eine Einnahme von Nährstoffpräparaten oder die Verwendung von angereicherten Lebensmitteln notwendig“, sagt Restemeyer.

„Wer sich mit dem Thema Ernährung nicht sehr gut auskennt, sollte zudem darüber nachdenken, sich für den Einstieg professionelle Hilfe bei einer Ernährungsberatung zu holen“, rät die DGE-Expertin. Darüber hinaus dürfe man jedoch experimentierfreudig sein. „Im Internet gibt es unendlich viele vegane Rezepte“, sagt Restemeyer. Da könne jeder für sich ganz einfach ausprobieren, was ihm schmecke und was sich – auch nicht ganz unwichtig – gut in den persönlichen Alltag integrieren lasse. Ein perfekter Starttermin dafür ist vielleicht wirklich der meist ruhige Neujahrstag.

Die wichtigsten Vorteile - Auf einen Blick. Eine vegane Ernährung...

  • Gesund: Vegane Ernährung mit viel Gemüse und Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, pflanzlichen Ölen sowie Nüssen und Samen gilt als gesund. Sie kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Darmkrebs senken. Außerdem beugt sie Übergewicht vor.
  • Nachhaltig: Sie ist nachhaltig und hilft, den Klimawandel aufzuhalten. Die Herstellung pflanzlicher Lebensmittel setzt weniger Treibhausgase frei und verbraucht zudem weniger Wasser als die Erzeugung tierischer Produkte.
  • Tierfreundlich: Indem sie hilft, die Massentierhaltung und die Tötung männlicher Küken und Kälber zu reduzieren.

Anke Brodmerkel

Autorin

Anke Brodmerkel hat Biologie und Chemie studiert und lange für die Berliner Zeitung als Medizinredakteurin gearbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Flensburg und schreibt über alle Aspekte zum Thema Gesundheit – für Zeitungen, Magazine und Online-Portale. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie während eines zweijährigen Segeltörns durch Europa.