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Kindern Grenzen setzen: „Eltern sind Sparringspartner“

Kindererziehung ist anspruchsvoller geworden – sagen Experten – die Kompetenz von Müttern und Vätern sei stetig gewachsen. Aber auch deren Anspruchshaltung habe sich erhöht: Väter und Mütter wollen nicht nur gut sein, sondern die Weltbesten. Wer sein Kind aber richtig erziehen will, muss ihm auch Grenzen aufzeigen! Pädagogin Heidemarie Arnhold erklärt, wie das richtig geht. 

Es ist eine Szene, die vermutlich alle Eltern kennen. Der Dreijährige steht vor der Quengelware an der Supermarktkasse und verlangt nach Schokolade. Das erste Nein wird nicht akzeptiert. Das Kind schaltet hoch in den Trotzgang, die Eltern lassen sich dennoch nicht erweichen, schließlich liegt der Spross am Boden und brüllt den ganzen Markt zusammen. Die Kunden starren. Jetzt doch besser nachgeben? Man will ja nicht hartherzig erscheinen. Ist ja nur eine Kleinigkeit. Andererseits: Wenn ich die Süßigkeit jetzt kaufe, wird mir das Kind immer wieder auf der Nase rumtanzen.

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Viele Eltern scheitern dabei, ihren Kindern Grenzen zu setzen

Zimmer nicht aufräumen, Spielzeitlimits fürs Handy überziehen, abends nicht ins Bett gehen, nicht pünktlich zuhause sein: Konflikte mit Kindern sind Teil des Alltags und sie zu meistern, gehört zu den Kernanforderungen an Eltern. „Erziehung ist eine große Herausforderung“, sagt Dr. Heidemarie Arnhold, Vorsitzende des „Arbeitskreis neue Erziehung“ in Berlin. „Grenzen zu setzen gehört sicher zu den wichtigsten Aufgaben. Allerdings ist es eine Aufgabe, an der Eltern wie auch Kinder häufig scheitern.“ 

Eltern sind in der Erziehung heute viel kompetenter

Die Art der Erziehung habe sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren stark verändert, sagt Pädagogin Arnhold. „Bis in die 1980er Jahre folgte die Vorstellung von Leben einem eher eindimensionalen Bild: Schulabschluss, Ausbildung, Beruf, Rente, sagt Arnhold. Heute aber sei das Leben vielschichtiger, die Zeiten unstet, Karrieren nicht geradlinig, Rollenmodelle haben sich verändert. Erziehung ist damit anspruchsvoller geworden – und die Kompetenz von Müttern und Vätern ist mit den Herausforderungen gewachsen.

„Eltern sind heutzutage viel kompetenter als früher. Sie wissen viel mehr über Erziehung, müssen nicht nur selbst flexibel sein, sondern ihre Kinder auf unterschiedlichste Möglichkeiten vorbereiten.“ Das ganze Wissen um Erziehungsfragen habe zugleich die Anspruchshaltung von Vätern und Müttern erhöht. „Sie wollen nicht nur gut sein. Sie wollen die Weltbesten sein mit den weltbesten Kindern.“

Konflikte argumentativ austragen

Für Menschen, die bei der Grenzziehung auf frühere Zeiten verweisen, als Eltern Verbote noch kompromisslos durchgesetzt und Verstöße mit harten Sanktionen geahndet haben, hat Arnhold wenig Verständnis. „Im Vordergrund steht die Erziehung zur Demokratie“, sagt sie. Es gehe um gegenseitige Achtung, Respekt, Verständnis. Konflikte müssten argumentativ ausgetragen werden.

„Kinder brauchen klare Grenzen. Aber es ist keine Schwäche, wenn Eltern dem Kind ihr Handeln erklären. Im Gegenteil: „Es lernt, dass die Dinge sinnvoll erscheinen sollten und es schult die Kompromissfähigkeit.“ Sollten Eltern mal daneben liegen, sei auch das kein Problem. „Eltern sind keine Übermenschen, auch sie machen Fehler. Entscheidend ist, diese Fehler zuzugeben, damit die Kinder lernen, dass es kein Drama ist, Fehler zu begehen.“

Die erste Grenze: Das Gesetz

Den groben Rahmen für die Grenzziehung gibt das Gesetz vor. So dürfen Kinder beispielsweise erst ab dem Alter von sieben Jahren selbstständig einkaufen. Ab 14 Jahren dürfen sie über ihre Religion frei entscheiden, sind eingeschränkt geschäftsfähig und strafmündig. Mit 16 dürfen sie Bier, Wein und Sekt trinken und erst mit der Volljährigkeit auch Hochprozentiges. Auch Piercen und Tätowieren lassen können sich Kinder ohne Einwilligung der Eltern erst, wenn sie 18 Jahre sind. „Auch wenn manche Regeln aus der Zeit gefallen wirken, bieten sie Eltern eine erste Orientierung“, sagt Arnhold.

Entscheidungen erklären

Die eingangs beschriebene Szene vom schreienden Kind an der Supermarktkasse ist ein beliebtes Beispiel, sagt Arnhold, weil es stellvertretend für einen immer wiederkehrenden Konflikt steht: Das Kind will etwas, was ihm die Eltern nicht geben wollen. Die Antwort darauf, welche Konsequenz das Nachgeben hat, liegt eigentlich auf der Hand. „Das Instrument des Quengelns funktioniert. Also wird es das Kind das nächste Mal wieder tun“, sagt Arnhold.

Allerdings könne es gute Gründe geben, weshalb man in bestimmten Situationen nachgibt. Weil man gerade genervt oder die Zeit knapp ist, man einen stressigen Arbeitstag hinter sich hat. „In diesen Fällen sollte man dem Kind hinterher zuhause erklären, dass es eine Ausnahme war und das Jammern keineswegs immer zum Erfolg führen wird.“ Auch der Hinweis darauf, dass zu viel Schokolade der Gesundheit schadet, sei angebracht.

Altersgemäß verhandeln, Verträge abschließen, sanktionieren

Wenn sich das Kind mal wieder weigert, das Zimmer aufzuräumen oder nicht vom Handy lassen will, kann es auch mal laut werden. In solchen Fällen sind Sanktionen noch immer ein probates Mittel. Nur dürften sie nicht willkürlich und etwa im Zorn verhängt werden.

„Eltern sollten mit ihren Kindern zuvor Verträge abschließen, in denen die Aufgaben und Sanktionen klar und transparent geregelt sind.“ Zockt das Kind entgegen der Vereinbarung weiter mit dem Handy, wird das Gerät dann beispielsweise gemäß der Absprache eingezogen.

Auch das Verhandeln mit Kindern sei in Ordnung, solange es altersgemäß geschieht und das Kind die Konsequenz der eigenen Entscheidung überblicken kann. „Man kann mit einem Dreijährigen beim Klamotteneinkauf darüber verhandeln, ob er lieber die blaue oder schwarze Hose haben will. Aber nicht darüber, ob er das kochende Wasser vom Herd nehmen darf.“

Eltern seien ein Leben lang der Sparringspartner der Kinder. Schlechtes Gewissen sei ebenso ein schlechter Ratgeber wie der Wunsch, auch der beste Freund des Kindes zu sein.

Eltern müssen Vorbild sein

Elektronische Medien bergen heute in Familien zweifellos das größte Konfliktpotential. Allerdings lassen sich Regeln und Limits nur dann wirklich durchsetzen, wenn die Eltern sich selbst daranhalten. „Was man von Kindern verlangt, muss man auch selbst befolgen“, sagt Arnhold. „Wer etwa seinem Kind verbietet, während des Essens aufs Handy zu schauen, sollte das selbst auch nicht tun.“

Familienkultur entscheidend für das Setzen von Grenzen

Grundsätzlich rät Arnhold davon ab, bei der Erziehung allzu sehr auf andere Familien zu schielen. „Das erzeugt nur Konkurrenzdruck. Eltern aber müssen ihren eigenen Weg finden.“  Letztlich seien auch die eigenen Überzeugungen und der familienkulturelle Hintergrund entscheidend. Da gäbe es konservativere Lebensrealitäten ebenso wie liberalere Prägungen.

Ein Beispiel: Eltern, die selbst gerne mal am Computer spielen, sind vermutlich toleranter im Hinblick auf Handyzeiten als solche, die damit nur wenig Berührung haben. Das gelte auch für Ernährung, Bewegung oder die Frage: Darf die 14-Jährige ihren Freund mit nach Hause bringen?

Ihr Kind verbringt zu viel Zeit am Computer? Um zu erfahren, wie viel spielen noch gesund ist, lesen sie unseren Artikel: Computerspielsucht: Wenn das Online-Game die Kontrolle übernimmt“ .

Pubertierende Teenager in Schach halten

Spätestens im Schulalter treten neue Akteure ins Leben eines Kindes, die die Grenzen noch einmal in alle Richtungen ausdehnen. „Die Peergroup ersetzt die Eltern zunehmend als Normengeber. Von nun an müssen Mütter und Väter aufpassen, dass das Kind nicht abdriftet.“ Besonders anfällig für Beeinflussungen sind Teenager. „In dieser Zeit werden die Kinder risikobereiter und schlagen über die Grenzen. Das ist auch richtig so. Die Frage ist nur: Ist das, was sie tun, gefährlich oder nicht“, sagt Arnhold.

Hier sollten Eltern ihrem Gefühl vertrauen. Allerdings habe die Freiheit Grenzen: Schule schwänzen, Sympathisieren mit politisch extremistischen Gruppierungen, das Testen von Drogen seien Gründe, sofort einzuschreiten. Dass Eltern diese Probleme oft nicht allein bewältigen können, dürften sie sich nicht als persönliches Versagen anlasten. „Es gibt Dinge, die kann man nicht im Alleingang durchfechten. Dafür gibt es Familienberatungsstellen und Selbsthilfegruppen.“

Christian Parth

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