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Immunsystem stärken: Fit trotz Schmuddelwetter

Die dunkelsten Tage sind vorbei und der Frühling steht schon fast vor der Tür. Doch gerade jetzt spielt das Wetter oft die wildesten Streiche: An einem Tag scheint die Sonne, am nächsten fällt wieder Schneeregen. Für das Immunsystem kann eine solche Achterbahnfahrt der Temperaturen ganz schön herausfordernd sein. Umso wichtiger ist es, die eigenen Abwehrkräfte zu steigern – damit Erkältungsviren auch bei widrigem Wetter möglichst wenig Chancen haben. Zwei Topexperten verraten, wie das geht.

Rund um die Uhr verrichtet das Immunsystem seine Arbeit – fast immer erfolgreich und zudem meist völlig unbemerkt. Erst wenn ihm einmal ein Fehler unterläuft, der Angriff der Krankheitskeime zu mächtig wird oder es mit einem Erreger wie z.B. dem Coronavirus konfrontiert wird, macht es sich bemerkbar. „Unsere Körperabwehr ist ein evolutionär sehr ausgeklügeltes System, das seine Dienste in der Regel ziemlich zuverlässig verrichtet“, sagt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), Prof. Dr. Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Mit diesen Maßnahmen stärken Sie Ihr Immunsystem in der Übergangs-Jahreszeit:

  • Viel Bewegung, am besten draußen
  • Eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung
  • Ausreichend Schlaf
  • Eine positive Einstellung zum Leben
  • Wenig Stress
  • Der Verzicht aufs Rauchen und größere Mengen Alkohol
  • Eine nicht übertriebene Körperhygiene

Gefährlich sind vor allem Erreger, die das Immunsystem noch nicht kennt

Das Zusammenspiel einer Vielzahl von Organen, Zellen und Botenstoffen macht das Immunsystem aus. Ihm ist es zu verdanken, dass Krankheitskeime wie Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten im menschlichen Körper vielfach keine Überlebenschance haben. Mit einer wichtigen Ausnahme: Wenn es sich um Erreger handelt, die dem Immunsystem gänzlich unbekannt sind, dann wird es schwierig. Falk dazu: „Daher ist es so entscheidend, die Körperabwehr durch eine Impfung auf den Angriff dieses Erregers vorzubereiten.“ Alles andere sei wie ein Elfmeterschießen ohne Torwart.

Bei gewöhnlichen Erkältungsviren, die seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten im Umlauf sind, sieht die Sache anders aus. Ihnen hat die Körperabwehr durchaus etwas entgegenzusetzen. Schwächeln tut sie meist erst dann, wenn der Angriff der Keime wirklich massiv ist – oder sie durch falsches Verhalten geschwächt ist. „Jeder Mensch hat es zu einem bedeutsamen Teil selbst in der Hand, wie gut sein Immunsystem funktioniert“, sagt Jens Wagenknecht, Vorstandsmitglied des Deutschen Hausärzteverbands.

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Eine gesunde Lebensweise unterstützt die Körperabwehr bei ihrer Arbeit

Entscheidend sei dabei nicht, wie es die Werbung oft suggerieren wolle, die körpereigene Abwehr mit irgendwelchen Mitteln aus der Drogerie oder Apotheke zu stärken, betont Wagenknecht. „In erster Linie geht es darum, das Immunsystem durch eine gesunde Lebensweise zu unterstützen – und all das zu unterlassen, was ihm nachweislich schadet“, sagt der in Varel niedergelassene Allgemeinmediziner. Die Immunologin Falk sieht das genauso.

 

30 Minuten Bewegung im Freien am Tag halten das Immunsystem fit

Dass Bewegung an der frischen Luft dem Immunsystem guttut, ist seit Langem bekannt. Denn wenn der Kreislauf in Schwung kommt und die Lunge genügend Sauerstoff tankt, können auch die Immunzellen mit allen für sie wichtigen Substanzen versorgt werden.

Zudem produziert die Haut unter dem Einfluss von Sonnenlicht Vitamin D, selbst wenn sich die Sonne hinter einer grauen Wolkenwand versteckt. Und auch das benötigt das Immunsystem, um gut zu funktionieren. Alle Immunzellen im Blut besitzen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für Vitamin D – also Moleküle, an denen das Vitamin andocken kann.

Wie so oft geht es auch bei den Faktoren Bewegung und Sonnenlicht allerdings um das richtige Maß. Zu viele UV-Strahlen fördern bekanntlich die Entstehung von Hautkrebs. „Und auch ein Marathonlauf stellt für das Immunsystem eher eine Belastung dar“, sagt Wagenknecht. „Wer jedoch jeden Tag eine halbe Stunde spazieren oder joggen geht, Fahrrad fährt oder im Garten arbeitet, hält sein Immunsystem auf diese Weise fit.“

Außerdem sorgt die höhere Luftfeuchtigkeit draußen dafür, dass die Schleimhäute von Mund und Nase ausreichend feucht bleiben – wodurch Krankheitskeime weniger leicht in den Körper eindringen können. Trockene Heizungsluft in Innenräumen hat den gegenteiligen Effekt. Auch deswegen sind tägliches Lüften und das Schlafen bei geöffnetem Fenster so wichtig. „Wer sich viel in trockenen Räumen aufhalten muss, kann seine Schleimhäute mit salzhaltigen Nasensprays feucht halten und sollte zudem vermehrt trinken“, sagt Wagenknecht. Von abschwellenden Sprays rät der Mediziner hingegen ab: „Bei häufigem Gebrauch zerstören sie die Schleimhäute.“

Wichtige Vitamine für unser Immunsystem:

VitaminFunktionEnthalten in
Vitamin-Cfängt schädliche Radikale ab und schützt somit die Zellen des Körperspraktisch allen Obst und Gemüsesorten
Vitamin-AKurbelt die Antikörperproduktion der Immunzellen anButter, Möhren und Mangos

Obst und Gemüse versorgen die Körperabwehr mit Vitaminen und Ballaststoffen

Auch die Ernährung hat auf das Immunsystem Einfluss. Stärken lässt es sich zum Beispiel mit viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch und reichlich Ballaststoffen, die auch in Voll- und Ganzkornprodukten enthalten sind. „Eine ausgewogene Ernährung trägt unter anderem dazu bei, dass die Körperabwehr mit allen Vitaminen versorgt wird, die für ihre Funktion wichtig sind“, sagt die DGfI-Präsidentin Falk.

Eine besondere Rolle für die Immunzellen spielt das Vitamin C, das in praktisch allen Obst- und Gemüsesorten vorkommt und als sogenannter Radikalfänger dient. Das bedeutet, dass es die Zellen vor einem Angriff dieser aggressiven Moleküle schützt.

„Da es in Deutschland aber kaum Menschen gibt, die an Vitamin-C-Mangel leiden, ist es nicht nötig, das Vitamin in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu sich zu nehmen“, sagt Falk. „Wer glaubt, dass sein Immunsystem gerade besonders hart arbeiten muss, ist besser beraten, eine Orange, einen Apfel oder eine Kiwi zu essen“, empfiehlt auch Wagenknecht.

Ein weiteres wichtiges Vitamin für die Körperabwehr ist das Vitamin A, das unter anderem die Antikörper-Produktion der Immunzellen ankurbelt. Vitamin A und seine Vorstufe, das Beta-Carotin, sind zum Beispiel in Butter, Möhren und Mangos enthalten.

Eine bunte Vielfalt an Darmkeimen blockt Krankheitserreger bestmöglich ab

Ballaststoffe sind vor allem für ein gesundes Zusammenspiel der im Darm lebenden Bakterien, des Mikrobioms, entscheidend. Der Darm ist ein wichtiges Organ des Immunsystems, in dem viele Abwehrreaktionen ablaufen. „Er kann dieser Funktion aber nur nachkommen, wenn er eine Vielfalt von Darmkeimen beherbergt, die sich von Ballaststoffen ernähren“, sagt Falk. Zu viel Zucker hingegen könne diese Vielfalt aus dem Gleichgewicht bringen.

Zumindest vorübergehend geschwächt wird die Abwehr auch nach einer zu reichhaltigen Mahlzeit. Denn dann ist der Körper überwiegend mit Verdauungsarbeit beschäftigt. „Alle Systeme unseres Körpers, auch das Immunsystem, arbeiten immer dann am besten, wenn nicht ein System, etwa das Verdauungs- oder Muskelsystem, übermäßig belastet wird“, erläutert Wagenknecht.

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Ausgeschlafen, zufrieden und entspannt – all diese Faktoren stärken die Abwehr

Als wissenschaftlich bewiesen gilt zudem, dass das Immunsystem ohne ausreichend Schlaf zu schwächeln beginnt und der Körper für Infekte anfälliger wird. Ein erwachsener Mensch braucht pro Nacht etwa sieben bis acht Stunden Schlaf – Kinder deutlich mehr, ältere Menschen meist etwas weniger. Als vorteilhaft gilt es auch, jeden Abend zur ungefähr gleichen Zeit ins Bett zu gehen.

Eine positive Lebenseinstellung stärkt das Immunsystem ebenfalls. „Rein wissenschaftlich betrachtet ist dieser Aspekt zwar am wenigsten greifbar“, sagt Wagenknecht. Trotzdem hätten zahlreiche Studien gezeigt, dass Menschen, die zufrieden sind und eher optimistisch durchs Leben gehen, seltener als andere erkranken.

Übermäßiger Stress hingegen kann dem Immunsystem schaden. Wer seine Körperabwehr stärken will, sollte daher kleine Ruhepausen im Tagesverlauf einplanen oder gezielt stressreduzierende Techniken wie Yoga oder Meditation anwenden.

Tabak und Alkohol schwächen das Immunsystem

Als Gift fürs Immunsystem gelten das Rauchen und größere Mengen Alkohol. Tabakrauch greift zum einen die Schleimhäute der Lunge an, so dass diese ihre schützende Funktion verlieren und Krankheitserreger leichter eindringen. Zum anderen schädigen die im Rauch enthaltenen Substanzen die Fresszellen des Immunsystems im Atmungstrakt, die in der Lage sind, Viren und andere Keime direkt zu vernichten. Auch die Leber kann ihren Abwehrfunktionen – zum Beispiel der Produktion von Eiweißen, die für die Bildung von Antikörpern benötigt werden – nicht nachkommen, wenn das Organ in erster Linie mit dem Abbau des Alkohols beschäftigt ist.

Das Immunsystem muss mit harmlosen Keimen im Training bleiben

Ein weiterer Punkt, der für ein intaktes Immunsystem ganz wesentlich ist, allzu oft aber vergessen wird, ist der Kontakt zu eher harmlosen Keimen. „Ein Immunsystem, das beispielsweise durch übertriebene Hygienemaßnahmen überhaupt nicht mehr gefordert wird, kommt leicht aus der Übung“, sagt Wagenknecht. Die Folgen sind eine erhöhte Infektanfälligkeit und die Neigung zu Allergien.

Gerade für Kinder, deren Immunsystem noch am Anfang seines Trainings steht, ist es wichtig, dass sie mit gewöhnlichen Viren und Bakterien ausreichend in Kontakt kommen.

Bei seiner täglichen Arbeit in der hausärztlichen Praxis erlebt es Wagenknecht oft, dass insbesondere ältere Menschen den wichtigsten Schutzschild ihres Körpers, die Haut, durch übertriebene Sauberkeit schädigen. „Eine gut gefettete Haut und intakte Schleimhäute lassen viele Krankheiterreger erst gar nicht in den Körper gelangen“, sagt er. Er rät dazu, für die Körperhygiene vor allem lauwarmes Wasser zu verwenden und auf Seife und andere Reinigungsprodukte viel häufiger zu verzichten. „Schweiß, Urin und andere Ausscheidungen des Körpers, die wir als störend empfinden, sind allesamt gut wasserlöslich“, sagt er. „Um sie zu entfernen, brauchen wir eigentlich nichts anderes.“ Auch wunde Babypopos seien oft die Folge übertriebener Hygienemaßnahmen.

Pillen zur Stärkung der Abwehrkräfte haben meist nur einen Placeboeffekt

Für fast immer überflüssig halten Wagenknecht und Falk übereinstimmend auch sämtliche Nahrungsergänzungsmittel, die das Immunsystem angeblich stärken. „Organisch gesunde Menschen haben in aller Regel keinen Mangel an Zink, Selen oder anderen Substanzen, die solche Präparate oft enthalten“, sagt Falk. Daher müssten sie diese ihrem Körper auch nicht zusätzlich zuführen. „Die meisten Mittel richten zwar keinen Schaden an, aber sie helfen auch nicht wirklich“, sagt Falk.  Allenfalls hätten sie einen Placeboeffekt – das heißt, sie entfalten eine gewisse Wirkung, weil derjenige, der sie einnimmt, fest an ihre positiven Effekte glaubt. Sinnvolle Tests für jedermann, mit denen sich die eigenen Abwehrkräfte überprüfen lassen, gibt es ebenfalls nicht. Die DGfI-Präsidentin Falk hält sie aber auch nicht für nötig. „Wenn wir unseren Körper insgesamt gut behandeln“, sagt sie, „funktioniert unser Immunsystem gratis und zu jeder Zeit.“

FAQ Immunsystem stärken

Hier die häufig gestellten Fragen und Antworten zum Thema Immunsystem stärken:

Hinweis: Die hier angegebenen Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information und können eine erforderliche medizinische Beratung, Diagnose oder Empfehlung nicht ersetzen. Bei Fragen oder Symptomen im Zusammenhang mit Immunsystem stärken sollte immer ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden.

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Dr. Christine Falk

Dr. Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI)

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Jens Wagenknecht

Jens Wagenknecht arbeitet als niedergelassener Allgemeinmediziner in Varel und ist Vorstandsmitglied des Deutschen Hausärzteverbands

Anke Brodmerkel

Autorin

Anke Brodmerkel hat Biologie und Chemie studiert und lange für die Berliner Zeitung als Medizinredakteurin gearbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Flensburg und schreibt über alle Aspekte zum Thema Gesundheit – für Zeitungen, Magazine und Online-Portale. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie während eines zweijährigen Segeltörns durch Europa.