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Angst vorm Fliegen – Tipps gegen Flugangst

Während sich viele darauf freuen, endlich wieder in den Urlaub fliegen zu können, geraten Menschen mit Flugangst womöglich wieder in Bedrängnis: Ihnen kam die Reisebeschränkung schließlich nicht ungelegen. Mit der Normalisierung fällt nun eine Begründung weg, nicht ins Flugzeug steigen zu müssen. Und nun? „Man kann auf jeden Fall lernen, mit dieser Angst umzugehen“, sagt Flugbegleiter und Psychotherapeut Sascha Thomas. Sein erster und wichtigster Tipp: Die Angst auf keinen Fall ignorieren.

„Ein Drittel der Reisenden fliegt mit Angst“, sagt der Psychotherapeut Sascha Thomas. Daran hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert. Auch daran nicht, dass es immer um dieselbe Sorge geht: die Kontrolle zu verlieren.

Dabei unterscheidet der Fachmann zwischen zwei Gruppen: Die einen lassen sich von flugspezifischen Befürchtungen stressen: Was passiert zum Beispiel, wenn der Pilot versagt oder die Technik defekt ist?

„Die anderen haben eher diffuse Ängste, ihnen könnte an Bord etwas Schlimmes passieren und sie bekommen keine Hilfe.“ Thomas hat aber für alle dieselbe gute Nachricht. „Man kann zwar die Angst nicht abschaffen, aber man kann lernen, mit ihr zu fliegen.“

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Wissen vermitteln – 2 Unfälle pro 1 Million Flüge

Wissensvermittlung steht bei der Angstbekämpfung an erster Stelle. Den meisten Deutschen ist eigentlich längst bewusst, dass die Angst vor dem Fliegen unbegründet ist. Es gibt zahlreiche Statistiken, die diese Aussage bestätigen. Dass sich zum Beispiel 2020 in der weltweiten kommerziellen Luftfahrt 2,1 Flugzeugunfälle pro eine Millionen Flüge ereigneten, zeigt: Die Chance zu verunglücken ist minimal.

„Vielen hilft es, wenn man betont, dass der Sicherheitsaspekt in der Luftfahrt allerhöchste Priorität hat“, sagt Sascha Thomas. Bei der Ausbildung des Personals, der technischen Wartung und Weiterentwicklung sowie der Luftraumüberwachung. Es gibt Filme, Broschüren und Bücher zum Thema, die man sich besorgen kann, um sich mit Informationen zu beruhigen.

Manchem reicht es, einem Piloten leibhaftig zu begegnen

Und wer die Informationen lieber aus erster Hand erfahren will, der kann heutzutage aus einem großen Angebot an mehrtägigen Seminaren gegen Flugangst auswählen, in denen neben Psychotherapeuten auch Piloten Auskunft geben. Darüber, dass ein Flugzeug auch mit einem Triebwerk noch fliegen kann. Oder dass ein Durchstarten nicht dramatisch sein muss, weil dies in dieser Situation eben die sicherste Option ist – zudem tausendfach geprobt.

Am Ende eines solchen Seminar steht sogar manchmal ein innerdeutscher Flug auf dem Programm. Therapie durch Konfrontation. „Manchen Menschen reicht es aber schon, jemandem wie einem Piloten oder einem Flugbegleiter wie mir leibhaftig zu begegnen, der offensichtlich in diesem Job jahrzehntelang überlebt hat“, sagt Thomas.

Turbulenzen sind ungefährlich – es gibt keine Luftlöcher

Doch trotz aller verfügbaren Informationen: Sobald es im Flugzeug anfängt zu wackeln, steigt bei vielen die Nervosität. „Die Angst vor Turbulenzen wird dabei am häufigsten genannt“, sagt der Psychotherapeut. Sie geht meist mit der Fantasie einher, das Flugzeug könne in ein Luftloch geraten und deshalb abstürzen.

Diese Vorstellung ist auch Lufthansa-Kapitän Achim Castro Lopez sehr geläufig. Seine Antwort fällt so knapp wie klar aus: „Es gibt keine Luftlöcher.“ Und wie groß müsste so ein Nichts sein, wenn ein Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 250 Metern pro Sekunde dort hineinfallen sollte?

„Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass Turbulenzen nicht für das Flugzeug gefährlich sind, sondern für die Passagiere, die sich nicht anschnallen.“ Das Gefühl, dass Flugzeug falle, ist nur eine Illusion. Es bewegt sich schlicht nach oben und unten. Weil das mitunter sehr ruckartig passiert, sollten sich Insassen unbedingt sichern, um Verletzungen zu vermeiden.

Übrigens

Was ist ein Luftloch?Gibt es eigentlich nicht – das Gefühl man falle entsteht lediglich durch die Bewegungen von oben nach unten.
Was ist zu tun?Das wichtigste ist anschnallen und Ruhe bewahren, denn für das Flugzeug ist es ungefährlich.

 

 

 

 

Turbulenzen bei Schlechtwetter werden häufig umflogen

Die Anschnallempfehlung gilt immer, auch wenn der Blick aus dem Fenster nichts Besonderes erahnen lässt. Denn so genannte Clear Air Turbulences (CAT) tauchen auch bei schönstem Wetter auf. Sie entstehen dort, wo verschiedene Winde aufeinandertreffen. Zu sehen sind sie nicht und auch auf dem Wetterradarsystem werden sie nicht abgebildet.

Dieser Umstand macht die Turbulenzen problematisch und für viele Passagiere so unangenehm. „Vorausfliegende Piloten warnen einen dann schon mal vor“, sagt Castro Lopez und gegebenenfalls werden daraufhin die Routen neu geplant. Ansonsten helfen Erfahrungswerte bei der Einschätzung: „Häufig treten stärkere CAT im Frühjahr und im Herbst rund um den Jetstream auf“, sagt Castro Lopez.

Turbulenzen, die sich mit Schlechtwetterwolken ankündigen und auch im Radar gut dargestellt werden, sind deshalb weniger kritisch. Sie werden, wenn möglich und nötig, weiträumig umflogen.

Mit den Bewegungen mitgehen – wie beim Surfen

Auch Wirbelschleppen, die durch vorausfliegende schwere Flugzeuge zurückbleiben, können für Wackeleien sorgen. „Da kommt es für viele zu einem Schreckmoment, aber die Situation ist nicht gefährlich.“ Ebenso treten Verwirbelungen durch Berge, Bäume oder Gebäude im An- und Abflugbereich auf. „Da verhält sich Luft ähnlich dem Wasser, das durch Steine oder Buhnen seine Richtung ändert“, so der Pilot.

Ein Tipp von Sascha Thomas: Er beobachtet immer wieder, dass viele Passagiere bei Turbulenzen jeglicher Art sofort verkrampfen. „Die Starre macht es aber nur schlimmer.“ Stattdessen sollte jeder mal versuchen, mit den Bewegungen mitzugehen. Wie beim Surfen.

Tipps gegen Flugangst

  1. Wählen Sie Sitzplätze über den Tragflächen. Hier sind die Bewegungen des Flugzeugs weniger zu spüren. Die Sitze am Gang geben einem das Gefühl, mehr Platz zu haben.
  2. Trinken Sie kurz vor- und während des Fluges keinen Alkohol.
  3. Melden Sie sich beim Personal und sagen Sie, dass Sie Angst haben. Nur so können sich Flugbegleiter auf Sie einstellen und Sie beruhigen.
  4. Versuchen Sie, sich mit einfachen Übungen zu beruhigen, etwa mit der Muskelentspannung nach Jacobsen: Zunächst spannen Sie bestimme Muskelpartien – zum Beispiel die Hand zur Faust – für einige Sekunden an und entspannen sie anschließend wieder vollständig. Die Übungen sollte man allerdings im Alltag trainieren, um Routine zu entwickeln.
  5. Die 5-7-8 Atemtechnik hilft gegen Stress und Panik: Atmen Sie langsam und bewusst vier Sekunden lang durch die Nase in die Lunge ein, halten Sie die Luft sieben Sekunden lang an und atmen Sie langsam acht Sekunden lang durch den Mund mit zusammengepressten Lippen aus.

Medizinischer Notfall – Hilfe an Bord kommt schneller als anderswo

Wer weiß, dass er Angst hat, sollte sich immer den Flugbegleitern anvertrauen. „Sonst wissen die nicht, warum sich ein Passagier mitunter komisch verhält.“ Thomas erinnert sich an die Aussage eines Passagiers, der sein Bedürfnis ganz klar auf den Punkt brachte. „Er brauche da oben nur eine gute Mutter. Diese Rolle übernehmen Flugbegleiter gerne. Das ist deren tägliches Brot.“

Wer sich als Angstpassagier zu erkennen gibt, wird besonders umsorgt. Auf die konkrete Frage, was in einem medizinischen Notfall passiert, gibt es eine konkrete Antwort. „Das Personal ist in Erster Hilfe ausgebildet“, sagt Thomas. „Die Hilfe kommt zu einem Passagier an Bord im Zweifel sogar schneller als zu jemandem, der zuhause einen Herzinfarkt erleidet.

„Die Abläufe sind eindeutig geregelt, wie zum Beispiel die Kontaktaufnahme mit einem Ausweichflughafen und der klinischen Versorgung.“ Im Hintergrund laufen eingeübte Routinen, von denen die Passagiere schlicht nichts wissen.

Längerfristige Therapie statt kurzfristiges Coaching?

Andere Menschen wiederum können ihre Angst nicht klar definieren. „Sie sprechen davon, in eine Lage zu geraten, in der man Hilfe benötigt, aber sie nicht bekommt.“ Doch diese Sorge begleitet die Menschen auch anderswo: Bei einem Ausflug, im Auto oder in der Bahn, mit dem Fliegen selbst hat sie nichts zu tun. „Das Flugzeug wirkt natürlich extra bedrängend, weil man nicht einfach aussteigen kann.“

Als Psychotherapeut versucht Thomas zu erklären, dass die Angst grundsätzlich nicht krankhaft ist. „Sie ist eine biologisch normale Reaktion und darf Raum haben.“ Man müsse sich nur darüber im Klaren sein, wann sie ihre Schutzfunktion verliert und sich selbstständig macht.“ Ist das der Fall, reicht womöglich ein einfaches Coaching vor dem Flug nicht aus. Dann bedarf es einer längerfristigen Therapie, um die zugrundeliegenden Ursachen zu klären.

Kalte Getränke und Entspannungsübungen helfen

Ängstliche Menschen sollten sich vor dem Flug bewusstmachen, dass sie mitunter höchstsensibel auf kleinste Veränderungen um sie herum reagieren. Der Luftdruck im Flugzeug sinkt, der Sauerstoffgehalt nimmt ab. Das sind aber keine bedrohlichen Bedingungen und ähneln etwa denen auf der Besucherplattform der Zugspitze. Allerdings reichen manchmal kleine Abweichungen, um fälschlicherweise Angst aufzulösen.

„Menschen fangen an zu schwitzen, klagen über Luftnot und das Herz rast.“ Der Körper ist auf Flucht eingestellt, ohne dass es eine reale Gefahr gibt. „Wichtig ist, dass die Menschen verstehen, was mit ihnen passiert und was sie tun können, wenn sich Anzeichen von Panik bemerkbar machen.“

Im akuten Fall helfen Getränke – wenn möglich kaltes Wasser -, Atem- und Entspannungsübungen. Die sollte man natürlich vor dem Flug schon ausreichend geübt haben. Die Angst verschwindet so nicht, wird aber kontrollierbar. „Am Ende geht es darum, sich nicht von der Angst diktieren zu lassen, das Fliegen zu vermeiden.

Sollten die Maßnahme alle nicht helfen, lohnt es sich, die Motivation ehrlich zu hinterfragen. Will ich überhaupt fliegen? „Ich habe schon erlebt, dass manche nur dem Druck von außen nachgeben“, sagt Sascha Thomas. Etwa durch die Familie, die unbedingt eine Fernreise machen will. „Dann können sie hundert Kurse machen, sie werden nicht einsteigen.“

Quelle:

  • Unfälle im weltweiten Flugverkehr bis 2021, Veröffentlicht von Statista Research Department, 07.03.2022)

Ina Henrichs

Autorin

Ina Henrichs arbeitete nach einem Volontariat bei der Mitteldeutschen Zeitung zunächst als Redakteurin und später als freie Journalistin unter anderem für den Kölner Stadt-Anzeiger. 2015 wurde sie mit dem Deutsch-Französischen Journalistenpreis, 2017 mit dem  „Publizistik-Preis Senioren“ ausgezeichnet. Studiert hat sie Französisch und Englisch.