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Wenn es im Gebirge kracht – lebenswichtige Tipps für Wanderer

Die Gefahr, von einem Blitzeinschlag getroffen zu werden, ist gering. Dennoch kann ein Gewitter gerade im Gebirge zu einer großen Gefahr werden. Wetterumschwünge kommen plötzlich, die Möglichkeiten des Schutzes sind in den Felsen gering. Wir verraten, was zu tun ist, wenn man auf der Wanderung vom Donnergrollen überrascht wird.

Gut 1,5 Millionen Blitze donnerten im Jahr 2024 in Deutschland aus den Gewitterwolken auf die Erde nieder. Das zeigen Zahlen des Unternehmens für Blitzortung Nowcast. Die größte Wahrscheinlichkeit, von einem Blitzeinschlag überrascht zu werden, besteht für die Bewohnerinnen und Bewohner Bayerns. Dort krachten die Kiloampere mehr als 350.000-mal zur Erde. Auf den Plätzen zwei und drei folgten mit deutlichem Abstand die Bundesländer Niedersachsen und Baden-Württemberg. Der blitzreichste Monat war der Statistik zu Folge der Juni mit etwa 460.000 Entladungen. 

„Gut 100 Menschen kommen pro Jahr deutschlandweit durch einen Blitzeinschlag zu Schaden, vier sterben im Schnitt. ”

Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, ist etwas höher als der berühmte Sechser im Lotto, aber dennoch gering. Gut 100 Menschen kommen pro Jahr deutschlandweit durch einen Blitzeinschlag zu Schaden, vier sterben im Schnitt. Gerade im Gebirge kann ein Gewitter sehr gefährlich werden. Und das liegt daran, dass sich hier zwei Faktoren unheilvoll verbinden: Gewitter tauchen in den Bergen oft unvermittelt und ohne große Vorlaufzeit auf. Zudem bieten die einsamen Felsen und Almwiesen kaum Schutz vor den Gefahren des Wetterphänomens.

Gewitter im Gebirge erkennen

Wer sich schützen will, muss zunächst gut vorbereitet sein. Vor dem Aufbruch zu einer Wanderung heißt es deshalb: Wetterlage checken und Route entsprechend planen. Zuverlässige Informationsquellen bieten nach Auskunft von Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein der öffentlich-rechtliche Rundfunk (für Bayern BR, für Österreich ORF) sowie die Wetterapp Meteoblue oder der Alpine Bergwetterbericht des Alpenvereins. Spezielle Bergwetterberichte liefern oft die genausten Informationen. 

„Am besten, Sie kombinieren zwei Angebote“, sagt Winter, der beim Deutschen Alpenverein (DAV) die Ressortleitung Sportentwicklung innehat und das Krisenmanagement koordiniert. Kurzfristiges Checken gebe die größte Gewissheit, für den nächsten und vielleicht übernächsten Tag seien die Angaben nämlich mittlerweile sehr zuverlässig. Je größer die Vorhersagespanne, umso mehr Fehler würden aber auch gute Wetterberichte bergen. 

„Für den nächsten und vielleicht übernächsten Tag seien die Angaben mittlerweile sehr zuverlässig. ”

„Natürlich gibt es manchmal ein Mega-Hoch vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer, das hält sich oft bis zu einer Woche. Aber grundsätzlich kann man den Vorhersagen, die drei bis fünf Tage in der Zukunft liegen, nur noch die Schulnote befriedigend geben.“ 

Immer wieder selbst die „Lage“ checken

Auch die eigene Beobachtungsgabe spiele für Bergsteiger eine große Rolle. „Ein typisches Zeichen für ein sich ankündigendes Wärmegewitter sind Quellwolken, die schon vormittags langsam an den Bergflanken nach oben steigen und sich im Laufe des Tages aufbauschen. Meist entladen die sich dann am Nachmittag“, sagt Winter. Wer solche turm- oder ambossförmigen Cumulus-Wolken beobachte, der tue gut daran, nur den Vormittag für die Wanderung zu nutzen.

„Die Primetime für Gewitter ist dann meist ab 15 Uhr.”
Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein

Dann sind die Temperaturen niedriger und die Luft stabiler, was die Gewitterwahrscheinlichkeit deutlich reduziere. Schon um die Mittagszeit gelte es dann aber, für den Notfall eine Schutzhütte ins Visier zu nehmen, und am frühen Nachmittag wieder im Tal zu sein. „Die Primetime für Gewitter ist dann meist ab 15 Uhr“, sagt Winter. Auch ein auffrischender Wind, elektrisches Surren in der Luft oder Donnergrollen seien Alarmzeichen. Die Botschaft: Jetzt ist es an der Zeit, sich schleunigst in Sicherheit zu bringen.

„Frontgewitter“ sind gefährlich

Besonders gefährlich für Wanderer sind aber auch Frontgewitter. Sie entstehen, wenn kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen, und kommen ganzjährig vor. Die kalte Luft schiebt sich unter die warme, wodurch starke Aufwinde entstehen, die mächtige Gewitterwolken bilden. „Sie können wie eine Walze durch die Täler ziehen. Je enger das Tal, umso höher die Geschwindigkeit“, sagt Winter. 

Nähert sich die heranziehende Kaltfront hinter einem nicht einsehbaren Bergrücken, könne man sich kaum vorbereiten und wo eben noch strahlend blauer Himmel lachte, kann in einer halben Stunde schon ein Gewitter mit Hagelschlag toben. Gerade die Neigung von Frontgewittern, sich von heftigen Niederschlägen und starken Winden begleiten zu lassen, macht sie für Bergsteiger gefährlich.

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Vorbereiten auf den Ernstfall

Wer zu einer Wanderung ins Gebirge aufbricht, sollte deshalb bei schwül-warmer Witterung immer auf ein Gewitter gefasst sein und das beim Packen bedenken. „Auch wenn der Tag hohe Temperaturen und viel Sonnenschein verspricht, sollte man dann immer eine Regenjacke, einen Pullover und gegebenenfalls eine Mütze dabeihaben – so ein Gewitter kann gerade mit Regenbegleitung zu einem Temperatursturz von bis zu zehn Grad führen. Dann droht Unterkühlung“, sagt Winter.

Sinnvoll sei es, immer eine Wärme speichernde Rettungsdecke in den Rucksack zu packen. Im besten Fall habe man auch einen Biwaksack aus Nylon dabei, eine Außenhülle für Schlafsäcke. Wer sich im Falle eines Gewitters in die Rettungsdecke wickle und dann in den Sack setze, der sei schon einmal relativ gut vor der Kälte geschützt, so Winter. Auch eine Notapotheke sowie eine Akku-Powerbank sollten Bergsteiger für den Fall eines Wetterumschwungs immer im Gepäck haben.

„Sinnvoll sei es, immer eine Wärme speichernde Rettungsdecke in den Rucksack zu packen. ”

Riskante Orte unbedingt schnell verlassen

Auch im Gebirge gibt es sicherere und weniger sichere Orte, während ein Gewitter um einen tobt. Schnell verlassen sollte man exponierte Stellen wie beispielsweise einen Felsgrat oder Gipfel. Wer sich bei einem Wetterumschwung hier befindet, sollte zügig, aber vorsichtig absteigen. Sehr gefährlich seien während eines Gewitters Klettersteige, da die Drahtkabel Blitzeinschläge anzögen. „Manche Klettersteige haben Notausstiege, die sollte man auf jeden Fall nutzen, wenn sich ein Gewitter ankündigt“, rät Winter. 

Um Flüsse oder Gewässer sollten Wanderer selbstverständlich einen großen Bogen machen. Meiden sollte man zudem jedes freistehende Objekt wie Wegschilder, Gipfelkreuze oder Telefonmasten. Auch unter einzelnen Bäumen Schutz zu suchen, sei keine gute Idee. Selbst wenn es gerade bei Regen oder Hagel verlockend erscheine, die Baumkrone als Regenschirm zu nutzen, lauert hier Gefahr. Schlägt ein Blitz in den Baum ein, fließt der Strom am Baum entlang und kann dabei vom Baum auf die darunter stehende Person überschlagen. Die Wirkung ist nicht wesentlich schwächer als bei einem direkten Einschlag. 

Abstände in Gruppen vergrößern, kleine Höhlen meiden

Eine ähnliche Gefahr des Stromüberschlags bestehe auch für denjenigen, der in Gruppen unterwegs sei, weshalb die Abstände zwischen den Wandernden bei einem Gewitter auf mindestens fünf Meter vergrößert werden sollten. Auch Höhlen böten nur dann Schutz, wenn sie wirklich groß genug seien. „Als Faustregel gilt: Sowohl zur Decke als auch zu jeder Seite muss mindestens eine Körperlänge Platz sein, sonst kann auch hier der Strom überspringen“, sagt Winter. 

Wanderstöcke oder Eispickel aus Metall sollte man ebenfalls einige Meter von sich wegwerfen. Das Mobiltelefon kann anbleiben, zum Akkustrom-Sparen sollte man es eher ausschalten. „Den Notruf können Sie auch offline wählen“, sagt Winter. 

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Schützender Ort, schützende Haltung

Der sicherste Ort im Gebirge bei Gewitter sei die Schutzhütte – vor allem diejenige mit ausreichender Blitzschutzanlage. Vor dem Aufbruch sollten Wanderer deshalb auf jeden Fall die Einkehrmöglichkeiten checken. Auf der Seite des Alpenvereins (alpenvereinaktiv.com) sind alle Hütten verzeichnet. Manchmal sei freilich das Wettereignis zu überraschend, um noch die nächste Behausung aufsuchen zu können. 

Wütet das Gewitter im Gebirge über einem, sei es deshalb am besten, eine Senke oder Mulde aufzusuchen, dort seinen Rucksack auf den Boden zu legen und sich mit geschlossenen Beinen und eingezogenem Kopf darauf zu kauern. Der Rucksack verhindere, dass Kriechstrom den Körper erreiche, die geschlossenen Beine hätten den Vorteil, dass eventuell vorhandener Strom von Blitzen nicht im Stromkreislauf durch die Beine flösse. 

Der Wald sei als Aufenthaltsort geeigneter als eine Felsenlandschaft, ganz sicher sei man hier allerdings nicht. „Auch hier kommt es zu Blitzeinschlägen“, sagt Winter.

„Der Rucksack verhindere, dass Kriechstrom den Körper erreiche. ”

Mit dem Klimawandel steigt die Anzahl der Gewitter im Gebirge

Der wichtigste Tipp sei vielleicht, auch in einem tobenden Gewitter die Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen. Dadurch sei schon der ein oder andere, dem das Gewitter vielleicht gar nichts angehabt hätte, abgestürzt oder habe sich verletzt, so Winter. 

Wer nicht mehr weiter wisse, rufe über den Notruf die Bergwacht an. „Das sollte man niemals leichtfertig tun, aber lieber einmal zu oft als einmal zu spät“, rät Winter. Das kann auch nach dem Gewitter noch nötig sein, denn nicht selten kommt es gerade nach heftigen Regenfällen zu Steinschlag oder Erdrutsch, die ein sicheres Absteigen aus eigener Kraft nicht mehr möglich machen.

Mit dem Klimawandel steige auch die Anzahl und damit Gefahr von Gewittern im Gebirge. Beschränkten sich Wärmegewitter früher auf die Hochsommermonate, so komme es laut Winter vom Deutschen Alpenverein mittlerweile schon im April zu gewitteraffinen Hitzetagen im Gebirge. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit transportiert sie und desto mehr wächst die Gewitterenergie. Die Anzahl der Blitze könnte verraten, wohin sich die Lage entwickelt. 2024 jedenfalls war sie so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr. In den Alpen hat sich die Blitzaktivität in einem Zeitraum von 40 Jahren gar verdoppelt.

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Stefan Winter

Experte

Deutscher Alpenverein 

Claudia Lehnen

Autorin

Claudia Lehnen wollte als Jugendliche Ärztin werden, entschied sich dann aber dafür, lieber über Medizin und Menschen und ihre Krankheits- und Genesungsgeschichten zu berichten. Die in Köln niedergelassene Journalistin, die im Tageszeitungs-Journalismus zu Hause ist, ist unter anderem auf das Themengebiet Gesundheit spezialisiert.