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„Süßes Blut“: Warum manche Menschen besonders häufig von Mücken gestochen werden – und wie man sich schützen kann

Der Klassiker: Ein Pärchen schläft zusammen in einem Zimmer. Am nächsten Morgen ist sie übersät mit Mückenstichen, er wurde kein einziges Mal gestochen. „Du hast eben süßes Blut“, sagt er dann, ausgeschlafen und entspannt nach einer ruhigen Nacht, während sie übermüdet ist und sich am liebsten die Beine blutig kratzen würde. Aber: Ist da was dran? Werden manche Menschen häufiger gestochen als andere? Wenn ja: Sind Frauen bei Mücken beliebter als Männer? Und spielt dabei wirklich „süßes Blut“ eine Rolle? 

Werden manche Menschen häufiger gestochen als andere?

„Eine Zeit lang dachte man, dass manche Menschen nur das Gefühl haben, häufiger gestochen zu werden als andere. Oder dass sie intensiver auf die Stiche reagieren“, sagt Marcus Stensmyr, Doktor der Biologie an der Universität Lund in Schweden. „Aber das stimmt nicht. Wenn man im Labor hundert Menschen testet, sieht man ganz klar, dass Mücken gewisse Menschen bevorzugen und andere nicht.“ 

„Im Labor sieht man ganz klar, dass Mücken gewisse Menschen bevorzugen und andere nicht.”
Marcus Stensmyr

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Studien mit Zwillingen, berichtet Dr. Hanan Adib-Tezer, Oberärztin und Leiterin des interdisziplinären Allergiezentrums der „Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken“ in Wiesbaden. „Eineiige Zwillinge wurden etwa gleich häufig gestochen, während zweieiige Zwillinge, die sich ja genetisch unterscheiden, unterschiedlich häufig gestochen wurden. Diese Ergebnisse zeigen uns, dass Mücken tatsächlich bestimmte Menschen bevorzugen.“ 

Woran liegt es, dass Mücken manche Menschen bevorzugen?

Dazu müssen wir uns anschauen, wie die Mücke ihre Beute – also uns – überhaupt findet. Wichtig dabei: Es gibt rund 50 Mückenarten in Deutschland und es stechen nur die Weibchen. Die Mücke an sich, sagt Marcus Stensmyr, sei kurzsichtig, auf die Distanz kann sie also nicht besonders gut sehen. „Aber sie nimmt Kontraste wahr. Sie sucht gezielt nach Objekten, die sich vom Hintergrund abheben und bewegen. Dort fliegt sie hin.“ 

Ab einer gewissen Entfernung kann die Mücke dann das Kohlendioxid wahrnehmen, das wir ausatmen. Kurze Zeit später spürt sie auch unsere Körperwärme. „Das sind für die Mücke die entscheidenden Hinweise darauf, dass es sich um ein Lebewesen handelt“, sagt Stensmyr. 

Im Rückschluss bedeutet das aber auch: „Ein hoher Kohlendioxid-Gehalt wirkt anziehend auf Mücken“, sagt Ärztin Hanan Adib-Tezer. Wer also eine hohe Atemfrequenz und/oder eine erhöhte Körpertemperatur hat, wird von der Mücke leichter gefunden – und im Zweifelsfall auch eher gestochen. Das trifft zum Beispiel auf korpulente und alkoholisierte Menschen sowie Schwangere zu. 

„Ein hoher Kohlendioxid-Gehalt wirkt anziehend auf Mücken.”
Dr. Hanan Adib-Tezer

Wie ist es mit dem süßen Blut?

Nun könnte man denken: Bei dem Pärchen, das im Bett nebeneinander liegt und schläft, hat die Mücke gleich doppelte Beute. Trotzdem wird das Insekt höchstwahrscheinlich nur einen von beiden stechen. „Wenn die Mücke die Wahl zwischen zwei Menschen hat, dann wählt sie“, sagt Marcus Stensmyr. Wen sie wählt, hat aber höchstwahrscheinlich nichts mit der Blutgruppe zu tun. Es gebe zwar Studien, die darauf hindeuten, dass die Blutgruppe eine Rolle spielen könnte – und dass manche Mückenarten Menschen mit Blutgruppe 0 bevorzugen würden. 

„Es gibt aber genauso viele Studien, die absolut keinen Zusammenhang feststellen können. Und ich persönlich glaube auch nicht daran“, sagt Stensmyr. Der Genetiker ist überzeugt: „Es hängt alles vom Geruch ab. Manche Menschen riechen für Mücken einfach sehr gut und ziehen sie wie ein Magnet an.“ Marcus Stensmyr forscht seit 30 Jahren zum Geruchssinn von Insekten, seit zehn Jahren beschäftigt er sich im Speziellen mit Mücken. 

Koerpergeruch
„Es hängt alles vom Geruch ab. Manche Menschen riechen für Mücken einfach sehr gut.”
Marcus Stensmyr

Wie entsteht unser Körpergeruch?

Dabei rieche unsere Haut an sich kaum, sagt Stensmyr. Entscheidend sei die Bakterienbesiedlung auf unserer Haut. Wenn wir schwitzen, zersetzen die Bakterien auf der Hautoberfläche den Schweiß. Erst dadurch entsteht der individuelle Körpergeruch. „Manche Menschen haben wohl eine Zusammensetzung von Bakterien, die Mücken mögen – und andere eben nicht.“

Welches menschliche Bouquet Mücken bevorzugen, konnten Stensmyr sowie Expertinnen und Experten auf der ganzen Welt bisher noch nicht herausfinden. Das liegt auch daran, dass der menschliche Körpergeruch sehr komplex und bisher noch nicht komplett entschlüsselt ist. 

Stensmyr vermutet übrigens, dass es für Mücken neben den Kategorien „riecht sehr gut“ und „riecht sehr schlecht“ noch eine dritte Gruppe von Menschen geben könnte: Nämlich solche, die für Mücken nicht „menschlich“ riechen. „Wir nehmen das zumindest für solche Mücken an, die darauf spezialisiert sind, Menschen zu stechen, wie die Malariamücke oder die Gelbfiebermücke. Sie haben ein bestimmtes Suchprofil und gewisse Menschen scheinen da herauszufallen. Sie werden einfach nicht gestochen.“ 

Werden Frauen häufiger gestochen als Männer?

Außerdem scheint es auch nicht so zu sein, dass der weibliche Körpergeruch mehr Mücken anzieht als der männliche – anders als wir das in unserem Eingangsbeispiel vom schlafenden Pärchen plakativ vermuten ließen. „Obwohl Männer im Durchschnitt etwas mehr schwitzen als Frauen, gibt es keine Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit von Mückenstichen“, sagt Ärztin Hanan Adib-Tezer. 

Wohl aber im Alter: Kinder werden auffallend häufig gestochen. „Das liegt insbesondere daran, dass Kinder eine höhere Körpertemperatur und eine dünnere Haut haben“, sagt Adib-Tezer. Und daran, dass sie sich gerne dort aufhalten, wo sich auch die Mücken wohlfühlen: im Freien, in der Nähe von Pfützen. Komplett ins Spiel vertieft, bemerken sie nicht, wenn sich eine Mücke auf ihrem Arm niederlässt und zusticht. Dazu kommt, ergänzt Marcus Stensmyr, dass das Immunsystem von Kindern noch nicht so ausgereift sei wie das von Erwachsenen. 

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„Kinder werden wegen ihrer höheren Körpertemperatur und dünneren Haut besonders oft gestochen. ”

„Deswegen reagieren die meisten Kinder stärker auf einen Stich, sie entwickeln rote Flecken und kratzen sich häufiger.“ Das wiederum kann dazu führen, dass sich eine bakterielle Entzündung an der Einstichstelle entwickelt. 

Warum jucken Mückenstiche überhaupt?

Wenn Mücken zustechen, bohren sie ihren „Rüssel“ in unsere Haut. „Bevor sie Blut saugen, geben sie Speichel ab, der Proteine enthält. Diese betäuben die Einstichstelle und hemmen die Blutgerinnung“, erklärt Allergie-Expertin Hanan Adib-Tezer. „Unser Organismus erkennt diese Proteine als Gefahrensignal und beginnt sofort mit einer Immunreaktion: Dabei setzen Immunzellen an der Einstichstelle Botenstoffe wie Histamin frei.“ Das führt zu einer Erweiterung der Gefäße mit Flüssigkeitsaustritt in das Gewebe. Die Folgen sind bekannt: Rötung, Schwellung, Juckreiz. 

Wie stark man auf den Speichel der Mücke reagiert, sei unterschiedlich, sagt Adib-Tezer. „Es könnte auch eine Allergie gegen Stechmücken vorliegen, die zu einer verstärkten und länger andauernden lokalen Reaktion führen kann.“ Linderung verschaffen rezeptfreie Antihistaminika-Gele oder leichte Kortison-Cremes, die sofort nach dem Stich aufgetragen werden sollten. Schmerze die Stelle stark und werde heiß, spätestens aber, wenn Fieber und Unwohlsein hinzukämen, sei ein Arztbesuch unerlässlich, warnt Hanan Adib-Tezer. 

Wie kann man sich vor Mückenstichen schützen?

Doch am besten soll es ja gar nicht erst so weit kommen. Viel besser wäre es doch, wenn wir uns schon vor dem Stich schützen könnten. Und dafür gibt es auch einige Methoden, sagen Hanan Adib-Tezer und Marcus Stensmyr. An unserem individuellen Körpergeruch können wir zwar nichts ändern – doch es gibt Insektenabwehrmittel, sogenannte Repellents. „Damit schützt man sich am wirkungsvollsten“, sagt Hanan Adib-Tezer. Die Mittel kann man als Spray, Creme oder Lotion auf die Haut auftragen, manche bieten zusätzlich sogar Sonnenschutz. 

„Es reicht nicht, den Mückenschutz wie ein Parfüm aufzutragen“, sagt Marcus Stensmyr. Man müsse alle Stellen einschmieren, die nicht von Kleidung bedeckt sind. „Vergisst man an der Hand den kleinen Finger, werden die Mücken einen dort stechen.“ 

„Insektenabwehrmittel, sogenannte Repellents, helfen. Vergisst man aber an der Hand den kleinen Finger, werden die Mücken einen dort stechen.”
Marcus Stensmyr

Die meisten Mückenschutzmittel in Europa enthalten DEET, erklärt Stensmyr, einen künstlich hergestellten Wirkstoff, den das US-amerikanische Militär in den 1940er und 1950er Jahren entdeckt hat. Man wisse nicht richtig, wie DEET funktioniert, nur, dass die Mücken es nicht mögen. Vermutlich verändere der Stoff die Geruchswahrnehmung der Mücke. Und er lege sich wie ein Filter auf die menschliche Haut und sorge so dafür, dass unsere persönlichen Duftmoleküle gar nicht nach außen dringen. 

DEET wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen. „Das Mittel ist nicht giftig für uns oder andere Tiere, auch Kinder können ihn nutzen. Aber er klebt, riecht nicht gut und schmilzt Plastik.“ Deswegen empfiehlt Stensmyr, Repellents wirklich nur dann einzusetzen, wenn es nötig ist. Er findet: „Es ist an der Zeit für bessere Mückenschutzmittel.“ 

Welche natürlichen Mittel schützen vor Mücken?

Stensmyr und sein Team testen im Labor schon lange natürliche Hausmittel, die Menschen seit Jahrhunderten anwenden, um Mücken zu verschrecken. Mit vielversprechenden Ergebnissen: „Wir haben herausgefunden, dass Grapefruit und Katzenminze sehr effektiv gegen Mücken sind“, so der Wissenschaftler. Katzenminze wirke auf die Schmerzrezeptoren der Mücke, Grapefruit auf die Signalweitergabe im Gehirn, was zu Spasmen und schließlich zum Tod der Mücke führe. 

„Leider hilft es weder, Grapefruit zu essen, noch, sich damit einzucremen. Denn der wirksame Stoff sitzt in der Schale. Wir müssten uns mit ungefähr 30 Kilogramm Grapefruit eincremen, damit es einen Effekt hat“, so Stensmyr. Ein solches Mittel muss also hochkonzentriert erzeugt werden. Noch gibt es das nicht, denn der Weg vom Labor über Testungen bis hin zur Großproduktion ist lang und kostspielig, weiß Stensmyr. „Aber ich bin mir sicher, dass es solche Mittel bald auch zu kaufen gibt.“ 

Bis es so weit ist, hat der Wissenschaftler noch ein paar Alltagstipps parat: Wer sich vor Mückenstichen schützen wolle, solle möglichst helle Kleidung tragen – hellblau, rosa oder mintgrün. „Diese Farben assoziieren Mücken nicht mit Menschen, denn sie suchen ja immer nach einem dunklen Kontrast.“ Deswegen sollte man möglichst nicht in dunklen Trainingskleidern joggen gehen oder draußen Sport machen. 

„Wer sich vor Mückenstichen schützen möchte, sollte möglich helle Kleidung tragen: hellblau, rosa oder mintgrün. ”

„Am besten sollte man natürlich gar nicht joggen gehen“, sagt Stensmyr. „Denn wenn man joggt, wird man warm und atmet mehr, dann findet einen die Mücke schneller.“ Er lacht und rät: „Wenn man draußen ist, sollte man am besten rosa Kleidung tragen und nur langsame und geschmeidige Bewegungen machen.“ Na, das hört der innere Schweinehund doch gerne! 

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Marcus Stensmyr

Experte

Doktor der Biologie an der Universität Lund in Schweden

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Dr. Hanan Adib-Tezer

Expertin

Oberärztin und Leiterin des interdisziplinären Allergiezentrums der „Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken“ in Wiesbaden