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Tollwut: Weltbekannt und gefürchtet

Deutschland ist seit einigen Jahren tollwutfrei (terrestrische Tollwut). Also warum ein Artikel über das Tollwutvirus? Ganz einfach: Das Virus ist fast auf der ganzen Welt verbreitet; und gerade in beliebten Fernreisegebieten wie Indien, Südostasien, China und Afrika sterben nach wie vor zwischen 50.000 und 100.000 Menschen pro Jahr an Tollwut. Wir möchten Ihnen die wichtigsten Informationen zum Tollwutvirus geben und Sie dafür sensibilisieren, wie wichtig es ist, diese Erkrankung ernst zu nehmen. Damit Ihre nächste Fernreise zu einem schönen Erlebnis für Sie wird – und Sie gesund nach Hause zurückkehren.

Unser Experte für Tropen-Medizin, Dr. Hinrich Sudeck, erläutert in diesem Artikel alle wichtigen Aspekte des Tollwutvirus.

Alles andere als harmlos: Tollwut endet in fast 100 Prozent der Fälle tödlich

Die Tollwut ist eine seit der Antike bekannte und gefürchtete Erkrankung des Nervensystems, die vom Tier auf den Menschen übertragen wird – und zwar durch einen Biss oder Speichelkontakt. Unterschieden wird zwischen der sogenannten terrestrischen Tollwut, also der Tollwut bei Tieren, die nicht fliegen können wie Füchse, Wild- und Haustiere, und der Fledermaustollwut, die es auch in Deutschland immer noch gibt. Zur Fledermaustollwut später mehr. Bis heute existiert für die Erkrankung keine Therapie. Sind beim Patienten erst einmal Symptome der Tollwut ausgebrochen, so ist eine lebensrettende Behandlung nicht mehr möglich. Die Tollwut führt dann in fast 100 Prozent der Fälle zum Tode.

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Übrigens: Der Erreger kommt weltweit vor, außer in Neuseeland und Tasmanien.

Einziges Mittel gegen Tollwut: Impfen

Aus diesem Grund ist eine Impfung als vorbeugende Maßnahme so wichtig. Hierzu werden sogenannte aktive Impfstoffe verwendet, die zum Aufbau der eigenen Immunität führen. Außerdem sind regelmäßige Auffrischungen empfehlenswert. Wenn Sie Ihren Impfstatus nicht kennen, suchen Sie vor einer Fernreise am besten Ihren Hausarzt auf. Wurde eine Person ohne eine vorbeugende Impfung mit dem Virus infiziert, kann vor dem Auftreten von Symptomen durch eine nachträgliche Impfung geholfen werden. Diese „postexpositionelle Vakzinierung“ mit sogenannten passiven Impfstoffen sollte schnellstmöglich nach dem Biss bzw. der Infizierung mit dem Tollwutvirus erfolgen.

In Ländern mit einer guten medizinischen Versorgung ist eine nachträgliche Impfung kein Problem. Anders sieht es allerdings in Ländern mit einer schlechten medizinischen Infrastruktur aus, wozu eben auch viele attraktive Fernreiseziele gehören. Hier kann die mangelhafte Verfügbarkeit der Impfstoffe, aber auch deren schlechte Qualität ein Thema sein. Ein Biss, z. B. von einem streunenden Hund, kann so schnell zu einem richtigen Problem für Sie werden.

Insbesondere Kleinkinder, egal in welchem Alter, sollten dringend vorbeugend geimpft werden, wenn sie mit Ihnen in Risikogebiete reisen. Denn die Wahrscheinlichkeit eines Tierkontaktes ist bei Kindern besonders hoch.

Übrigens: Nach Bissen von Hunden oder Katzen, die nicht krank wirken, kann eine mehrtägige Beobachtung des Tieres Aufschluss darüber geben, ob es erkrankt ist. Eine Erkrankung könnte dann auch eine Tollwutinfektion nahelegen. Im Zweifelsfall kann das Tier untersucht werden, damit eine postexpositionelle Impfung gezielt erfolgen kann.

Bisse, Hautkontakt & Co.: So wird das Tollwutvirus Übertragung

Virushaltiger Speichel gelangt durch den Biss des Tieres oder durch Kontakte über verletzte Haut in den Körper. 99 Prozent der Übertragungen des Virus gehen auf das Konto von Hundebissen. Darüber hinaus spielen Katzenbisse eine Rolle, aber selbst Kühe und jagdbare Wildtiere haben das Tollwutvirus schon übertragen. Besonders erschreckend: Auch Organtransplantationen und das Handhaben von Kadavern infizierter Tiere haben weltweit schon zu Infektionen geführt. Für unsere Breitengrade nach wie vor relevant sind aus Osteuropa mitgebrachte oder zugewanderte Hunde, denn dieser Teil der Welt ist bisher nicht tollwutfrei. Auch das Einwandern von tollwutinfizierten Wölfen ist nicht auszuschließen. Übertragungen von Mensch zu Mensch, beispielsweise in Krankenhäusern, oder durch den Verzehr tollwuthaltigen Fleisches sind hingegen bislang nicht berichtet worden.

Nicht zu unterschätzen: Die Fledermaus als Überträger der Tollwut

Fledermäuse können ebenfalls Tollwut übertragen. Auch in Deutschland. Denn laut Robert Koch-Institut gilt nur die terrestrische Tollwut seit 2008 in Deutschland als „ausgerottet“. Europäische Fledermäuse sind nicht aggressiv. Sie sind eher scheue, nachtaktive Tiere, sodass Menschen mit Fledermäusen selten in Kontakt kommen. Trotzdem sollte man für den unwahrscheinlichen Fall eines Aufeinandertreffens einige Regeln beachten. Am besten ist es, die Tiere in Ruhe zu lassen. Auch ein am Boden liegendes Tier sollte nicht aufgehoben oder berührt werden. In Nordamerika ist das Tollwutvirus schon bei kleinsten, sehr flüchtigen und manchmal kaum erinnerten Kontakten mit Fledermäusen, etwa innerhalb von Gebäuden oder in Garagen, übertragen worden. In seltenen Fällen hat sogar das Inhalieren von virushaltigem Aerosol (Schwebeteilchen in Gasen oder in der Luft) in Fledermaushöhlen weltweit zu Infektionen geführt.

In Südamerika hingegen leben vampirische, also blutsaugende Fledermausarten, die durch ihr Verhalten Haustiere und Weidevieh aktiv gefährden.

Info

Das Robert Koch-Institut schreibt zur aktuellen Situation:

„Deutschland gehört zu den Ländern Europas, in denen durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen, vor allem durch die orale Immunisierung der Füchse, die Tollwut bei Wild- und Haustieren getilgt werden konnte. Der letzte identifizierte Tollwutfall bei einem Wildtier (außer Fledermäusen) trat in Deutschland im Februar 2006 bei einem Fuchs auf. Seit 2008 gilt Deutschland als frei von terrestrischer Tollwut (also nicht als frei von Fledermaustollwut).“[1]

Und das sagt das Robert Koch-Institut zur Fledermaustollwut in Deutschland:

„Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern wurde das Vorkommen von verschiedenen Lyssaviren bei Fledermäusen nachgewiesen. Der letzte durch einen Fledermausbiss verursachte humane Todesfall trat 2002 in Schottland auf. Daher muss bei einer Übertragung von Lyssaviren von Fledermäusen auf den Menschen prinzipiell von einer gleichen Gefahr ausgegangen werden wie bei der klassischen Fuchstollwut.“”[1]

Durch den Import von Tieren oder durch streunende, wandernde Tiere wie verwilderte Hunde oder Katzen kann Tollwut nach wie vor nach Zentraleuropa eingeschleppt werden: So geschehen durch ein illegal von Marokko nach Frankreich importiertes Hundebaby im Jahr 2008, was eine groß angelegte Impfaktion bei Menschen und Tieren zur Folge hatte.

Die Tücke im Unscheinbaren: Das Krankheitsbild von Tollwut

Das Virus hat eine starke Affinität zum Nervengewebe des Menschen (es ist „neurotrop“), vermehrt sich aber nach dem Eindringen wahrscheinlich erst einmal im Muskel- und Bindegewebe, bevor es die Nervenzellen erreicht und Symptome hervorruft. Dies könnte die Erklärung für die manchmal jahrelange Inkubationszeit sein, also die Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit. Die Spanne reicht dabei von einer Woche bis zu mehreren Jahren. In der Regel treten die ersten Zeichen der Tollwuterkrankung ein bis drei Monate nach der Infektion auf. Uncharakteristische Beschwerden wie Kopfweh, Abgeschlagenheit, Fieber und Appetitlosigkeit können auftreten. Besonders verdächtig sind Brennen, Jucken oder eine Überempfindlichkeit im Bereich der Bisswunde.

Im weiteren Verlauf entwickeln etwa zwei Drittel der Erkrankten die klassische Tollwut (die enzephalitische Form) mit Symptomen wie Unruhe, Übererregbarkeit, Aggressivität und Wasserscheu oder sogar einer Abneigung gegenüber frischer Luft. Dies ist zurückzuführen auf Krämpfe in der Muskulatur der Atemwege und der Speiseröhre, die das Schlucken zu einer Qual machen. Daher läuft der Speichel häufig unkontrolliert aus dem Mund des Kranken heraus; Infizierte wehren sich deshalb bisweilen heftig gegen angebotene Getränke. Die Ursachen für den Tod sind dann oft ausgeprägte Herzrhythmusstörungen und ein irreversibles Koma mit den Zeichen eines Versagens des zentralen Nervensystems.

Bei der anderen Form der Tollwut (paralytische Form, bei ca. 30 Prozent der Infizierten) erleiden die Patienten eher langsam verlaufende Lähmungen, die sich oft von der Biss-Stelle aus verbreiten. Hinzu kommt eine allmählich eintretende Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma. Diese weniger eindeutigen Tollwutzeichen müssen von anderen neurologischen Erkrankungen unterschieden werden. Sie werden sehr wahrscheinlich nicht immer als Tollwut identifiziert. Ein Teil der Patienten erleidet atypische oder sich überlappende Verlaufsformen. Tragisch waren vor allem Fälle von Tollwut bei Menschen, die anfangs nur als seelisch gestörte Menschen mit Tollwut-Angst angesehen wurden und dann doch an Tollwut starben.

Tollwut-Diagnostik: Jedes Detail zählt

Sind bei einem ungeimpften Infizierten bereits Symptome der Tollwut ausgebrochen, so ist eine lebensrettende Behandlung nicht mehr möglich. Deswegen ist es so immens wichtig, sich direkt nach einem Tierbiss oder einem Fledermauskontakt medizinische Hilfe zu holen. Nur wenn Ihr Arzt alle Informationen zu Ihrem Vorfall bekommt, kann er die richtige Maßnahme ergreifen. In der Praxis kommt es vor, dass eine Tollwut nicht vermutet wird, weil die Patienten zu sorglos mit dem Thema umgehen, u. a. ihren Impfstatus nicht kennen, einen Kontakt mit potenziell infizierten Tieren als harmlos einstufen oder nicht sofort zum Arzt gehen.

Zuverlässige Behandlung bis heute unerforscht

Obwohl eine Reihe von Substanzen existieren, die im Reagenzglas gegen das Tollwutvirus wirken, gibt es bis heute keine medikamentöse Behandlungsmöglichkeit. Auch der Versuch, mit speziellen Substanzen das Nervensystem zu schützen oder zu stärken, und die Anwendung von speziellen therapeutischen Impfstoffen (analog zur Ebola-Behandlung) sind erfolglos. Von den wenigen überlebenden Patienten waren einige vor langer Zeit einmal geimpft worden, hatten nach einem Tierbiss zumindest eine unvollständige Impfung bekommen oder wiesen atypische Verläufe auf. Bei der Hälfte der Überlebenden blieben schwere Folgeschäden zurück. Grundsätzlich beschränkt sich die Behandlung daher auf die unbedingte und schnellstmögliche Anwendung der nachträglichen Impfung sowie eine Linderung der Symptome mit allen Mitteln der Intensivmedizin.

WHO plant Bekämpfung der Hundetollwut bis 2030

Aber wie geht es dann weiter? Wie soll die Tollwut weiter bekämpft werden, wenn es keine Medikamente gegen die Erkrankung gibt? Für die WHO lautet die Lösung ganz klar: Impfen. Bis 2030 soll es nach der WHO keine menschlichen Todesfälle aufgrund von Tollwut mehr geben. Dazu stehen die Bekämpfung der Hundetollwut und die flächendeckende Verfügbarkeit von Impfstoffen in den meistbetroffenen Ländern im Fokus. Bei korrekter Anwendung moderner und akkurat gelagerter Impfstoffe beträgt die Wirksamkeit nahezu 100 Prozent – daher bleibt nur zu hoffen, dass die Rahmenbedingungen dafür in allen Ländern dieser Erde möglichst schnell geschaffen werden können.

Die Geschichte des Tollwutvirus: Von griechischen Göttern und Werwölfen

Anonyme römische Aufzeichnungen aus dem Jahr 50 nach Christus sprechen bereits von einem „üblen Stoff“ der durch eine Bisswunde in den Körper eindringt und zum Tod führt. Es heißt: Die von Aktaion beim Nacktbaden beobachtete Göttin Artemis rächte sich dafür, indem sie Aktaion in einen Hirsch verwandelte, der dann von seinen tollwütig gewordenen Hunden zerrissen wurde. Das Erscheinen des mythenumrankten Sirius aus dem Sternbild des großen Hundes am Himmel war in der klassischen Antike mit Feuer, (Sommer-)Hitze und Fieber verbunden (daher auch die Bezeichnung „Hundstage“) und galt als Ursache der Hundetollwut, was zur Tötung und Opferung von Hunden führte.

Im 15. Jahrhundert breitete sich das Tollwutvirus mit der weltweit zunehmenden Schifffahrt und als Kriegsfolge aus. Streunende Wölfe und herrenlose Hunde vermehrten sich nach dem Dreißigjährigen Krieg stark und verbreiteten die Tollwuterreger über das Land. In dieser Zeit dürften auch die Werwolfmythen entstanden sein. 1804 wurde die Bedeutung von Tierspeichel für die Übertragung entdeckt, woraufhin der französische Arzt und Politiker Guillotin – bekannt geworden als Konstrukteur der Guillotine – zu Forschungsarbeiten über das Tollwutvirus anregte. 1895 entwickelte Louis Pasteur schließlich mithilfe von Tierversuchen einen Impfstoff, der die ersten Patienten vor dem sonst sicheren Tod rettete – eine Nachricht, die sich in Europa schnell verbreitete. Sie führte sogar dazu, dass der russische Zar 19 von einem tollwütigen Hund verletzte Bauern mit dem Sonderzug nach Paris schickte, obwohl seit den Bissen bereits zwei Wochen vergangen waren. Mit seinem Impfstoff gelang es Pasteur tatsächlich, 16 von ihnen zu retten.

Rechtshinweis:

Die Informationen in diesem Artikel wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt, ersetzen aber den Arztbesuch nicht und dürfen auf keinen Fall zur Selbstdiagnose oder -behandlung eingesetzt werden. Im Zweifelsfall sollte immer eine Beratung durch einen fachkundigen Arzt erfolgen.

Dr. med. Hinrich Sudeck

Autor

Hinrich Sudeck ist Internist und Tropenmediziner und war von 1990 bis 2007 Assistenzarzt und leitender Oberarzt am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Er leitete von 2010 bis 2015 den Fachbereich Tropenmedizin der Bundeswehr in Hamburg und absolvierte als Soldat Einsätze in Afghanistan, Mali und in Liberia im Rahmen der Ebola-Bekämpfung, nachdem er bereits seit 2003 als WHO-Experte für den Umgang mit hochansteckenden Viruskrankheiten tätig war. Neben vielen Reisen in tropische Länder hat er vier Jahre in Ghana und Nigeria gelebt und gearbeitet.