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Mit neuem Lebensstil zu besseren Zähnen

Kontrollbesuche beim Zahnarzt, regelmäßiges Putzen und professionelle Zahnreinigung sind gut, aber zu wenig. Ein veränderter Lebensstil sorgt nachhaltig für eine bessere Mundgesundheit. Eine bessere Ernährung mag naheliegend sein. Aber auch mehr Sport, weniger Stress und Aufhören mit dem Rauchen können helfen. Parodontologe Johan Wölber erklärt die Zusammenhänge und gibt Tipps, wie man sein Leben rundum gesünder macht.

Volkskrankheit Zahnbeschwerden

Die häufigsten Erkrankungen der Menschheit heißen nicht Rückenschmerzen und Migräne, sondern Karies und Parodontitis. Das sind auch in den meisten Fällen die Gründe für Zahnverluste. 

Bei Karies, abgeleitet vom lateinischen Wort für Morschheit und Fäulnis, wird der Zahn an sich von Säuren zersetzt. Der Begriff Parodontitis kommt aus dem Altgriechischen, bedeutet so viel wie „Entzündung neben dem Zahn“ und beschreibt eine Erkrankung des Zahnhalteapparats. Sie kann dazu führen, dass an sich gesunde Zähne locker werden und ausfallen. 

Zwischen den Erkrankungen gibt es einige Parallelen, auch in der Frage, wie man sie behandelt und ihnen vorbeugt.

Erfolge von Mundhygiene und Kontrollbesuchen

„Zahnbeläge sind ein entscheidender Faktor bei der Entstehung von Parodontitis“, schreibt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung in einer Patienteninformation zum Thema. Schließlich ließen sich die Beläge mit guter Mundhygiene beseitigen: „Zweimal täglich gründliches Zähneputzen und das tägliche Reinigen der Zahnzwischenräume mit Interdentalbürstchen oder Zahnseide sind ein Muss.“ Insbesondere fluoridhaltige Zahnpasta hilft bei der Bekämpfung von Karies.

„Insbesondere fluoridhaltige Zahnpasta hilft bei der Bekämpfung von Karies.”

Eine professionelle Zahnreinigung ist oft eine sinnvolle Ergänzung, auch bei einer Entzündung im Randbereich eines Zahnimplantats.

Auch regelmäßige Kontrollbesuche helfen. Die sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie hat ergeben, dass Deutschland gerade durch solche Ansätze der Prävention „in der Bekämpfung von Karies hervorragend aufgestellt ist“: In den vergangenen 35 Jahren hat sich die Zahl der jüngeren Erwachsenen, die an Karies gelitten haben, halbiert. Die Anzahl fehlender Zähne ging signifikant zurück. Dadurch wurden die Krankheitskosten spürbar gesenkt.

Ursachen bekämpfen, nicht nur Symptome

Man kann deutlich mehr tun, als nur die Symptome zu bekämpfen. Das sagt Prof. Johan Wölber, Leiter des Bereichs Parodontologie an der TU Dresden. Er unterstützt einen kausalen Ansatz, keinen symptomatischen: „Um gegen die Ursachen der Erkrankungen vorzugehen, müssen wir über zusätzliche Ansätze sprechen, über Ernährungsberatung und Lebensstilveränderung.“ 

„„Wir haben die Chance, eine Fehlernährung sehr früh zu sehen und sie sehr früh zu beeinflussen.“ ”
Prof. Johan Wölber

Eine ganzheitliche Zahnmedizin also. „Wir haben die Chance, eine Fehlernährung sehr früh zu sehen und sie sehr früh zu beeinflussen, wenn wir das wollen.“ Der Besuch beim Zahnarzt sei für die meisten der häufigste und der früheste Facharztbesuch, schon für Kinder gehöre er zur Normalität. „Wir haben hier eine unglaublich tolle Infrastruktur geschaffen. Sie nur für die Mundhygiene zu nutzen wäre eine starke Vernachlässigung unserer Möglichkeiten.“

Lebensstilfaktoren stärker in den Fokus nehmen

Eine umfassendere Beratung kann die Gesundheit im Mundraum verbessern. „Schließlich werden Karies und Parodontitis maßgeblich durch den Lebensstil hervorgerufen“, so Wölber. Ernährung, Rauchen, körperliche Inaktivität und chronischer Stress seien deren „eigentliche Ursache“. Zahnärztinnen und Zahnärzte müssten diese Faktoren stärker in den Fokus nehmen – „wenn die Therapie und Prävention nachhaltig und lange funktionieren soll“. 

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„Karies und Parodontitis werden maßgeblich durch den Lebensstil hervorgerufen.”

Im Mundraum enden die positiven Auswirkungen einer ganzheitlichen Zahnmedizin allerdings nicht. Zwischen Zähnen und Körper bestehen vielfältige Verbindungen und Wechselwirkungen. Das Gegensteuern bei einer Fehlernährung kann zugleich Risiken für Folgeschäden – von Übergewicht über Diabetes bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen – reduzieren.

Lebensstilfaktor Ernährung

Ernährung ist der zentrale Schalthebel beim Kampf gegen die Karies. Hauptfaktor ist der Zucker, genauer: sind freie Zucker, also solche, die aus ihrem natürlichen Verbund – etwa in Obst und Gemüse – herausgelöst wurden und mit denen andere Lebensmittel gesüßt werden. „Freier Zucker ist notwendig, damit die Bakterien überhaupt Stoffwechsel in Richtung von Säuren betreiben können, um den Zahn aufzulösen“, erklärt Prof. Wölber den Zusammenhang mit Karies. 

„Die WHO empfiehlt als Obergrenze an freiem Zucker pro Tag: eine halbe Tafel Schokolade oder ein Glas Orangensaft.”
Was tun?
  • Schrittweise Zuckerentwöhnung über persönliche Reduktionsstrategien (etwa: statt drei Löffel Zucker im Kaffee zwei Löffel, dann nur noch einen).

  • Vollständiger Zuckerentzug mit Zwischenschritt (etwa: volle „Zuckerdröhnung“ an einem Tag in der Woche, an den anderen Tagen kein Zucker mehr).

  • Zuckerersatzstoffe (etwa Xylitol oder Erythritol, in eingeschränktem Maße auch Stevia) können bei der Entwöhnung helfen. Vorübergehend, nicht dauerhaft; nicht 1:1 ersetzen, sondern reduzieren (denn Zuckerersatz hat andere Nebenwirkungen). 

  • Essfrequenz reduzieren: Wenn Zuckerhaltiges, dann lieber früh am Tag zu sich nehmen und eher „am Stück“ als in mehreren kleinen Portionen (denn Speichelfluss wirkt der Zersetzung des Zahns entgegen, das funktioniert tagsüber besser als nachts).

Weitere Lebensstilfaktoren

Die Parodontitis ist eine Entzündungskrankheit. Das Immunsystem ist der zentrale Gegenspieler, um solchen Erkrankungen entgegenzuwirken. Als eine Art Polizei und Warnsystem unseres Körpers bekämpft das Immunsystem potenziell krankheitsbringende Eindringlinge wie Viren, Bakterien und Krebszellen, indem es Entzündungen auslöst. Reagiert das Immunsystem stark entzündlich, steigt auch das Risiko für eine Parodontitis. Dieser Entzündungsprozess lässt sich modulieren, indem man das Immunsystem stärkt. Neben einer gesunden Ernährung helfen weitere Lebensstilfaktoren: mehr Bewegung, Nichtrauchen und Entspannung.

Lebensstilfaktor Bewegung

In Industrienationen bringt der Mensch heute nur noch ein Drittel dessen an körperlicher Leistung auf, wozu der Körper evolutionär angelegt ist. Mehr Bewegung kann die Anfälligkeit für Entzündungen im gesamten Körper reduzieren. Laut Johan Wölber kommen dabei mehrere Faktoren zusammen: Körperliche Aktivität sei extrem wirkstark darin, erhöhte Blutzucker- und Blutfettwerte zu senken – „zwei zentrale Faktoren im Entzündungsgeschehen“.

Der Körper gibt durch die Bewegung überschüssige Energie ab, was dem Stoffwechsel guttut und das Körperfett reduziert. Auch das hemmt Entzündungen. Sport fördert den Muskelaufbau, Muskeln wiederum setzen anti-entzündliche Heilstoffe frei, die sogenannten Myokine. Insgesamt hilft körperliche Aktivität beim Stressabbau und führt oft zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen: „Sportler rauchen weniger und achten mehr auf gesunde Ernährung.“

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Was tun?
  • Jede Form der Bewegung hilft. Es muss kein „schwitzender Sport“ sein.

  • Schon entspanntes Spazieren oder zweimal wöchentlich Schwimmengehen ist besser als nichts.

Lebensstilfaktor Rauchen

Nikotin hat verheerende Folgen für das Immunsystem und schädigt das Zahnfleisch. Das gilt nicht nur für die klassische Zigarette, sondern auch für Shishas und E-Zigaretten. Rauchen senkt zudem den Sauerstoffpartialdruck in den Zahnfleischtaschen. Dieser Wert gibt an, wie viel Sauerstoff im Blut gelöst ist. Sinkt er, begünstigt das die Keime, die Parodontitis auslösen.

Was tun?
  • Es gibt viele Formen der Unterstützung, die beim Aufhören helfen, etwa Angebote vom Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, der früheren Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Rauchstopp: rauchfrei-info.de).

  • Manchen reicht zum Aufhören der eigene Vorsatz oder Rauchfrei-Bücher.

  • Nikotinersatz (etwa Pflaster, Kaugummis) können anfangs sinnvoll sein, ebenso wie eine gesundheitspsychologische Begleitung.

Lebensstilfaktor Dauerstress

Während die Immunkräfte des Körpers kurzfristigen Stress auffangen, ist chronischer Stress ein Entzündungsverstärker. Gestresste Menschen legen außerdem verschiedene Verhalten an den Tag, die die Gesundheit weiter beeinträchtigen: Unter Stress isst man weniger gesund und hat kaum Zeit für Sport. Eventuell vernachlässigt man die Mundhygiene; wer raucht, raucht mehr.

Was tun?
  • Bei situationsabhängigem Stressempfinden können Techniken wie Yoga, Achtsamkeitstraining, Meditation und bewusstes Atmen helfen.

  • Hat der Stress allerdings strukturelle Ursachen wie eine Depression, wird weitergehende psychologische oder psychiatrische Hilfe notwendig.

Der Alltag bietet mehr Stellschrauben als die Mundhygiene, um etwas für unsere Zahngesundheit zu tun. Und so gibt es gute Gründe, Zahnmedizin umfassender zu denken. Doktern Ärztinnen und Ärzte nur an Symptomen herum, verschenken sie einen wichtigen Teil ihres Potenzials. Sollte ihre Beratung in der „Nebenwirkung“ zu ein paar Kilo weniger auf der Waage führen, können damit wahrscheinlich viele leben.

Quellen

Icon, das einen Experten/eine Expertin symbolisiert. Symbol für die Envivas Fach-Experten.

Prof. Dr. Johan Wölber

Experte

Leiter des Bereichs Parodontologie an der TU Dresden

Markus Düppengießer

Autor

Markus Düppengießer, Journalist und Lektor, lebt in Köln. Früher schrieb er vor allem für Tageszeitungen, heute für verschiedene Fachmedien (on- und offline) aus den Bereichen Gesundheit und Personalwesen, für ein Straßenmagazin und eine Kinderzeitung. Zudem ist er Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.