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Digitales Dental Monitoring mit dem Handyscan von zu Hause

In der Kieferorthopädie ist vermehrt ein Digitaltrend zu beobachten – die Zahnkontrolle via Smartphone-App. Damit sollen insbesondere Praxisbesuche für Kinder mit Zahnspangen reduziert werden. Meist einmal pro Woche scannen die Kinder ihr Gebiss mithilfe eines speziellen Handyaufsatzes. Wie das funktioniert und was Vor- und Nachteile sind, das erfahren Sie hier.

„Analoge“ Kontrolle der Zahnspange beim Kieferorthopäden ist aufwändig

Etwa 40 Prozent der Acht- und Neunjährigen in Deutschland benötigen eine Zahnspange. Das geht aus einer Studie des Institutes der Deutschen Zahnärzte, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Bundeszahnärztekammer und der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie hervor. Eine kieferorthopädische Behandlung dauert mehrere Monate oder Jahre. Damit die Therapie sicher und zielgerichtet abläuft, braucht es regelmäßige Kontrollen der Behandlungssituation durch den Kieferorthopäden.

„Die jungen Patienten müssen etwa alle sechs Wochen zum Check in die Praxis.”

Die jungen Patienten müssen etwa alle sechs Wochen zum Check in die Praxis. Das sind bei einer längeren Therapie eine Menge Termine, die meist noch mit den Eltern koordiniert werden müssen. Außerdem können sich die Zähne in dieser Zeit schon ordentlich bewegt haben, eventuell in die falsche Richtung. Schließlich müssen unter anderem herausnehmbare Spangen meist wöchentlich enger gestellt werden. Wer das vergisst oder falsch handhabt, kann schnell den Behandlungsplan durcheinanderbringen. Das kann dann eine Verlängerung der Tragezeit bedeuten.

Check mit dem Do-it-yourself-Scan soll motivieren, kann aber auch nerven

Deshalb ist ein regelmäßiger Scan von zu Hause eine sinnvolle Innovation. Mit Hilfe der Smartphone-App ist der Facharzt gewissermaßen rund um die Uhr mit dabei, digital, berührungsfrei, nur einen Tastendruck entfernt. Doch wie funktioniert das, und ist es wirklich zuverlässig genug?

„Im Alltag kann der Do-it-yourself-Scan eher nerven, muss er doch öfters wiederholt werden.”

Mittels eines Scan-Aufsatzes und des eigenen Mobiltelefons soll das Kind den Kiefer in regelmäßigen Abständen selbst „scannen“. Fachzahnärzte für Kieferorthopädie werben damit, dass Dental Monitoring Kinder motivieren kann, eine feste oder herausnehmbare Spange zu tragen – sogar, dass es gelingt, sie für die Behandlung zu begeistern. Im Alltag kann der Do-it-yourself-Scan eher nerven, muss er doch öfters wiederholt werden, wenn die Digitalaufnahme nicht sofort gelingt.

So funktioniert der Scan

Ist das Smartphone im Scan-Aufsatz befestigt, startet eine App, die mit gesprochenen und geschriebenen Anweisungen durch die Aufnahmen führt. Eine Art Mundsperre hält den Kamerablick auf die Zähne weit offen – in den Manuals der Kieferorthopäden wird dieses Zubehör liebevoll „Wangenhalter“ oder etwas nüchterner „Cheek Retractor“ genannt.

Dann fährt das Kind mit der Rückkamera des Smartphones und eingeschaltetem Blitz entlang des Wangenhalters und scannt die Zähne. Je nach korrigierender Behandlung mit zusammengebissenem Kiefer, leicht oder weit geöffnetem Mund. Zahnschienen oder herausnehmbare Zahnspangen werden bei zusätzlichen Scans gegebenenfalls entfernt. Sind alle Aufnahmen gemacht, sendet die App die Ergebnisse in die behandelnde Praxis. Theoretisch.

Die App fordert häufig zu Wiederholungen auf

Das Do-it-yourself-Verfahren ist grundsätzlich für Kinder ab sechs Jahren geeignet. Im Alltag kontrollieren sich ältere Kids beim Scannen selber im Spiegel – das Smartphone zeigt auf dem Bildschirm die Aufnahmen des Scanverfahrens. Oder die Eltern helfen dabei. Schon bei normal ausgeprägter Ungeduld der Kinder kann es schnell passieren, dass die Aufnahmen zu schnell gemacht werden, daher Unschärfen entstehen. 

Oder die Unterlippe verdeckt Zahnabschnitte des Scans. Oder die Zunge. Auch wenn das Bild zu dunkel ist, heißt es humorlos „Scan abgelehnt“, da die KI unbestechlich die Aufnahmen mit Idealparametern in der Cloud vergleicht. Und dann muss der Scan wiederholt werden, bei gleichzeitig wachsender Ungeduld, mit parallel ansteigender Fehleranfälligkeit.

„Künstliche Intelligenz fertigt via Software eine Voranalyse an und stellt diese dem Arzt zur weiteren Prüfung zur Verfügung.”

Weniger Praxisbesuche und Ortsunabhängigkeit

Mit etwas Routine birgt das Verfahren dennoch die bereits angedeuteten Vorteile. Mit dem Scan-Aufsatz und dem Smartphone können geübtere Kinder und erwachsene Patienten in regelmäßigen Abständen Scans und Bilder von der Zahnstellung anfertigen und sie ganz bequem per Klick an die Kieferorthopädie-Praxis schicken. Künstliche Intelligenz fertigt via Software eine Voranalyse an und stellt diese dem Arzt zur weiteren Prüfung zur Verfügung.

Anhand der Therapieplanung des Fachzahnarztes bekommt jeder Patient ein exakt auf seine Bedürfnisse abgestimmtes Überwachungsprotokoll, denn jede Behandlung ist sehr individuell. Die virtuellen Kontrollen können von überall auf der Welt erfolgen. Egal wo man gerade ist, die Praxis hat die aktuelle Zahnsituation im Blick. Und es muss weniger Zeit in der Praxis verbracht werden, mit geringerem Aufwand bei der Terminkoordination.

„In anderen Nationen, wie den USA, hat sich die Telezahnmedizin bereits fest etabliert.”
Dr. Tina Mandel

Spaßfaktor: Erfolge mit Freunden teilen

Dr. Tina Mandel, Zahnärztin und Fachzahnärztin für Oralchirurgie, nennt weitere Vorteile virtueller Kontrollen: „Zahlreiche Studien und wissenschaftliche Arbeiten bestätigen die Wirksamkeit und Vorteile der Telezahnmedizin bei der Schließung von Versorgungslücken. Gleichzeitig hilft die Technologie dabei, den wachsenden Ärztemangel in ländlichen Regionen Deutschlands auszugleichen. In anderen Nationen, wie den USA, hat sich die Telezahnmedizin bereits fest etabliert. Es ist zu erwarten, dass solche digitalen Lösungen in der Zahnmedizin in Deutschland kontinuierlich an Bedeutung gewinnen.“

Viele Fachzahnärzte werben auf ihren Webseiten mit der Optimierung des Zeitmanagements durch Dental Monitoring, besonders für die Zielgruppe junger, aktiver und mobiler Erwachsener. Sogar mit einem Spaßfaktor, denn die Behandlungs-Fortschritte sollen durchaus mit Freunden, Familie und, man höre und staune, auch bei Instagram geteilt werden.

Probleme fallen auch digital auf, ersetzen aber nicht den Praxisbesuch

Ein klarerer Pluspunkt für Dental Monitoring ist, dass im Scan kleinere Probleme mit der Zahnspange, etwa durch ein abgefallenes Bracket, auffallen und die Praxis vorab durch Bildmaterial über den Ist-Zustand informiert wird. So kann der Fachzahnarzt entscheiden, ob ein Besuch in der Praxis nötig ist oder bis zum nächsten regulären Termin abgewartet werden kann.

„Die Scan-Box ersetzt keineswegs den klassischen Abdruck in der Praxis.”
Dr. Tina Mandel

Dr. Tina Mandel betont: „Die Scan-Box ersetzt keineswegs den klassischen Abdruck in der Praxis. Sie ist vielmehr ein Hilfsmittel, mit dem der Patient sein Gebiss zu Hause detailliert filmen kann, ähnlich wie es ein Kieferorthopäde bei einer direkten Untersuchung tun würde.“

Der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist persönlich für die Behandlungsplanung, -strategie und -kontrolle verantwortlich, und wichtige Termine müssen in der Praxis vereinbart werden.

Vor- und Nachteile von Dental Monitoring

Vorteile:

  • Einfachheit: Der Patient erreicht das Behandlungsziel leichter und schneller.
  • Minimaler Aufwand: Die Patienten müssen seltener in die Praxis.
  • Zeitersparnis: Der Patient spart Zeit und wird trotzdem gut kontrolliert.
  • Motivation: Behandlungsfortschritte und -erfolge können mit Freunden und Familie und sogar in den sozialen Medien geteilt werden. Das motiviert und ist mit Spaß verbunden.
  • Kein Termindruck: Weniger Terminkollisionen in der Praxis – die digitale Kontrolle der Behandlung ist an jedem Ort auf der Welt möglich.
  • Angstpatienten profitieren von selteneren angsteinflößenden Kontrollbesuchen.
  • Studien weisen Genauigkeit der Zanscans nach.
  • Versorgungslücken werden durch Telezahnmedizin geschlossen.

Nachteile:

  • Disziplin erforderlich: Ein digitaler Scan kann bei mehrfacher Wiederholung aufwendig sein und muss zu vorgegebenen Terminen durchgeführt werden.
  • Technische Genauigkeit: Werden Aufnahmen zu schnell oder wenig akkurat gemacht, lehnt die Software die Scans ab. 
  • Kontrolle „unpersönlich“: Viele Patienten brauchen den häufigeren persönlichen Kontakt mit dem Fachzahnarzt als Motivation für das Tragen der Zahnspange.

Digitale Verlaufskontrolle erhöht die Effizienz

Eine durch Dental Monitoring digital unterstützte Behandlungskontrolle kann aber Zwischentermine vermeiden. Dr. Tina Mandel weiter: „Durch das digitale Angebot kann die Effizienz zweifellos erhöht werden. Es ermöglicht eine engmaschigere Überwachung der zahnmedizinischen Behandlungen. So kann beispielsweise der Zeitpunkt eines erneuten Praxisbesuchs, wie für einen Drahtwechsel, optimal an die spezifische Gebisssituation des Patienten angepasst werden.“

Bei Notfällen kann der Fachzahnarzt auch aus der Ferne an jedem Tag der Woche Ratschläge geben, wenn das notwendig sein sollte. Kurz: Der Patient profitiert vom digitalen Workflow der Praxis, der häufig moderne Kommunikations- und Behandlungskontroll-Instrumente einschließt.

Schließlich setzen viele Zahnärzte einen sogenannten Intraoralscanner auch als professionelles Diagnosegerät in der Praxis ein, unter anderem zur Anfertigung von Kronen, Brücken, Schienen oder auch Prothesen. Denn die klassische Abdrucknahme mit einer aushärtenden Abformmasse in einem Edelstahllöffel wird von Patienten als unangenehm empfunden.

Ist Dental Monitoring genau genug?

In den letzten Jahren hat sich die Fernüberwachung der Behandlung bei den Fachzahnärzten für Kieferorthopädie auch bei Erwachsenen immer mehr durchgesetzt. Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend beschleunigt. Doch wie sieht es eigentlich mit der Genauigkeit des Verfahrens aus, im direkten Vergleich zu der herkömmlichen Verlaufskontrolle in der Fachzahnarztpraxis?

Eine Studie von Dr. Paolo Manzo, Kieferorthopäde in Neapel, Italien, begleitete (nur) zwanzig Patienten, die sich einer Zahnspangenbehandlung unterzogen, und teilte diese in zwei Gruppen auf: Gruppe A wurde mit Dental Monitoring überwacht und Gruppe B kam ohne Telemonitoring zu persönlichen Terminen in die Praxis.

Am Ende der Studienlaufzeit von elf Monaten wurden die folgenden Parameter für die statistische Analyse erhoben: Gesamtzahl der Termine in der Praxis, Gesamtzahl der Notfalltermine (geplant und ungeplant), Anzahl der an die Patienten gesendeten Mundhygienewarnungen/-anweisungen und Gesamtzahl der geplanten Zahnreinigungstermine.

In der Gruppe A (Dental Monitoring) waren 24,5 Prozent weniger Praxisbesuche nötig, 80,8 Prozent weniger ungeplante Notfalltermine, 312 Prozent mehr über die DM-App verschickte Mundhygieneanweisungen/-warnungen und insgesamt weniger Zahnreinigungstermine verzeichnet. Nun ist die Patienten-Fallzahl hier statistisch nicht allgemeingültig, doch die Beobachtungen zeigen auf, warum die Scans immer beliebter werden.

Das Berufsbild und die Methoden ändern sich

Der technische Fortschritt wird die Zahnmedizin und die Kieferorthopädie in Zukunft weiter verändern. Sicher bringen neue Technologien auch Vorteile und neue Möglichkeiten mit sich. Dass die persönliche Betreuung komplett wegfällt, ist aber eher unwahrscheinlich. Dass der Einsatz modernster digitaler Technologien in der Kieferorthopädie das klassische Berufsbild des Zahnarztes, Kieferorthopäden und seines Praxisteams jedoch zumindest teilweise verändert, das ist sehr wahrscheinlich. Der Arzt übernimmt dabei mehr und mehr die Rolle des Gesundheitscoachs für seine Patienten.

Quellen

Robert Danch

Autor

Robert Danch studierte Kommunikationswirtschaft und Germanistik. Nach einem Verlagsvolontariat bei der „Süddeutschen Zeitung“ baute er dort den Online-Auftritt der „SZ“ mit auf und war danach in Köln bei DuMont unter anderem für die Online-Redaktionen verantwortlich. Als Fachautor schreibt er über neue Medien und Trends im Gesundheitswesen.