Kreidezähne bei Kindern: Erkennen und richtig behandeln

02. November 2022

von Markus Düppengießer
Zähne, die porös werden, die brechen, die fleckig sind und selbst beim Zähneputzen schmerzen – das verbindet man nicht mit Kindern. Aber die Zahnvolkskrankheit Kreidezähne ist ein neues Phänomen, das gerade im Milchzahnalter auftaucht. Warum sich die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), so der Fachbegriff, in so vielen Kindergebissen breit macht ist unklar. Sie lässt sich weder verhindern noch heilen. Und doch kann man viel dafür tun, dass Kreidezähne ein Leben lang halten.
Verzweiflung: Schmerzen beim Zähneputzen und Essen
Verzweifelt kommt eine Mutter in die Praxis von Kinderzahnärztin Rebecca Otto in Jena. Seit Wochen leidet die sechsjährige Marie (Name geändert) unter Schmerzen beim Zähneputzen und beim Essen. Vom ersten Lebensjahr an sind sie alle sechs Monate zur Kontrolle gekommen, bisher war immer alles in Ordnung. Mit dem Durchbruch der ersten bleibenden Backenzähne gingen nun die Beschwerden los. Die kleine Marie kommt ängstlich ins Behandlungszimmer, sie fürchtet sich vor neuen Schmerzen. Bald stellt sich heraus: Auch Marie leidet an Kreidezähnen. Eine Herausforderung für Kinder, Eltern und Zahnärzte.
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Was sind Kreidezähne?
Der umgangssprachliche Ausdruck Kreidezähne geht leichter von den Lippen als der Fachbegriff. Selbst Fachleuchte kürzen Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation als MIH ab. Molaren und Inzisiven sind jene Zähne, die zumeist betroffen sind: die Backen- und die Schneidezähne; erstere häufiger als letztere. Hypomineralisation beschreibt die Erkrankung: Im Schmelz der Zähne werden zu wenige Mineralien eingelagert. Die Ursache ist unklar. Die Beschädigung ist schon da, wenn die Zähne durchbrechen. Experten sprechen von einer Volkskrankheit, unter Zwölfjährigen ist mehr als jedes vierte Kind betroffen, für sie sind Kreidezähne ein größeres Problem als Karies.
Woran erkennt man Kreidezähne?
Am Anfang sind sie fleckig, sie weisen gelblich-bräunliche oder weißlich-cremefarbene Flecken auf, auf der Zahnoberfläche können sich Furchen zeigen. Weiterhin können die Zähne porös werden und leicht brechen. Zumeist sind sie sehr empfindlich. Heißes und Kaltes schmerzt, auch das Zähneputzen. In Extremfällen kann MIH Zähne zu sogenannten Anästhesieversagern machen, berichtet Kinderzahnärztin Rebecca Otto, die seit 2009 die erste Praxis für Kinder in Thüringen führt: „Der Zahn wird einfach nicht taub.“ Warum, das ist nicht erforscht.
Wie oft kommen Kreidezähne vor?
Eine repräsentative Studie zur Verbreitung in der Bevölkerung ist 2016 erschienen: die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie. Sie ergab, dass 28,7 Prozent unter den Zwölfjährigen mindestens einen Kreidezahn haben. Zehn bis 15 Prozent aller Kinder sind betroffen. Das Phänomen wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt. In den meisten Fällen (23,3 Prozent) war lediglich ein Teil des Zahns eingetrübt. Dass ein Zahn gezogen werden musste, kam nur in jedem tausendsten Fall (0,1 Prozent) vor. „Manche Leute sagen, es habe MIH schon immer gegeben. Man habe sie nicht erkannt, weil sie durch Karies überlagert oder für Karies gehalten wurde“, sagt Professor Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin. „Für einen Teil mag das gelten. Aber aus eigener Erfahrung – ich bin seit 32 Jahren Zahnarzt – kann ich sagen: In dieser Häufigkeit sind sie früher nicht aufgetreten.“ Er habe Mitte der 1990er Jahre erste sporadische Fälle gesehen, berichtet Zimmer.
Wann und wie entstehen Kreidezähne?
Der Schmelz der ersten bleibenden Backen- und Schneidezähnen entwickelt sich zwischen achtem Schwangerschaftsmonat und viertem Lebensjahr. Daher muss die Störung in dieser Zeitspanne auftreten. Jedoch ist die Ursachenforschung bei MIH schwierig. „Man kommt da nicht weiter“, sagt Professor Zimmer. „Das würde auch eine relativ umfangreiche Forschung voraussetzen, weil es so viele Kandidaten gibt.“
Auf der Liste möglicher Ursachen stehen unter anderem:
- Erkrankungen der Mutter im letzten Schwangerschaftsviertel
- Komplikationen bei der Geburt
- Infektionskrankheiten
- Antibiotika-Gaben
- Windpocken
- Einflüsse durch Dioxine oder Bisphenol A
- Vitamin-D-Mangel
Diskutiert wird ein multifaktorielles Geschehen: Mehrere Umstände müssten gleichzeitig eintreten. Oder kann es sein, dass manche Menschen eine genetische Veranlagung haben; eine Prädisposition, die erst zum Tragen kommt, wenn ein anderer Faktor hinzukommt? Bis heute ist die Ursache ungeklärt.

Was kann man gegen Kreidezähne tun?
Zähneputzen und weniger zuckerhaltiges Essen beugen Karies vor. Aber was tun gegen einen unbekannten Feind? Da man Kreidezähne nicht verhindern kann, sollte man alles tun, um mit ihnen leben zu können. Hier sind die Eltern gefragt. Ab dem sechsten Geburtstag, vielleicht etwas früher, brechen bei ihren Kindern erste bleibende Zähne durch. Dann sollten Mutter und Vater Schneide- und Backenzähne genau beobachten.
„Wir haben einen Flyer mit Fotos entwickelt, auf denen man sieht, wie ein Kreidezahn aussieht“, berichtet Zahnärztin Rebecca Otto. Je früher die Schädigung entdeckt wird, desto besser. Im Zweifelsfall kann der Arzt MIH diagnostizieren. „Wenn das geschehen ist, müssen die Kinder öfter zum Zahnarzt gehen“, sagt Otto, „nicht zweimal im Jahr, sondern alle drei Monate.“ Weiterhin sei gute häusliche Mundhygiene wichtig, „da müssen die Eltern nachputzen, weil die Rillen einfach schwer zu reinigen sind“.
Raue, zerfurchte Oberflächen fördern die Anlagerung von bakteriellen Belägen: die Ursache von Karies. Die schlechtere Substanz von MIH-Zähnen machen sie noch einmal kariesanfälliger. Dagegen hilft vor allem Fluorid, sagt Präventionsmediziner Stefan Zimmer. Die Anwendung ist schon sinnvoll, bevor bleibende Zähne kommen. Sobald Kinder mit Erwachsenen zusammen essen, sollte für sie fluoridhaltiges Speisesalz verwendet werden. Zweimal Fluorid-Zahnpasta am Tag, diese Empfehlung gilt immer; Dosierung und Konzentration sollten dem Alter angepasst werden:
- Unter zwei Jahren: nur eine reiskorngroße Menge fluoridhaltige Kinderzahnpasta.
- Ab zwei Jahre: eine erbsengroße Menge fluoridhaltige Kinderzahnpasta.
Ab dem Durchbruch der ersten bleibenden Zähne: eine Junior- oder Erwachsenenzahnpasta mit höherer Fluorid-Konzentration; zusätzlich: zweimal täglich eine fluoridhaltige Mundspüllösung oder einmal wöchentlich ein hoch konzentriertes Fluorid-Gelee.

Wie oft müssen Zahnärzte weitergehend eingreifen?
Kreidezahn ist nicht gleich Kreidezahn, man muss die Zahlen relativieren, auch die 28,7 Prozent unter den Zwölfjährigen: „Davon sind die wenigsten Fälle schwere Fälle, die man wirklich therapieren muss, bei den meisten sind es nur Verfärbungen. Allzu viel muss man da nicht machen, das ist eher kosmetischer Natur“, sagt Zimmer. „In unserer Praxis braucht etwa jedes zehnte MIH-Kind weitergehende Therapie“, berichtet Zahnärztin Otto – das entspricht ungefähr dem Ergebnis der fünften Mundgesundheitsstudie.
Es gibt Therapieformen in drei Abstufungen:
- Bei milden Ausprägungen, solange der Zahn seinen Schmelz nicht eingebüßt hat, reichen regelmäßige Kontrollen und hochkonzentrierter Fluoridlack; gegebenenfalls eine Fissurenversiegelung, also das Auftragen eines Kunststoffmaterials, um die Furchen zu kitten. Präventionsmediziner Zimmer rät zur Vorsicht: „Eine Versiegelung muss so groß sein, dass ihr Rand immer im gesunden Zahnschmelz liegt. Ansonsten kriegt man sie nicht dicht, da kommt die Karies dann wieder rein.“
- Ist Zahnschmelz verloren gegangen, wird eine Füllung eingesetzt: eine vorläufige oder eine endgültige. Zimmer: „Und wenn es gar nicht anders geht, kann man an eine Teil- oder Vollkrone denken.“
- In sehr schweren Fällen muss der Zahn vielleicht gezogen werden. „Das klingt schlimm“, so Zimmer; „allerdings kann das manchmal sogar die eleganteste Lösung sein.“ Dazu muss in direkter Nachbarschaft zur MIH ein Weisheitszahn angelegt sein („Das ist mit zehn Jahren abzusehen“). Unter kieferorthopädischer Begleitung könne es gelingen, den Kreidezahn zu ziehen und stattdessen den Weisheitszahn so nach vorne zu schieben, dass das Kind ein komplettes Gebiss behält.
Ist es sinnvoll, dass Eltern für ihre Kinder eine Zahnzusatzversicherung abschließen?
Versicherungen zahlen ja grundsätzlich dann nicht mehr, wenn der Schadensfall bereits eingetreten ist. Vorab ist nicht abzusehen, ob Kinder Kreidezähne bekommen werden – und von welchem Schweregrad. Daher stellt sich die Frage, ob der Abschluss einer privaten Zahnzusatzversicherung für die eigenen Kinder sinnvoll ist. Rebecca Otto dazu: „Es kommt auf die Art der Versicherung an.“ So könne es im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, eine Versicherung abzuschließen, die Kosten für Prophylaxe, für eine kieferorthopädische oder eine sonstige zahnmedizinische Behandlung übernimmt, die die Krankenkasse nicht trägt. „Aber das müssen Eltern individuell entscheiden.“
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Fazit
Sobald die Zähne vollständig durchgebrochen und Kinder zu etwas längeren Behandlungen bereit sind, kann der Arzt Kreidezähne mit verschiedenen Techniken wieder aufbauen. Sie haben dann wieder ein normales Kariesrisiko und können bei guter Pflege ein Leben lang erhalten werden.