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Zahnspangen – verschiedene Arten im Vergleich

Überdimensionierte Spangen, von Spöttern gerne als Bärenfallen verlacht, muss heute niemand mehr tragen, um etwas gegen schiefstehende Zähne zu tun. Im Bereich der kieferorthopädischen Therapie hat sich viel getan. Das Geraderücken der Zähne ist schließlich längst ein Massenphänomen geworden. Das Angebot wächst. Zahnspange ist nicht gleich Zahnspange. Wir vergleichen die unterschiedlichen Zahnspangenarten.

Kaum zu glauben: Aber nach wie vor verpassen Kieferorthopäden insbesondere Kindern und Jugendlichen Spezialmodelle wie sogenannte Kopf-Kinn-Kappen und Gesichtsmasken, die außerhalb des Mundraums befestigt werden. Aber die klassischen, intraoralen Spangen kommen deutlich häufiger vor. Auf sie wollen wir uns in diesem Artikel konzentrieren.

Welche Arten von Zahnspangen gibt es?

Es gibt eine Vielzahl von Modellen; Zahnspangen können sehr unterschiedlichen Zwecken dienen. Grundsätzlich lassen sich alle Zahnspangenarten aufteilen in:

  • festsitzende und
  • herausnehmbare Apparaturen.

Festsitzende Spangen aller Arten setzen sich zusammen aus Brackets – das sind Plättchen aus Metall oder Keramik –, Drahtbögen und Bändern. Die Bänder werden mit Zement an den Backenzähnen befestigt, die Brackets auf die übrigen Zähne geklebt. Diese beiden Elemente dienen als Bindeglieder zwischen Drahtbogen und Zähnen. Der Drahtbogen überträgt den Druck oder Zug über die Brackets auf den ausgewählten Zahn oder eine Zahngruppe.

„Lose und feste Spangen schließen sich übrigens nicht aus: Nicht selten wird zuerst eine herausnehmbare Apparatur verschrieben und später eine festsitzende.”

Herausnehmbare Apparaturen bestehen aus einer Kunststoffbasis mit Klammern und Korrekturelementen aus Edelstahldraht, die im Labor gefertigt werden. Sie werden eingesetzt, um bei Zähnen oder Zahngruppen kleinere Bewegungen durchzuführen. Lose und feste Spangen schließen sich übrigens nicht aus: Nicht selten wird zuerst eine herausnehmbare Apparatur verschrieben und später eine festsitzende.

Professor Peter Proff, Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Regensburg, wägt die Vor- und Nachteile der beiden grundlegenden Zahnspangenarten gegeneinander ab – unter besonderer Berücksichtigung zweier spezieller Unterformen.

Was spricht für herausnehmbare Zahnspangen, was dagegen?

Vorteile:

  • Leicht zu reinigen: unter Wasser halten, mit Zahnpasta und Bürste abbürsten.
  • Geringere Gefahr von Nebenwirkungen.
  • Werden von den Patienten in der Regel gut akzeptiert.
  • Gelegentliches Herausnehmen zwischendurch entlastet das Gewebe.
  • Lassen sich gut an die wechselnde Zahnsituation von Kindern im Wachstum anpassen.

Nachteile:

  • Eingeschränktes Einsatzspektrum: können nur für relativ einfache, kippende Zahn-Bewegungen eingesetzt werden.
  • Man braucht eine gute Mitarbeit des Patienten: wird sie nicht regelmäßig getragen, ist die Wirkung reduziert.
  • Sprechen kann damit schwerfallen.
  • Müssen regelmäßig kontrolliert und nachgestellt werden.
  • Passt die Apparatur nicht richtig, verursacht sie Schmerzen

Herausnehmbare Apparaturen – was ist das Besondere an Alignern?

Aligner oder Alignerschienen sind eine besondere Form von herausnehmbaren Apparaturen, die in den vergangenen Jahren populär geworden ist. Dabei werden durchsichtige kleine Schienen wie eine Haut über die Zähne gezogen.

Für erwünschte einfachere Zahn-Bewegungen reichen schon diese Schienchen. Um größere Bewegungen zu erreichen, werden zusätzlich sogenannte Attachments aus Kunststoff auf die Zähne geklebt. Das sind biomechanische Haltepunkte, an denen sich die Aligner festhalten können. Sie verbessern die Kraftübertragung auf den Zahn. Und so lassen sich die einzelnen Zähne oder Zahngruppen nicht nur kippen; es werden auch umfangreichere, kontrollierte Bewegungen möglich.

Auch Peter Proff setzt in seiner Poliklinik für Kieferorthopädie Aligner ein, wenn sich das anbietet: „Gewisse Einzelzahnbewegungen sind leichter mit Alignern durchzuführen, andere weniger.“ Beliebt sind sie auch bei allen, die eine unauffällige Spange wollen: „Sie sind nicht unsichtbar, aber man sieht sie kaum.“ Auch Aligner lassen sich zum Essen und zur Pflege herausnehmen.

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Kostenintensive Aligner – Vorsicht bei Billigangeboten aus dem Internet

Allerdings kann es sein, dass eine Behandlung mit Alignern deutlich länger dauert als die mit der klassischen Klammer. Um eine umfassende Bewegung durchzuführen, muss die Schiene alle zwei bis drei Wochen ersetzt werden. Diese Schienenserien sollten individuell angepasst sein, das macht die Behandlung teuer. Und die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich grundsätzlich nicht an den Kosten von Alignern.

Diese beiden Faktoren machen Billigangebote aus dem Internet für manchen interessant: Paketlösungen, mit denen Patienten sich selbst therapieren sollen – ohne Hilfe eines qualifizierten Kieferorthopäden und zu einem vermeintlich günstigen Preis. Von diesen Anbietern rät Professor Proff, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie ist, nachdrücklich ab: „Das geht schnell auf Kosten der Gesundheit der Patienten.“

„Bei Fehlplanungen können massive Nebenwirkungen entstehen, zum Beispiel dass die Zahnwurzeln geschädigt werden“, so Proff. Ins gleiche Horn stoßen Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. „Ausschließliche Fernbehandlung oder Anleitung zur Selbstbehandlung werden der Komplexität einer Heilbehandlung in keiner Weise gerecht“, schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung.

Was spricht für festsitzende Zahnspangen, was dagegen?

Vorteile:

  • Breiteres Einsatzspektrum: Man hat eine dreidimensionale Kontrolle über den Zahn; kann ihn – im besten Falle – mit Krone und Wurzel gleichmäßig durch den Knochen bewegen.
  • Die Mitarbeit des Patienten ist weniger wichtig.
  • Eine kontinuierliche Kraft auf die Zähne kann die Behandlung beschleunigen.

Nachteile:

  • Zähne lassen sich schlechter putzen. So können Schmutznischen entstehen. Gefahr von Zahnbelag, Zahnfleischentzündungen und White-Spot-Läsionen (Vorstufe von Karies).
  • Können nur an bleibenden Zähnen angebracht werden.
  • Beschwerden nach dem Einsetzen.
  • „Die Zähne werden ein wenig aufbissempfindlich, nachdem man die Spange eingesetzt hat“, berichtet Professor Peter Proff aus seiner Erfahrung. Ein anfängliches Druckgefühl sei Teil der Gewöhnung – und in der Regel nach spätestens einer Woche vorbei.

Was ist eine Lingualtherapie?

In der Regel werden die Brackets einer festsitzenden Spange an der Außenseite der Zähne angebracht, also gut sichtbar. Sie können aber auch an der Innenseite der Zähne befestigt werden. Bei dieser sogenannten Lingualtherapie ist die Zahnspange nahezu unsichtbar. Dafür müssen Patienten allerdings mehrere Nachteile in Kauf nehmen: Diese Modelle von Zahnspangen sind schwieriger zu reinigen. Da sie direkt innen an der Zunge liegen, können sie beim Sprechen stören. Außerdem ist diese Form der Sonderbehandlung besonders teuer.

Woran das liegt? Unter anderem an der Unverwechselbarkeit der menschlichen Zahninnenflächen, an denen die Brackets befestigt werden. Jedes Plättchen muss im Labor individuell angepasst werden. In der Summe steigen die Kosten für die Innenlösung um mindestens ein Drittel, teilweise verdoppeln sich die Kosten sogar.

Warum tragen immer mehr Erwachsene eine Zahnspange?

Nach wie vor sind es vor allem Kinder und Jugendliche, die Zahnklammern tragen. Aber es kommen immer mehr über 18-Jährige dazu. Peter Proff schätzt den Erwachsenenanteil unter seinen Patientinnen und Patienten mittlerweile auf „ungefähr 30 Prozent – und viele zahnärztliche Kollegen berichten von ähnlichen Zunahmen.“

Valide Zahlen dazu gibt es aus Deutschland nicht: Weil Erwachsene ihre Behandlungen meist privat bezahlen müssen und die Abrechnungsdaten daher bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung nicht erfasst werden. Eine US-Studie aus dem Jahr 2020 allerdings stellt dort beim Anteil kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene eine „stetige Zunahme innerhalb der vergangenen 30 Jahre“ fest.

Mehrere Gründe scheinen dabei zusammenzukommen, glaubt Professor Proff. Bei vielen Erwachsenen habe sich die Wahrnehmung des eigenen Gebisses verändert. „Und oft ist es so, dass erst kieferorthopädische Maßnahmen wie eine Zahnspange eine sinnvolle prothetische Maßnahme erlauben.“ Dann muss etwa ein gekippter Zahn erst einmal geradegerückt werden, bevor man eine Krone draufsetzen kann oder bevor in die benachbarte Lücke ein Implantat passt.

„Die eine Spange, die alles kann, gibt es nicht – weder für Kinder noch für Erwachsene.”

Die Entwicklung hat auch damit zu tun, dass Menschen immer älter werden. Und dass die Älteren immer mehr eigene Zähne im Mund haben. Diesen Trend belegt die Deutsche Mundgesundheitsstudie. 2014 ist die bis heute aktuelle Studie erschienen. In den 17 Jahren davor sei bei den jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) „eine deutliche Zunahme eigener Zähne um mehr als sechs Zähne zu verzeichnen“ gewesen, heißt es.

Welche Arten von Zahnspangen bieten sich für Erwachsene an?

Über die Form der Behandlung entscheidet immer Art und Ausmaß des kieferorthopädischen Problems. Auch Alter und Entwicklungsstand des Patienten sind zu berücksichtigen. Erwachsene haben durch ihr bleibendes Gebiss die Möglichkeit, sich für eine feste Spange zu entscheiden – das schließt aber eine herausnehmbare nicht aus, wenn die zur Zahn- oder Kieferfehlstellung passt. Die eine Spange, die alles kann, gibt es nicht – weder für Kinder noch für Erwachsene.

Allerdings ist bei Erwachsenen die Ausgangslage meist komplexer. Sind Zähne überkront oder fehlen sie ganz, schließt das unter Umständen gewisse Befestigungsarten aus. Das kann die Behandlung aufwendiger machen, also teurer. Das fällt bei Erwachsenen umso stärker ins Gewicht, da sich gesetzliche Krankenkassen bei über 18-Jährigen nur in Ausnahmefällen an den Kosten beteiligen.

Das Vorgehen sollte so sein: Zuerst untersucht der Kieferorthopäde den Ausgangszustand, dann unterbreitet er dem Patienten verschiedene Behandlungsvorschläge. „Das sind immer individuelle Entscheidungen“, sagt Professor Peter Proff, „ein Schema F – wenn das, dann das – gibt es nicht.“ Sollte dann ein Erwachsener gesteigerten Wert darauf legen, dass man ihm die Zahnspange möglichst wenig ansieht – und er will das nötige Kleingeld dafür ausgeben –, kann er sich gegebenenfalls für Alignerschienen oder eine Lingualtherapie entscheiden.

Quellen

Festsitzende oder herausnehmbare kieferorthopädische Apparatur? Patienteninformation der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, herunterzuladen unter:

Markus Düppengießer

Autor

Markus Düppengießer, Journalist und Lektor, lebt in Köln. Früher schrieb er vor allem für Tageszeitungen, heute für verschiedene Fachmedien (on- und offline) aus den Bereichen Gesundheit und Personalwesen, für ein Straßenmagazin und eine Kinderzeitung. Zudem ist er Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.